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Sandra Kirsch Emigration als Herausforderung Eine Studie zu Identitätskonstruktionen von aus dem nationalsozialistischen Deutschland emigrierten Kindern und Jugendlichen 310 Seiten, broschiert ISBN 978-3-941743-07-6 Buchausgabe 29,80 Euro E-Book 14,– Euro © 2010 Verlag Humanities Online Frankfurt am Main www.humanities-online.de [emailprotected]

Anhänge Transkript des Interviews mit Esther Brückner, 16. 10. 2003 . . . . . 2 Transkript des Interviews mit Georg Levi, April 1999 . . . . . . . . . 94 Anmerkungen zum Manuskript Gisela Johanns . . . . . . . . . . . . . . 135 Manuskript Gisela Johanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Anmerkung des Verlags: Die Anhänge sind Teil des Buches »Emigration als Herausforderung« von Sandra Kirsch und unterliegen dem Urheberrecht. Dateiname dieses Dokumentes: Kirsch_Emigration_Anhaenge.pdf URL: www.humanities-online.de/download/Kirsch_Emigration.html

1

Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

Transkriptionsregeln E: Interviewee I: Interviewerin ..

kurze Pause (bis drei Sekunden)

...

Pause mittlerer Länge (bis fünf Sekunden)

((12 sec))

längere Pause, mit Sekundenangabe

(bin ich)

schwer verständlich, vermuteter Wortlaut

( )

unverständlich

/

(Selbst-/Fremd-) Unterbrechung

,

kurzes Absetzen

ganz sicher

Betonung

ganz sicher

gedehnte Sprechweise

&

schneller Anschluss

~

Stimme in der Schwebe

.

Senken der Stimme

((belustigt))

Charakterisierung von Sprechweise, Tonfall, auch Lautstärke, die Angaben beziehen sich immer auf die nach der Klammer folgende, kursiv gedruckte Äußerung

((räuspert sich))

Nichtsprachliche Äußerungen, Gesten nachvollziehbar bzw. protokolliert.

und

Handlungen,

soweit

Redebeiträge, die sich überlappen, werden durch Partiturschreibweise gekennzeichnet.

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

[Gerät wird während der Anfangserläuterungen eingestellt.] E: Äh, äh, während se mal kurze Zeit arbeitslos war äh jeschrieben & I:

5

aha, aha

E: ich weeß gar nich mehr wer mir das erzählt hat, also mit ihr selber hab ich/sie hat wenig über ihr Leben erzählt. I: Aha E: Von daher haben wir, haben wir nich über dat Manuskript jesprochen. I: Ja. also es waren, es waren über 200 Personen, die teilgenommen haben/[…]

10

E:

Mm, is ja nu sehr

wenig, wenn man vergleicht, wie viele da/ I:

ja

E: denn über die Grenze, ja I: Ja, aber es/

15

E:

((Laut)) Ich weiß zufällig die Zahl.. allein von jüdischen Emigranten die im Jahr 1937, als ich dahin gekommen bin, äh aus Österreich und Deutschland, also die äh, äh,

I:

mm

E: waren’s 11000, I:

20

mm

E: Allein in diesem einen Jahr, und nur jüdische und nur Deutsche und Österreich sind da/ und da könnse ja ausrechnen, wat im Laufe der janzen Jahre, und nicht/auch die Nichtjüdischen mitjezählt und janz Europa mitjezählt, was det für Massen waren, ja. Ich I:

mm,

mm

E: hab keine Ahnung wie viel, aber Hunderttausende bestimmt.

25

I: Mm.. nein, das war natürlich nur n, n kleiner Teil, aber ich fand es schon erstaunlich, dass – doch, weil Sie ja gerade gesagt haben, die Leute hatten ja auch anderes zu tun, E:

ja

I: ähm, dass das doch, äh großen Anklang, und große Zustimmung gefunden hat, ähm, und dass es die Leute erreicht hat, also es ist halt in verschiedensten Zeitungen, und Zeitschriften

30

E:

ja

I: veröffentlicht worden, mit Flugblättern, äh.. E:

tatsächlich, aha (allerhand)

I: in vielen verschiedenen Ländern, also nicht nur in den USA/ (…) E:

35

wie – der Aufruf, dran teilzunehmen oder wie?

I: Genau. E: Ach so

1

Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

I: Und es war n Anreiz schon für die Leute auch, weil es n relativ hohes Preisgeld für die damalige Zeit gab. E: Ach so, ja das is natürlich nützlich, wie viel gab’s n dafür so? I: Es waren. insgesamt waren es tausend Dollar, die zur Verfügung gestellt wurden

5

E: Insgesamt tausend Dollar? Also (…) aufgesplittet (…) I:

Insgesamt, also aufgesplittet in/

E: (…) des is auch äh, äh, weil wir hatten ja alle sehr wenig Geld, nech. I: Ja, eben. E: Da war des n janz schöner Anreiz.

10

I: Das war n Anreiz. Aber nicht nur allein, denk ich. E: (...) Sind ja tausend Mark sozusagen, nich. Da gilt man ja als arm, wenn man - tausend irgendwie einnimmt, ne. I: Und das Interessante war halt/also, weil Sie ja gefragt haben, warum gerade die E: Ja

15

I: Ähm, das Interessante war halt schon, dass die eben 1940 – verfasst worden sind und äh.. im Gegensatz zu Autobiographien, die - jetzt oder vor vielen Jahren geschrieben sind/ die E:

Später, ja ja, die (…)

I: waren so nah am Geschehen und wussten noch nicht mal/ E:

20

Ja ja, des is immer besser, (als direkt).

I: wie s weitergegangen ist/(…) E:

Das sieht man ja, im Gedächtnis, da verklärt sich manches und so, mm.

I: Ja, und das is sehr äh.. ja eindrucksvoll an dem, an dem Material auch, an den, an den E:

ja

I: einzelnen Biographien. Und/

25

E:

Ja. An meiner Mutter is so n Talent verlorenjejangen. Also eigentlich –

hätte se noch allerhand anderes so jeschafft, aber.. die janzen Umstände waren dagegen. I: Hmh… E: Schon von, schon von Jeburt an, ne. De/ Ihre Eltern haben immer den. Albert, den Albert Weiss, ne I:

30

ja

E: Mein Onkel da. ihr Bruder I:

ja

E: war sozusagen, der wurde immer mehr jefördert und vergöttert I:

hmhm,

hmh

E: obwohl sie jenauso intelligent war, ne. Sie durfte nur die zehn Klassen. Schule oder ich

35

I:

mm

E: weeß nich jenau, wie det damals hieß, äh, absolvieren, nech, und er durfte studieren und so I: ja

2

Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

E: obwohl se auch genug Geld wahrscheinlich gehabt hätten, um ihr noch die zwei Jahre zu erlauben, aber det war auch so die Zeit damals, nech. Die Frauen waren noch nich so I:

Mm, ja da war das noch schwierig

5

E: Noch nicht so viel Gleichberechtigung, ne. I: Ja, ja. … I: Ja, also das is so/ E:

10

Wollten Se nu/stellen Se doch mal konkrete Fragen

I: ja, also, das is so der Rahmen, also wie gesagt, ich äh, hab dann ja.. ff-für mich interessant gefunden, wie es ((raschelt mit Papier)) ähm, wie es für die Kinder ausgesehen hat E: Läuft das Ding schon? I: das läuft schon, ja. Und äh, also eben einmal, auf der eine Seite ging es ja jetzt um die, um die Erwachsenen, wie die das verarbeitet haben, aber für die Kinder ist es ja noch mal, is es ja noch mal

15

anders. E: ja (im Grunde jenommen, ja) I: Und äh, das is, das is für mich von Interesse. Also, ich würde/ E:

Ach so. Sie haben sozusagen die

Aufgabe in dem Projekt, sich mehr um die Kinder zu kümmern, so ungefähr, ja?

