Sopranistin Annette Dasch im Interview | concerti.de (2024)

Oper szenisch und konzertant, Liederabende in unterschiedlichen kammermusikalischen Formationen – Annette Dasch hat als Artist in Residence des Rheingau Musik Festivals einen Sommer voller kunterbunter Programme vor sich. Doch eigentlich wollte die Sopranistin ursprünglich gar nicht Sängerin werden …

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Frau Dasch, vor dem Start
 Ihres Gesangsstudiums waren Sie in den verschiedensten Musikformationen unterwegs. Spielen Sie eigentlich noch manchmal Klarinette?


Annette Dasch: Ja, ab und an. Es ist nicht so, dass ich regelmäßig übe. Manchmal spiele ich Klarinette beim „Daschsalon“, meiner regelmäßigen Veranstaltung an der Alten Oper Frankfurt, und dann noch zu Weihnachten mit der Familie.

Sie wollten mal Klarinettistin werden – fehlt Ihnen heute als Sängerin ein Musikinstrument?

Dasch: Naja, da ist schon eine Sehnsucht, die bleibt. Also die Vorstellung, in einem Orchester zu sitzen und eine Brahms-Sinfonie mitzuspielen, das wird ein ewiger Wunsch bleiben.

Eine Sehnsucht – weil man als Gesangssolistin immer diese erhöhte Position hat auf der Bühne?

Dasch: Ja, das Musizieren im Verbund, das hat man als Opernsängerin normalerweise nur bedingt. Aber mir als Musikerin hat es auch immer Spaß gemacht, mich in einen Holzbläserakkord einzuordnen. Als Sängerin, jedenfalls so, wie ich diesen Beruf mache – da ist man immer vorne, immer die erste Trompete. Aber grundsätzlich glaube ich, ist die Fähigkeit zum Musizieren im Ensemble eine Eigenschaft, die man schon als Sänger auch haben sollte. Das kann bei bestimmten Stellen ganz konkret helfen, zum Beispiel beim A-cappella-Gebet im ersten Akt des „Lohengrin“, das gerne mal schief und krumm wird.

Weil alle Solisten ihr ganz eigenes Tremolo einsetzen?

Dasch: (lacht) Ja, vielleicht. Da sieht man, dass diese Fähigkeit zum Zurücktreten in den Gesamtklang vielleicht manchmal sogar wichtiger ist als die Liebe dazu, die herausstechende Person zu sein.

© Klaus Weddig

Sopranistin Annette Dasch im Interview | concerti.de (1)

Sie sind mit einem Opernsänger verheiratet, sie haben gemeinsam zwei kleine Kinder. Wie sieht denn heute bei Ihnen zuhause musikalische Früherziehung aus – in einem Sängerhaushalt?


Dasch: Also, unsere ältere Tochter hat gerade ihr letztes Jahr ohne Schulpflicht. Das heißt, dass wir bisher die Kinder sehr viel mitnehmen konnten. Wir reisen natürlich berufsbedingt sehr viel als Familie. Das macht zunächst mal einen regelmäßigen Instrumentalunterricht oder ähnliches unmöglich. Wir haben dann beschlossen, wir lassen die jetzt einfach mal die paar Jahre vor der Schule mit Mama und Papa noch rein spielerisch mit Musik in Kontakt kommen. Und natürlich hören wir nun mal ziemlich viel Musik. Die Kinder sind auch viel in unseren Proben, auch in Generalproben oder Vorstellungen. Also meine Tochter sagt ja wirklich explizit, dass Wagners „Meistersinger“ ihre Lieblingsoper ist. Sie war noch nicht drei, da hat sie das Stück zweimal von vorne bis hinten an der Met in New York gehört. Sie singt zum Beispiel die „Meistersinger“-Ouvertüre von vorne bis hinten durch. Mit allen Modulationen der Tonarten.

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Wie ist denn die musikalische Umwelt für Kinder in der Großstadt nach Ihrem Gefühl?

Dasch: Ich habe das Gefühl, dass sich gerade die Hochkultur den Kindern sehr zuneigt. Egal wo man hinkommt – es gibt fantastische Education-Projekte, Krabbelkonzerte für Babys, Probenbesuche hier und da. Ich habe das Gefühl, für die wird wahnsinnig viel getan, und man kann das alles gut nutzen. Klar, die Kinder hören sowieso vielmehr Musik als früher, weil sie viel leichter verfügbar ist. Wir waren früher beschränkt auf die Platten, die es bei meinen Eltern gab und dann das Radio. Und wenn man irgendwelche Hits haben wollte, dann musste man eben die Kassette im richtigen Moment im Radiogerät haben und was aufnehmen. Wenn die Kinder heute irgendwas aufschnappen, wenn irgendein Song in einer Werbung verbraten wird, dann kann man den Kindern das sofort wieder vorspielen. Finde ich eigentlich auch ganz cool. Also ich hab das Gefühl, die kriegen aus allen Bereichen Musik mit, ganz umfassend. Das ist toll.