20

I: äh.. ja, aber ich E: Die damaligen Kleenen ((beide leicht lachend)) I: Ja, die damaligen Kinder E: (Jetzt, von heute, nich) I: Also ich hab mir das gesucht, das ist einfach/ bei mir so die Frage entstanden, wie, wie war das für die

25

Kinder E:

Also, ich will Ihnen erst mal sagen, dass ich völlig untypisch bin

I: Hmh. E: erstens mal/ äh, also.. auch für diese Kinder völlig un/des, das wichtigste Untypische ist schon mal, dass ich zurückgekehrt bin.

30

I:

Hhm

E: Dass kaum ein Mensch, der, ich war da/ der in meinem Alter/ also ich war acht als ich Deutschland verließ, und, und elf als ich Europa verließ, I: ja E: und 21 als ich zurückkam.

35

I: ja.

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

E: Also, kaum ein Mensch, der sozusagen da aufjewachsen ist, so wie ich, ist zurückgekehrt, ja. Also. eigentlich habe ich überhaupt keenen jekannt, die haben alle - gesagt, du hast wohl ne Meise, da in äh in det kriegszerstörte Europa zurückzukehren und, und da vielleicht zu hungern, oder was, I: mm

5

E: ja? Ich habs eigentlich auch nur jemacht, weil ich in meinen Mann so verliebt war und der unbedingt zurück äh kehren wollte, ne, der war älter, ne, sonst wär ich sicher auch da/ mein I:

ah ja,

ah ja

E: Bruder is auch da jeblieben und alle die ich so.. kannte, ne. Also, das is schon mal janz untypisch bei mir.

10

E: Ich will bloß sagen, dass, wenn se von mir allerhand hören, dann müssen se nich denken, I:

ja

E: nich denken, dat is irgendwie so, so wat ty- typisch/& ((undeutlich)) is aus denen die dann 100%ige Amerikaner jeworden. würde ich sagen. Also, meinen Bruder hab ich leider dann lange Jahre nich sehen können ~ wegen der Mauer und so, vorher war er zu beschäftigt mit Kinderkriegen und und wat

15

weeß/ Arbeeten und allem möglichen. Und dann war die Mauer, und dann konnt ich n erst äh.. 19 – 81 wiedersehen/ das heißt, ((schnell)) doch er is ab und zu gekommen und hat besucht ,ja, aber ich konnt nich dahin, äh und äh, und dann äh, eins is mir zum Beispiel im Jedächtnis jeblieben von meinem Bruder, dass die Leute sich dann furchtbar wunderten, als ihn dann da besuchte, woher er plötzlich ne deutsche Schwester hat! Er wär doch Amerikaner! Also, es war nichts mehr an ihm zu merken, dass er -

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aus Deutschland kam. Auch keen Akzent, nüscht, nüscht, nüscht, ja. I: Mhm E: Und das ist typisch für Amerika. I: Mmm E: Äh, mit dem Akzent, das hängt vom Alter ab, wenn man so ungef/äh, hab ich beobachtet, so bis 14

25

ungefähr da einwandert, dann schafft man s ohne Akzent, und drüber behält man einen, ja. Außer Leute, die besonders sprachbegabt sind, die, die können manchmal n bissel älter sein und ohne Akzent dann noch sprechen, nich. I: Mmm, mmm. Ja. E: Und, und das is aus den meisten, es äh sind 100%ige Amerikaner jeworden.

30

I: Mmm. E: Äh, so dass, wie jesacht, also irgendwie .. dat.. n schiefes Bild äh wirft, wenn se mich so da aufführen, ja? I: ((schnell)) Naja, was heißt schief, also vielleicht/ich mein, das ist einfach interessant, vielleicht – erzählen Sie - einfach mal/also ich möchte Sie bitten

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E:

Ja, aus welcher Zeit soll ich erzählen/

I: einfach mal Ihre, Ihre Lebensgeschichte zu erzählen, wie so alles/ E:

von vorne an, von Anfang an, ja?

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

I: ja, wie so alles gekommen ist, also, ich hör erst mal zu und/ E:

Na ja, also. Also. äh, Vater war – Walter Pelzmann, ein ääh jüdischer

Jelehrter sozusagen, Philosophie, also Sprachen und so weiter I: Mmm

5

E: äh, äh, und äh, aus - jutem Hause, deswegen waren meine Großeltern sehr dafür und äh, äh, die haben dat so n bisschen arrangiert, dat war damals glaube ich noch so n bisschen üblich. Äh, aber, aber nur n bisschen. Nicht so wie in manchen Ländern, wo man dann gezwungen wurde oder I:

Mmm

E: so. Äh. Und äh, meine Großeltern mütterlicherseits, das war dieser Weiss, dieser

10

I:

Mmm

E: Kinderpsychologe, nech, äh und äh, mmh seine Frau war mmh Hausfrau, ((schnell)) hat ihm mit tausend Dingen geholfen auch, auch und da hat er auch über seine drei Kinder jeschrieben, auch psychologisch, hat se viel, bei jemacht, ja, aufgeschrieben, beobachtet I:

15

Ja

ja

E: und was weiß/also äh, sie war zwar Hausfrau, aber sie hat doch ganz schön Köpfchen jehabt, bloß sie hatte eben nie die Chance so wat zu lernen. I:

Ja. Ja.

E: Wie det damals so war, bei den Frauen. Äh, und meine Großeltern väterlicherseits hab ich nicht kennenjelernt, äh, äh, die äh, der Vater meines Vaters war in Berlin so n Textil äh Kaufmann.

20

I: Mmm E: Und äh/Schottlä/Leo Pelzmann. und äh, der hat sich, warte mal, war det sein Vater oder seine Mutter, die da - sich s Leben jenommen hat? Ich glaube es war der, na das weiß ich jetzt nicht, wer da/(wenigstens sind) die ziemlich früh umjekommen, Inflation ~ äh, ich glaub seine Mutter hat sich das Leben jenommen, ((ironisch#)) weil se dann plötzlich arm war, ja (I: mmh). Konnt se jar nich

25

vertragen, also vorher/weil se dat denn nich so jewohnt war ne. Also so dass ich die nie kennejelernt hab (I: mmh), die sind ne janze Weile vor meiner Geburt gestorben äh, und äh, äh.. mein Vater war damals, wie man so sagte, also, als er meine Mutter heiratete, Privatgelehrter (I: mhm). Also er hatte schon fertig studiert und wollte dann noch Doktor und so wat, I:

30

Mmh

E: nech, und äh, hatte denn glaube ich nicht ne richtige Anstellung, weiß nicht genau, ob noch n bisschen Vermögen von zu Hause war/wovon die da jelebt haben, weiß ich nicht jenau ~ äh und meine Mutter, äh die is/durfte also nur zehn Jahre gehen, wie jesagt, obwohl se intelligenter war, bestimmt mehr jeschafft hätte, äh.. und äh dann hat se so Sozial - fürsorge und so ne Sachen/ich weeß nicht, wie man das jenau/ich glaube sie hat so ne, so ne Fachschule oder irgend so ne Schule

35

I:

Ja

5

Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

E: dafür absolviert, ja? Und hat dann so mm ar/mm jüdische Arbeitsvermittlung und so ne Art, Stellen jearbeitet/aber nur/und denn/mein Vater wollte dann unbedingt/der war ziemlich altmodisch in seiner/dass se zu Hause bleibt, ja, und das war auch mit ein Grund für ihre Scheidung dann, I:

5

Mmm

E: weil sie dat alles nicht/nicht so wollte und sich dann nicht mehr ganz so - unterkriegen ließ dann wie von ihren Eltern (weil) sie inzwischen auch so n bisschen politisch tätig war, det wollt er auch nicht I: Mmm E: Er wollte, dass se so jedes Jahr n Kind kriegt und und so und ((schnell)) das hat ihr alles nicht behagt, so dass se schon geschieden wurden, als ich anderthalb war, ja?

10

I: Mmm E: und äh, da is se wieder nach Hamburg, also in der Zeit hat se in Berlin jelebt, wo mein I:

Mm

E: Vater ja lebte, äh und äh und dann is se wieder nach Hamburg, wo mein Vater ne Professur hatte, ((schnell)) mein Großvater, ähm, is se dahin, mit zwei kleinen Kindern, ja, also ich

15

I:

Mmm

E: war anderthalb, mein Bruder war vielleicht zweieinhalb oder drei oder so, äh und äh.. da war dann ne gewisse Stütze so, konnt mal die Oma aufpassen und so ne Sachen, ne. I:

Ja

E: Äh und hat se dann auch wieder so jearbeitet so in .. solchen Sachen so, irjendwie so jüdische

20

Arbeitsvermittlung oder so wat ähnliches. Äh und äh, und hat dann, ist dann allmählich zur Kommunistin jeworden I:

Mmm

E: Äh und äh hat sich immer mehr und mehr betätigt und dann kamen die Nazis an die Macht, äh/ich weiß nicht mehr ganz jenau, wann meine Großeltern nach Amerika, ob dat nun 33 oder 34 war,((schnell))

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ziemlich früh sind se emigriert, äh, mein Großvater war da auf so ner Vortragsreihe so, und dann kamen die Nazis an die Macht und hat dann ziemlich schnell erkannt, dass das wohl günstiger wär da zu bleiben –((schnell)) dann noch mal I:

Ja

E: zurückjekommen, irjendwie bisschen jepackt und dies und jenes, also, ziemlich früh warn se da, ganz

30

jenau das Jahr weiß ich nicht, ich weiß nur, dass se schon n paar Jahre da waren, I:

Ja

E: als wir ankamen.. Äh und dann war da noch ne Tante, die Tante Marie, also, die Schwester meiner Mutter, Marie Behrmann & waren drei Kinder von den Weissens, ja? I: Ja

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E: Äh, äh und ((leiser)) wat hat die für ne Schulbildung, ich glaub auch so zehn Jahre, und die ist Zionistin geworden. I: Mmm

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

E: Wissen Se doch was is, wa? I: Ja E: Ja? Äh, weil ich staune manchmal wat Leute nicht wissen so ja, wat früher so war, haben/äh und äh/aber Sie machens ja von Beruf, Sie müssen ja mehr wissen als der Durchschnitt so

5

I: ((leicht lachend)) ja E: Äh, .. und die war sehr sehr aktiv äh im Retten von jüdischen Kindern und Jugendlichen aus Deutschland, ja? I: Mmm, mmm E: Im Rahmen des Zionismus also nach Israel und so ja?

10

I: Ja E: Und äh, meine Mutter war dann sehr gefährdet, erstens Frau, Jüdin, Kommunistin, alleinstehend mit zwei Kindern, (nachher) dann weg und so, äh und äh da hat se dann beschlossen, mit Hilfe ihrer Schwester, also die war gut zum Organisieren und so, uns äh .. rauszubringen, meinen Bruder und mich. Äh, im April 1934 da hat se uns dann nach Holland jeschafft, äh in ein wundervolles Quäkerheim, ja?

15

I: Mmm

mmm

E: Die auch so Emigrantenkinder aufnahmen ~.. äh und äh sie blieb in Deutschland, um weiter ihre illegale Arbeit zu machen, äh und äh, ich kann mich auch nur entsinnen an dat nur die Tante Marie uns besuchen kam. Also ihr glaube ich/ meine Mutter, entweder hat se nich genug Geld gehabt oder Beruf oder oder s war nicht erlaubt, also wenigstens konnt se nicht immer so hin und herpendeln zwischen den

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Ländern, ne. Nur schreiben und so. Und da waren wir dann drei Jahre, mein Bruder und ich, in dieser Schule, das war sehr äh schön, ich meine äh.. ich kann mich nicht erinnern, dass ich da, höchstens hab ich n bisschen gelitten, dass ich meine, ma/meine Mutter nicht hatte, nicht. Aber die waren alle sehr nett, die Erzieherinnen und man konnte viel lernen, und und viele Aktivitäten, kann mich so erinnern, an so Ton äh Tonwerkstatt, und. dann haben wir Fußball gespielt, dann haben wir Radtouren durch Holland jemacht,

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äh, so die haben dann so ne Arbeitsgruppe von den Kindern jehabt, äh die /also Räder, aus drei mach zwei und so, weil se auch wohl alle nicht so viel Geld hatten, viele wurden da so von den Quäkern noch wat zuje-schustert, alle möglichen Organisationen, ich glaube nicht, dat meine Mutter da Geld hatte, dafür zu bezahlen. I: Mmh

30

E: also es kam, das Geld kam so von irgendwelchen Hilfsorganisationen, nicht. I: Mmh E: Äh also ich war/kann mich nicht erinnern, dass ich so richtig unglücklich gewesen wäre, ja? I: Mmh. E: Obwohl’s natürlich nicht so schön ist ohne, ohne Mutter und bloß ab und zu kommt mal ne Tante, und

35

so, nicht? I: Ja, mmh, ja.

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

E: Äh.. und. Sie durfte dann nur ganz selten nen Brief schreiben/äh ach so, sie wurde dann 35 äh ..verhaftet I: Ja, ja. E: Also äh.. hat se also gut vorausjesehen ne, dat wir gefährdet/dann wären wir ja besonders jefährdet

5

jewesen, plötzlich ganz alleine hier, ne. I: Mmh E: Äh, und äh ..äh und äh, sie hat noch das Glück gehabt, dass se so n normales Gefängnisu/äh normal in Anführungsstrichen/Gefängnisurteil gekriegt hat. Am Anfang der Nazizeit haben noch n bisschen diese ganzen preußischen Beamten und so in so in äh so bei den Urteilen und so äh bisschen zu sagen gehabt, ja?