Als Jugendliche hatten Sie bereits mit Studierenden von der Berliner Musikhochschule zu tun – und sind schon damals in einigen kleinen Neue-Musik-Produktionen als Sängerin aufgetreten. Jetzt sind Sie eine international tätige klassische Solistin – bedauern Sie, dass solche Off-Produktionen manchmal unter Ihrem Radar fliegen?

Dasch: Ja. Also bei der Neuen Musik blicke ich nicht so ganz durch, wie das vonstatten geht. Ich bedauere total, dass da nicht viel mehr Anfragen kommen. Ehrlich gesagt kommen gar keine. Dabei habe ich mich nie gesträubt. Jede Produktion, die mir angeboten wurde, habe ich angenommen. Ich habe zum Beispiel mit dem Scharoun-Ensemble die Uraufführung von Georg Friedrich Haas’ Komposition „ATTHIS“ für Sopran und acht Instrumente gemacht – und das war wirklich sehr schwer zu lernen. Dann die Oper „Metanoia“. Dann von Reimann der „Lear“. Und ich hatte mit den Sachen auch Erfolg – auch für mich, dass ich das gemeistert habe. Aber das wird irgendwie nicht mehr an mich herangetragen. Und ich kann nicht sagen, warum. Ich habe eine Agentur, die mir jede Anfrage weiterleitet. Und sei es für den siebzigsten Geburtstag von Tante Piffchen irgendwo in ihrer Villa.

© Klaus Weddig

Sopranistin Annette Dasch im Interview | concerti.de (2)

Manchmal stellt man ja seine beruflichen Ambitionen etwas zurück, sobald man Kinder hat. Wie ist das bei Ihnen? Lernen Sie noch neue Rollen?

Dasch: Ich bin gerade durch die Kinder noch mal darauf gekommen, dass ich diesen Beruf schon sehr liebe – und auch in der Weise liebe, wie ich ihn bisher gelebt habe. Jetzt nur so ein Leben mit Wiederaufnahmen zu machen, also mal drei Vorstellungen hier oder da, das ist mir zu wenig. Ich liebe einfach die Proben für eine Neuproduktion viel zu sehr. Mit Regisseuren zu arbeiten, das ist dann einfach mein ganzes Glück. Auch, dass man dem Dirigenten vor der Vorstellung mal begegnet. Mein Mann und ich haben uns gesagt, dass es jetzt mal für jeden von uns nur zwei Neuproduktionen pro Spielzeit geben kann – und ansonsten Konzerte und Wiederaufnahmen. Es ist natürlich auch schön, wenn man für eine Produktion wieder eingeladen wird, die man selber mit rausgebracht hat. Die Rosalinde in der „Fledermaus“ in der Regie von Rolando Villazón an der Deutschen Oper Berlin werde ich zum Beispiel auch in der nächsten Saison wieder singen. Sowas tut der Seele auch gut. Aber ich bin weiterhin bereit, für diesen Beruf ziemlich viel zu investieren. Ich merke: Für die Kinder jetzt nur noch auf Sparflamme fahren, das entspricht mir nicht. Davon würde ich selber müde. Ich bin einfach sehr gerne auf diesen „Peaks“. Man muss sich da kennen und ehrlich zu sich sein. Ich reiße mir ein Bein aus für meine Kinder, und für meinen Beruf reiße ich mir eben auch gerne ein Bein aus.

Woran arbeiten Sie gerade?

Dasch: Jetzt gerade arbeite ich an Janáčeks „Jenůfa“, die ich jetzt im Juni an der Nederlandse Opera in Amsterdam das erste Mal singen werde. Das macht mir sehr viel Spaß, diese tschechische Sprache tut meinen Sprachwerkzeugen sehr gut. Aber ich merke auch, dass ich jetzt mit dem Umzug nach Wien und allem, was sonst noch so passiert, ganz schön am Ackern bin. In Wien muss ich nicht nur die Wohnung einrichten, sondern auch noch eine gute Elsa singen an der Staatsoper. In den Urlaub nehme ich jetzt tatsächlich die Jenůfa, mit – was ich eigentlich sonst nie tue. Aber so habe ich später nach hinten raus weniger Stress. „Freiheit durch Fleiß“ – das war immer mein schönes Lebensmotto … (lacht)

Und wie geht’s Ihnen mit 
dieser großen Janáček-Partie?

Dasch: Ich habe darauf lange gewartet – lange gezögert, es wurde mir schon ein paar mal angeboten. Da fand ich das zu früh. Es ist schon ganz schön laut – Janáček-Opern können ganz schön knallen. Aber jetzt habe ich trotzdem das Gefühl, „Jenůfa“ kommt im richtigen Moment für mich.

Annette Dasch und Rolando Villazón über ihre Zusammenarbeit:

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