10

Und sie konnte dann och noch/ich hab mal in ihren Unterlagen gesehen .. äh - so über ihren Prozeß und so, äh, sie konnte denen weißmachen, dass se nur mitjemacht hat, weil se in den Leiter der illegalen Gruppe verliebt war. I: ((lacht kurz)) E. und da haben se sozusagen ihr nur zwei Jahre gegeben, ja?

15

I: Ja. E: Äh, und dann war se also zwei Jahre im Gefängnis in in Fuhlsbüttel - bei Hamburg oder w/ich weiß nicht, ob bei oder in Hamburg, äh, und darüber sind ihre Erinnerungen, ja, über I:

Ja, ja.

E: diese zwei Jahre. Äh, und dat war für sie natürlich sehr schwer. Eins der schwersten Sachen war, dat se

20

ne Kettenraucherin war und se nischt zu rauchen kriegte. I: ((lacht kurz)). E: Aber dann natürlich von den Kindern jetrennt und all diese Dinge. waren für sie sehr schwer, nicht. I: Ja, mmh. E: Äh, und dann wur/37 hat ses auch wieder mit Hilfe .. ihrer Schwester/ hat se es nach Holland jeschafft,

25

da haben die Nazis gesagt, also d/äh sozusagen, die Strafe ist abjesessen, aber, wenn se nicht innerhalb von drei Tagen Deutschland verlässt, dann kommt se äh .. irjendwie in n Konzentrationslager, irgend so wat. Schärferes noch ja? Und dat hätte se I:

Ja, mmh

E: natürlich als Gefangene nicht geschafft, in drei Tagen alle Papiere zu/ und dat hat eben die Schwester

30

schon vorher äh so irjendwie allet organisiert, so dass se das dann jeschafft hat I:

Mmh,

mhm

E: innerhalb von drei Tagen nach Holland, und da hat se w/ich weiß nicht mehr, ob dat ihre Bekannten waren, irgendwie war se da so einige Wochen bei/in so ner Familie, ich weiß jetzt nicht, ob s ihre Bekannten, oder ob das, ob das auch von irgend nem Komitee organisiert war, ich war ja damals n Kind

35

so. Weeß man so ne Sachen nicht so, nicht. I:

Ja,

ja

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

E: Äh, um sich n bisschen zu erholen, erholen vom Gefängnis, nicht, äh und dann äh, fing se eben an, dat so n bisschen zu organisieren, äh nach Amerika. Da konnte dann nicht nur die Schwester, sondern auch die Grosseltern n bisschen helfen, nicht, und dann hatte se wohl auch irgend n sehr guten Bekannten aus Hamburg, der da inzwischen Bürger war~ man musste ja äh Bürgschaften vorweisen, nicht?

5

I: Ja (…) E: Und auf diese Weise, mit Hilfe von all diesen Stellen und Leuten hat se/und auch Komitees und so/hat se es geschafft, dass se 37, also dann irgendwie so einige Monate, nachdem se da entlassen wurde, nach Amerika emigriert sind. Meine Mutter, mein Bruder und ich. I: Mmh

10

E: und ich weiß noch, dass der Albert schon da war, und dass die Grosseltern schon da/der Albert war in New York, der hat uns auch empfangen am Pier äh, und die Großeltern waren äh in in North Carolina, äh an der Duke University, äh, die sind dann nicht zum Empfang gekommen, war nicht nötig. Äh, und war janz schön weit weg. Äh, so. Ja, und dann .. waren auch wieder lauter Komitees, die sich um die Emigranten kümmerten~ meine Mutter hatte ja gar nischt, ja, so äh mit, so, nicht? Äh, und äh, ..da

15

konnten nun/war nun die Marie nicht mehr/ I:

Mmh

E: die war in Europa, die war bis 1938/hat se diese Tätigkeit aus- ausjeübt, äh se dann nach I:

Ach ja, ja

E: Israel aus/äh ausjewandert is. E: Ich weiß nicht, warum gerade 38, ob da die Gefahr des Krieges schon

20

so groß war, dass se deswegen.. äh nach Israel jegangen is, oder ob se nicht I:

Ja.

Ja

E: mehr helfen konnte, weil. zu viele Bestimmungen dagegen waren, ich wa/ke/ich weiß nicht diesen genauen Grund. Äh, und dann äh, ging s also drum äh, wie nun weiterleben, nicht. Und da haben also wie gesagt diese ganzen Hilfsorganisationen furchtbar viel geholfen. Und äh wir kamen/mein Bruder und ich

25

kamen in so ein Landschulheim. I: Mmh E. Äh, in der Nähe von New York, Paul in New York, ein kleiner Stadt/äh, So Ort sagen wir, mehr~ war auch wieder so n Heim, ja? I: mmh

30

E: Und war auch/hat mir auch wieder sehr gut jefallen. Äh.. nette .. Erzieher und .. lauter interessante Tätigkeiten, Pferde reiten und .. Tomaten pflücken und Tankstelle bedienen lernen und lauter so ne, so/natürlich normaler Unterricht. I: Mmh E: äh, und äh,.. da kamen wir natürlich in verschiedene Gruppen, mein Bruder und ich, erstens wegen det

35

kleinen Altersunterschied und und so. Äh, da haben wir natürlich ganz schnell Englisch jelernt, weil wir ja nur Englischsprechende um uns hatten, nicht? Die haben zwar/ äh in, in Holland da hatten se sehr viele Emigrantenkinder, äh, aber in diesem .. Heim, da waren - nicht so viele. Also ich kann mich nicht

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

entsinnen, vielleicht n paar. Aber, äh, wenigstens so in meiner Gruppe, die haben da alle Englisch jesprochen, und ich war elf und da habe ich natürlich .. gleich ooch losgequatscht& als Kind lernt man so was ja sehr leicht, nicht. Und äh, meine Mutter, die hat dann irgendwie ne Ein-Raum-Wohnung gekriegt~, die Einzelheiten weiß ich nicht~, wahrscheinlich mit Hilfe von solchen Komitees~. Und die hat hat dann/

5

als was hat se dann jearbeitet/ na, zum Beispiel hat se auch mal beim Aufbau mitjearbeitet, haben se von dem mal jehört? I: Ja. E: Ja? I: Ja.

10

E: Also so.. ich weeß nicht, Sekretärin, irgend so was, ja? I: Aha, mmh. E: Und dann hat se auch bei solchen.. Hilfsorganisationen so, weil se so wat ja so gelernt hat, so mit Kleidung an arme Emigranten verteilen, solche Sachen gemacht.. I. Mmh.

15

E: Äh, also irjend wie immer.. hatte immer irjend was auch mit Deutsch – Sprechen und und und.. und Jüdisch und Helfen und all solchen Dingen zu tun. I: Mmh E: Aber jede Arbeitsstelle weiß ich nu auch nicht so aus m Kopf, weil ich ja gar nicht dabei war& ((schnell)) und sie hat auch ziemlich wenig erzählt über ihr s Leben. Wenn ich nun überall in den

20

Papieren nachjeguckt hätte, hätt ich Ihnen das jenauer erzählen können. Aber erstens habe ich so viel dringende Dinge zu tun ehe ich sterbe und zweitens haben Sie gesagt, ich muß nicht überall gucken~ äh, also.. hab ich s nicht jemacht jetzt, ja? I: Mmh. E: Wenn Se zehn Jahre früher jekommen wären, wär vielleicht n bisschen mehr rausgekommen.

25

I: ((Lacht kurz)). E: Äh, aber so im Großen und Ganzen weiß ich Bescheid. Also so ne Art Stellen& hat ganz, ganz wenig verdient. I: mmh. E: Äh, und diese Schule, die ging nur bis vierzehn Jahre. So dass mein Bruder, der äh war so anderthalb

30

Jahr älter als ich, und der äh, war dann nur ein Jahr da, und ich war so ungefähr zwei Jahre, so zwei, zweieinhalb Jahre da. Also bis man so vierzehn, bis man die achte Klasse abjeschlossen hatte, ja? I: Ah ja. E: So war die eben einjerichtet, nicht? Und dann kamen wir nach New York, und dann hatten wir da ne Zwei-Zimmer-Wohnung~ äh, ich weiß nicht mehr genau, ob, ob so die Zwei/Zwei-Zimmer-Wohnung

35

schon war, als, als mein Bruder äh.. hinkam, oder ob die erst war, als ich hinkam.. Also als ich ankam, da hatte meine Mutter ne Zwei-Zimmer-Wohnung und ich musste in der Küche schlafen. Weil sie n Zimmer und mein Bruder n Zimmer, aber es hat mich ooch nicht jestört. W(…) konnte ich mir ja och n Radio

10

Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

hinstellen und n Bett und so ~& hat mich nicht jestört. Äh und äh.. und dann bin ich da zur Highschool jegangen. I: Hmhm E: äh.. mein Bruder auch~. Mein Bruder is auf so ne.. so ne Schule, wo man auch äh .. Drucker lernte, so

5

gleichzeitig neben dem Unterricht. I: Ja E: Äh, das heißt, lernte ist nicht der richtige Ausdruck, in Amerika haben se nicht dieses System, dies Lehrlingssystem, ja? I: Mmh

10

E: Da mm lernt man die Berufe so wie man einfach anfängt zu lernen, nicht. Aber eben manche Schulen, wo man schon so gewisse Voraussetzungen hat. Äh, so dass ich eigentlich in der Schule mehr/er hat dann natürlich auch Englisch und Mathe n bisschen jelernt und so. Aber n bisschen wenijer als ich, weil se eben so mit dem .. Druckenlernen beschäftigt waren, nicht? I: Mmh.

15

E: Während ich mich mehr so interessierte, ich wollte weiterkommen, College und so, ich hatte mehr so son Schul/son Kurs da jewählt, wo man eben auch Naturwissenschaften und so was alles lernte. Äh Und äh ((schluckt)), das war ne reine Mädchenschule, ich hab keene Ahnung warum, ww/oder ich weeß ooch nicht mehr, also vielleicht. so ganz nah war s doch nicht, wie das ausjewählt wurde, kann ich mich nicht entsinnen. Ob meine Mutter dat oder ich, oder aus welchem Grund, denn eigentlich – so - begeistert war

20

ich nicht davon, dat da nur Mädchen waren, aber es war eben so. I: Mmhm E: Äh, und äh dann, die war für vier Jahre anjelegt und und.. ich war gut, sehr gut in der Schule, ich war nach dreieinhalb Jahren – fertig, so. Äh, und mit, mit allem. Aber sie hatte auch so gewisse Nachteile gegenüber der deutschen Schule, ähm, also, man hat nicht ganz so viel gelernt, wie hier sagen wir bis zum

25

Abitur, obwohl man da auch normalerweise bis achtzehn ging, ich war siebzehn als ich abging, äh aber zum Beispiel Geographie hatten wir überhaupt nicht. I: Hmhm E: Äh, oder, oder Naturwissenschaften, da wurden die Mädchen jefragt, wat se wollten, Chemie oder Physik und die meisten, haben so überlegt, ach, mit Physik is so viel Mathe, wählen wir lieber Chemie,

30

und da haben so wenje Physik jewählt, da haben set janz abjeschafft, det Fach. I: Ach! E: ((hustet)) So dass ick gar nicht mehr wählen konnte, ich hatte dann Biologie und Chemie als Naturwissenschaften, ne. Äh, so gewisse/und Grammatik hat man auch wenig jelernt, ja also, war doch nicht so viel wert jewesen wie so n Abitur hier, nicht. Aber sonst hat s mir Spass jemacht, .. äh, .. dann

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bin ich also jahrelang eben jeden Tag dahinjegangen, war ne ganz schöne Ecke von unserer Wohnung, so, warte mal, dat war so 15. Strasse, kennen Se Manhattan? Nee, ne? I: Nee

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

E: Waren Se noch nie da? I: Na, ich bin nur einmal/ E:

Die meisten Leute, die man hier spricht, aus West-Berlin oder so die waren/oder

Westdeutsche, die waren schon da.

5

I: Nee. Ich bin nur einmal in in Amerika gewesen, und nur sehr kurz für einen Tag so als Touristin in E:

(Ah, da kann man ja die

Strassen also) I: New York, also da ((lachend)) hab ich was aufzuholen. E: Also, Manhattan is so, äh is so angelegt, is so richtig, nicht so wie die alten deutschen Städte, so

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gewachsen, sondern so die janzen Längsstra/äh, Avenues und die Querstraßen, haben se vielleicht I:

Ja,

ja, ja

E: schon mal jehört, nicht? I: Ja, das kann man gut sehen auf den Plänen, mmh. E: Ja, ja, also is ganz leicht, sich zurechtzufinden, weil die alle Nummern haben, wenigstens die Straßen,

15

die n die Avenues haben Namen oft. Äh - also wir wohnten zu der Zeit in der 32nd Street, Zweiunddreißigste, die Schule war fünfzehnte, eigentlich ne janz schöne Ecke zu laufen, allerdings hat I:

Aha

E: meine Mutter so wenig verdient, dass ich doch meistens gelaufen bin. Und äh, sie hat mir zwar wohl äh zehn Cent für jeden Tach jegeben, das hätte wohl/ich weeß nicht mehr jenau,/ja es hätte wohl für Hin

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und Zurück jeden Tag gereicht, aber ich wollte mir lieber dann irgend wat kaufen dafür, nicht, also ich hätte notfalls fahren können, äh, hab mir dann lieber mal äh Tomaten oder irgendwas jekauft, ne. Äh, ja, also da hab ich, da war ich sehr gut auf der äh Schule & später war ich nicht mehr/ hier war ich nicht mehr ganz so gut, wahrscheinlich dieser Wechsel hat mir doch nicht so.. gut bekommen/ist mir nicht so gut bekommen. Äh .. äh und dann, äh, als ich fertig war, da äh, das war mitten im Krieg schon,

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neunzehnhundertdrei/Anfang 1943, äh im Januar 1943 hab ich die Highschool beendet, da war ich siebzehn, etwas über siebzehn, und da waren, wurden schon ne ganze Menge junge Männer einjezogen, und dadurch war es n bisschen leichter für mich ne Stelle zu finden, ja? I:

Hmh,

mmh

E;. Diese schlimme Arbeitslosigkeit der dreißiger Jahre, die war vorbei, äh, und da hab ich mir dann erst

30

auf Long Island äh/aber dat war janz äh/ große Fahrt immer jeden Tag, da musste ich immer Tiere füttern und so was in so nem Forschungslabor. Und dann hab ich ne jute Stelle gefunden, na ja, gut.. bezahlt war se nicht jut, aber war interessant, am Rockefeller Institut für medizinische Forschung. I: Ah ja. E. Das war in Manhattan und da kann ich jut hin und da war n sehr - interessanter Chef, der aus

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Frankreich einjewandert war, der hat über - Tuberkulose und Antibiotika und so ne Dinge geforscht. Und ich durfte dann so Laborantenarbeit machen, ja? I: Mmh

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

E: Also so, nehmen wer an, wenn er irgend ne Versuchsreihe hatte, dann musste ich dazu in die Gläser einpipettieren oder auch, mal die Tiere vor vor/aus äh, von, aus dem Keller holen, denen irgend wat I: Mmmh E: jespritzt wurde. Also, so,so, nicht so ganz unjelernt, aber, ich hab im Laufe der Zeit jelernt & vor allen

5

Dingen war nett, ((sehr lebhaft)), dass ich immer an allen Besprechungen teilnehme/das war ganz anders als hier, ja? Hier.. erst vom Doktor an aufwärts und so weiter, nicht? I: Mmh,

mmh, ja.

E: also ich durfte an all diesen Forschungs/einmal die Woche oder so, kamen dann alle Forscher zusammen und ich durfte als kleenet.. Lehrmädchen, wenn man mal so sagen würde, obwohl s keinen

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I: Mmh E: Lehrvertrag gab, äh, dran teilnehmen, durfte sogar - mal Vorschläge machen, ja, warum machen wir det nicht so? I: Ah ja. E: Also, dat hat mir natürlich Spass gemacht, das ist auch finde ich gut, denn dann wird man doch

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angesp*rnt, weiterzumachen, nicht? I: Ja, mhm, genau. E: Äh, ja und da hab ich eigentlich gearbeitet, bis wir dann nach Hause fuhren, also nach Deutschland, zu Hause war s ja nicht für mich. Also, von ungefähr.. 1943 bis Ende 46, so ungefähr dreieinhalb Jahre. I: mmh

20

E: Äh.. und - der hat mir auch noch ein schönes Empfehlungsschreiben jesch/äh, jeschrieben der Chef, to whom it may concern, stand also/wen es/ich wußt ja noch nicht, wo ich lande oder so, ja? Er konnte ja nicht schreiben, an Firma Soundso, hier, äh. I: Jaja, mmh E: Und dann hat er geschrieben, ((getragen)) dass ich fleißig war, und mir Mühe jejeben hab und dat und

25

dat jut jemacht hab und so weiter. Äh, und äh, die haben nur alle den Kopf jeschüttelt, wie konnte man nur so verrückt sein, nach Europa zurückzukehren? Alle, auch meine - Freunde& Naja, das war so das Schulische und Berufliche, politisch wars so in New York mit mir, dass ich da in d/wahrscheinlich so n bisschen auf Hinweis meiner Mutter oder so am Anfang, in die Naturfreunde-Jugend eingetreten bin. Natur Friends of America. Das war so, so äh, das gabs ja hier in Deutschland auch, die Naturfreunde. in

30

den 20er Jahren, ich weiß nicht, wie lange die überlebt haben. Oder gibt’s das vielleicht heut noch? Haben Sie schon mal davon gehört? Nee? I:

Die Naturfreunde.. ja, eigentlich schon, aber ich

bin überfragt, ob s die heute noch gibt. Ich glaube schon. E:

35

Naja, also das war ne fortschrittliche Organisation, die eigentlich

nicht ganz so viel mehr mit Natur, also da (…) mit Natur als mehr mit politischen Dingen zu tun hatte. Und da habe ich dann zum Beispiel bei Wahlen mitagitiert und äh ..und dann bisschen später hab ich

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

dann auch an diesem German American mitjearbeitet, als ich schon bisschen älter war, so fuffzehn, sechzehn oder so. German American, haben Se davon mal jehört? I: Äh.. nein? E: Nicht. Aha. Äh, jehört aber eigentlich zur Emigrationsbildung. German American Äh, das war..

5

I:

Aha

E: eine.. äh, Zeitung, die von den deutschen antifaschistischen Emigranten in New York rausgegeben wurde. Äh, so ungefähr ab .. 41 glaube ich.. vielleicht auch erst 42, ganz jenau weiß ich nicht mehr, ich habs jetzt in äh Exilarchiv jegeben. I: Aha

10

E: Ich hatte s vollständig hier, ja? I: Aha E: Alle, die da zurückjekommen sind, haben ein vollständiges Exemplar mitjenommen, so, für alle I:

aha

E: Fälle, wer weiß wat/wer was braucht. Und da lag das die janze Z/die janzen Jahrzehnte bei uns, und

15

I:

Ja

E: da dacht ich, na, äh det unter die Räder kommt, wenn ich mal sterbe, da - gebe ich det lieber/und hab ne ganze Menge Sachen schon hingegeben und folgen noch einige~ Äh, so dass ich jetzt nicht I:

mhm

E: mehr so gut nachgucken kann, ((schnell)) es war so 41 oder 42 und bis wann die nun so überlebt haben,

20

((schnell)) die letzten Exemplare die ich hatte, waren 1947, obwohl wir hier schon zurück waren, also, ob die noch lange überlebt haben, weiß ich nicht, weil ja - das dann so war, dass dann immer weniger Leute Deutsch sprachen, nicht, das ist das Schicksal von diesen ganzen Emigrationszeitungen und so, dass die dann auch irgendwann keene Leser mehr haben, erst haben se nur n I: mmh

25

E: bisschen auf Englisch, und am Ende (isse dann) ganz auf Englisch und dann hat jar keener mehr Interesse. Ähm. Und vor allen Dingen, die wichtigsten Mitarbeiter waren zurückjekehrt, das waren ja alles Leute, die – schon erwachsen waren, als se hinkamen, nicht? I: Mmh E: äh - und waren auch sehr wenige. Äh, also daran haben mitjearbeitet – auch sehr viel so berühmte

30

Leute, so, so diese janzen berühmten Exilschriftsteller und so. I:

Mmh,

mmh

E: Äh und dann vor allen Dingen, so die kleinen Emigranten, die da in New York gelandet waren, aber nur so, die wirklich sehr fortschrittlich waren, also, nicht so, zum Beispiel gabs in Manhattan/ähm, mmh wir habens immer jenannt, das vierte Reich, wie hieß de/Yorkville, so um die 86. Strasse rum, da

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wohnten janz viele Deutsche, die so in der 20er und und schon vor der Nazizeit hinemigriert waren, ja? Und die waren janz stramme Nazis. I: ((schnaubt/lacht kurz auf))

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

E: Obwohl se natürlich ooch - die Vorteile von Amerika jenossen, nicht? Aber, die hörten immer, ooh, keine Arbeitslosigkeit mehr und und (waren dann) natürlich ganz begeistert. Die haben natürlich da nicht mitjemacht. I: Hmm

5

E: Äh.. aber es waren nicht nur, nicht nur Juden, also äh, äh es waren .. so alle die gegen Hitler waren, so unjefähr, nicht? I: Mmh, mmh E: Also zum Beispiel, mein Mann hat da auch viel mitjearbeitet, der ist nicht jüdisch gewesen, und der Josef Berkiewitsch, mein Stiefvater, haben Se von dem mal jehört?

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I: Mhm E: Äh, der hat da, äh mmh, nicht ganz so viel mitjearbeitet. Mein Mann hat da so.. sich so zum Historiker entwickelt sagen wir mal, dadurch, dass er da immer so Geschichtsartikel geschrieben hat, und worauf er sich vorher noch nicht so spezialisiert hatte. Äh, ja und ich hab dann da - erstens Reportagen geschrieben, so kleine Dinge aus m Alltag ja, von der Arbeit oder äh irjendwie äh, was ich in der Bibliothek erlebte

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oder - irjend solche kleinen, na hier würde man sagen .. Lokal/ äh, wie heißt das hier noch? I: Lokalbeiträge? E: Ja, ja, so ja, so unjefähr/insjesamt so etwa zehn, zwölf so ne Beiträge, aber auf Englisch, I:

Ja,

hmh

E: Deutsch konnte ich nicht mehr schreiben. Äh. Und äh, das war auf der Jugendseite, sie hatten eine

20

Seite für die Jugend, und die konnten ja auch zum Großteil nicht mehr so jut Deutsch, also war schon richtig, dass se dat auf Englisch jemacht hatten. Und dann habe ich technische Mitarbeit jemacht, also so, äh, wir hatten dann so ne Vervielfältigungsmaschine, äh, gab ja noch nicht so, ich glaub, Kopierjeräte, gabs da noch nicht. I: Mhm

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E: Also mussten wir immer so drehen, bin ich immer so nach Feierabend hinjegangen und da wurde irjend wat vervielfältigt, aber janz jenau, was es war, weiß ich nicht mehr, denn der German American wurde ja richtig jedruckt. Aber irjendwelche Veranstaltungen oder oder irjend so was, ja? I: Mmh,mmh E: Äh, und dann hab ich manchmal so Sachen in Umschläge jesteckt, so so.. technische Hilfen da, nach

30

der Arbeit, ne. I: Mmh E. Äh, und da hab ich auch meinen Mann kennenjelernt. I: Mhm E: Der war inzwischen da äh, so so.. Redakteur bei der/beim German American äh, zusammen mit dem

35

Max Schröder, haben Se von dem mal jehört? I: Nein~

15

Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

E: Äh..das is einer, er is so n bisschen früh jestorben, weil er so n furchtbarer Kettenraucher war, der is auch zurückgekommen, so, ja wie soll man ihn beschreiben, der hat auch so im Verlagswesen allerhand.. hier äh äh in der DDR jemacht,.. Äh, na ja, wenigstens die beiden haben da so, zumindestens so die technischen Arbeiten, aber auch & mein Mann hat auch die historischen Artikel geliefert~ Ich weiß nicht,

5

ob der Max Schröder auch geschrieben hat/die äh, äh, so, der Haupt - mensch da hinter dem (…) German war der Gerhart Eisler, kenn/haben Se von dem mal jehört? I: Ja. Ja. E: Ja? Obwohl der natürlich nicht offiziell in Erscheinung jetreten/offiziell wurden da so n paar äh amerikanische/Amerikaner, Deutsch-Amerikaner nannten wir se immer so a/, Amerikaner äh deutscher

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Herkunft, ja? I: Mmh E: Äh, also mich ärgert immer, das se den Schwarzenegger immer noch Österreicher nennen, der is 35 Jahre da. Kein Mensch würde in Amerika auf den Gedanken kommen, den Österreicher zu nennen. I: ((amüsiert)) Hm!

15

E: Höchstens Österreich-Amerikaner würden se ihn nennen, ja? Äh .. is ja auch schon 25 Jahre amerikanischer Staatsbürger und so. I: Mmh. E: Äh ((schluckt)), na ja. Und dann gab s da so ne ganze Gruppe, von äh, von Redakteuren, die dann immer beschlossen, wat in die nächste Ausgabe soll, und so weiter. Die haben dann immer in unserer

20

Wohnung getagt. Aber das war schon n bisschen später, als meine Mutter den Josef Berkiewitsch kennenjelernt hatte. I: Ah ja. E: Äh, der kam erst 1941 hin, auch mein Mann kam auch erst 1941 hin, aus Frankreich. Aus m Konzentrationslager in Frankreich, nech. Wurden die gerettet, und äh, die haben/dann hatten wir

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inzwischen – Drei-Zimmer-Wohnung/oder warte mal, ja, könnt man so/na ja, drei/ich weeß nicht, ob man das eine als Zimmer/äh.. da war ein großes Zimmer, haben meine Mutter und Sepp drin jewohnt, und dann waren zwei so ne janz kleenen Zimmerchen, na, eins mein Bruder, eins ich, Durchgangszimmer, und dann war da so ähnlich wie hier, ja? Ob man det nu Zimmer nennen würde, so, wo die janzen Zimmer so mündeten, ja, also/

30

I:

n Vorflur

E: Ja, ja, aber, aber da haben wir.. wenn, wenn wirklich mal Besuch kam oder so, also es war - doch zu nutzen wie n Zimmer, so ähnlich wie hier, stand n Tisch und so, nicht? I: Ja. E: Äh, also, und dann haben se also immer äh regelmäßig, ich weiß nicht mehr jenau, wie oft, vielleicht

35

einmal im Monat, oder zweimal im Monat, dann in dem großen Zimmer bei meiner Mutter waren diese Redaktionskonferenzen. I: Hmhm

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

E: Denn so die ganzen Räume, die waren sehr klein, und wahrscheinlich wollten se auch n bisschen geheim halten, dass da der Gerhart Eisler, der war ja bekannt als Kommunist und so, äh mitarbeitete, und der war, hat eigentlich so das Sagen gehabt n bisschen, meine Mutter war da mit, die hat ja auch viel am German American mitjemacht, die hat auf der Frauenseite viel jeschrieben, äh und äh ..ja, dat konnt ich

5

dann immer nur so, ja, da war ich nicht dabei, da war ich ja n junges Mädchen, n, sozusagen, ich zählte nicht, äh, und äh, ich hab dann nebenan meine Schularbeiten jemacht. Ähm, ja wart mal, was is noch politisch zu berichten? Äh.. also, in irgend ner Partei war ich nicht, war ich auch noch n bisschen jung für.. äh und/ aber ich hab so alles mitjemacht, äh, Wahl, äh Wahlarbeit, und all solche Sachen. I: Mmh.

10

E: Äh, ja, was gibt’s noch? Beruflich?.. Äh, ((murmelt)) (…) äh, ja. ((Lauter)) Übrigens, äh, mein Stiefvater hat über äh, über Frankreich geschrieben, n Buch, in Frankreich, und - eins in Amerika. Wo er das so n bisschen beschreibt, aus seiner Sicht und so, nicht? Was er da so erlebt hat. .. Äh, ja warte mal, jetzt, meine Mutter, wie das so mit ihr weiterging, also die verschiedenen Arbeiten und/äh, sie hat auch mal äh unter dem Stefan Heym gearbeitet. Äh, das war glaube ich am Aufbau. Da war er schon Redakteur,

15

obwohl er viel jünger war als sie, äh, ((schluckt)), wart mal, wann ist der geboren, 1913, glaube ich? I: ((Leise)) Mmh, das könnte, das könnte hinkommen. E: Und sie 1900. Also ich glaub er war da, das war so 37 glaube ich, er war da 24 und sie 37, und äh, so äh und sie hat auch so Sekretärinnenarbeit und so da jemacht, nicht. Obwohl, also es ist wenig bei äh bei ihrer Schreiberei herausjekommen, sie war auch f/zu bescheiden immer, wenn se n bisschen enerjischer

20

jewesen wäre~. Einmal hatten se vom German American einen Wettbewerb, einen I:

Aha

Schriftstellerwettbewerb, da hat sie den zweiten Preis jewonnen, und der Josef Berkiewitsch den dritten, I:

Ach!

E: ja?

25

I: Aha E: Äh, und der Albert hat da auch irgend wat, also es war so ne komische Familienanjelegenheit, E: obwohl viele teiljenommen haben, und und so, aber es is mir so im Gedächtnis hängenjeblieben, I:

((lacht kurz))

E: auch als Beweis dafür wat se eijentlich konnte, ja?

30

I:

Mmh

E: Äh aber irjendwie äh, sie hat ja auch - Kinder und Arbeit und neu/äh, sie konnte zwar n bisschen Englisch von der Schule, aber man musste doch sich ganz schön einfuchsen da in die janzen Bestimmungen und und und Jewohnheiten und und alles, und dann immer der Kampf ums Dasein I:

35

Mhm

E: sozusagen nicht, also, vielleicht hat se auch nicht jenug Kraft jefunden, is ja keen Wunder, dass se grad während der Arbeitslosigkeit das jeschrieben hat, nech? I: Mmh.

17

Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

E: Äh, ja, das war so ihr - Leben/Josef Berkiewitsch, der hat folgende Vergangenheit, äh, der war Bergarbeiter in Polen, äh haben se irjendwat mal über ihn jehört? Nee, nich? I: Ja, doch, so n bisschen, ja - ja. E: Äh, in der DDR war er sehr bekannt, und jetzt ist er also ganz vergessen. Äh, der war Bergarbeiter

5

I:

ja

E: in Polen, 1890 jeboren, und is dann so unjefähr 1910.. äh, mit vielen anderen polnischen Bergarbeitern ins Ruhrgebiet jekommen. Weil er/ da war er arbeitslos jeworden und da – wurde Arbeit versprochen, nicht? Da sind sehr viele damals jekommen. Äh, und da war also Deutsch schon ne Fremdsprache für ihn, nich?

10

I: Mmh E: Und insofern, dann hat er Französisch und Englisch so gut wie nie jelernt. Obwohl er dann in Frankreich und in Amerika war, war er einfach, dat war zu viel für ihn, er hatte sich nun mit vielen Mühen in die deutsche Sprache bis zur Schriftstellerei so durchjeackert, nicht? Und dann war er natürlich auch schon fuffzig und so, äh und der war dann, äh, der war dann in, erst hat er als Bergarbeiter jearbeitet

15

im Ruhrgebiet, dann war er arbeitslos, und dann hat er bei solchen - Arbeiterzeitungen, wie hießen die nochmal? Ach, Sie wissen das sicher, die damals.. Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller. I: ((bejahend)) Mmh E: Mal von jehört? I: ((bejahend)) mmh.

20

E: Ne? Äh, da hat er dann mitjearbeitet, und kleine Beiträge für Zeitungen/a/erst warns so Reportagen aus der Grube und so hat sich das so langsam weiterentwickelt, nicht/&äh, Bund proletarischer Schriftsteller, da hat er dann/die hatten auch so ne Zeitschrift/da hat er dann Artikel geliefert, äh, und dann musste er fliehen, er war nicht jüdisch, er war Katholik gewesen, aber nicht mehr gläubig und äh, äh, dann musste er fliehen, weil er eben so ..sich zu politisch sehr exponiert hatte.

25

I: Mhm E: Kam dann in die Schweiz, ach so, erst von Essen, nach wo ging er dann, nach äh, irgendwo in ne andere deutsche Stadt, ich habs jetzt grad mal vergessen, welche det war. Det war aber nur von eener Frau zur nächsten, det hatte nicht/keene politische Bedeutung, da hat der, Ich _ Illberg, haben Se von dem mal gehört?

30

I: Nein, nein. E: Des war ein – DDR- Schriftsteller, schon ne ältere Generation, nicht so sehr bekannt, der hat äh ne Biographie über - Josef Berkiewitsch jeschrieben, mit meiner Hilfe so, er, äh, konnte nämlich in keen Archiv und nirgends hingehen, äh, weil er son Kettenraucher war. Konnte keene Sekunde auf ne Zigarette verzichten, und dat haben die natürlich in den Archiven nicht erlaubt, ne, und deshalb konnte

35

I:

ach je.

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

E: er da nicht hínjehen. Äh, und dann noch meine Erinnerungen und so weiter~ Ähm, äh, und äh, de hat dann daraus einen politischen Auftrag jemacht, Parteiauftrag, in Wirklichkeit hat er nur, äh, von ner eenen Frau zur anderen jewechselt, ne. Fand ich auch nicht sehr anständig. So wat zu I: ((lacht))

5

E: schwindeln. Aber, so, er meinte wohl, so wat jehört sich nicht, oder so, I: Mhm. ((amüsiert)) zu banal E: So, ne? Und da hat aber es wohl jeändert. Und äh, ja, diese Frau, bei der er da jelandet war in Essen, die war sehr viel älter als er, und die war streng katholisch, sehr rückständig, und - ewig hat det eben nicht jehalten, nicht? Vor allen Dingen Altersunterschied und solche Dinge. Und auch politisch war se

10

gar nicht interessiert und so. Äh, und dann diese andere Frau.. Schlotterbeck, hieß die glaube ich. Haben Se - den Namen schon mal (…)? I:

Nein.

E: Hier und da begegnet man dem Namen mal, ich weeß nicht, ob dat deren Kinder oder ich weß nicht jenau, Enkel oder irgend wat sind. Äh, und mit der hat er dann auch n Sohn jehabt, äh .. mmh, nne,

15

warte mal, Schlotterbeck? .. Wiedemann. Wiedemann. Wer ist denn Schlotterbeck & war deren Schwester, ja. Wiedemann hieß die. Und dieser Sepp Wiedemann, also Sepp’ Sohn, äh, äh, ach Stuttgart, ja in Stuttgart lebten die, jetzt fällts mir wieder ein, ja. Äh, und dann, als er fliehen musste, das war alles noch vor der Nazizeit, als er fl/der is so ungefähr 1930 jeboren, dieser Sohn. Und als er dann fliehen musste, wollte die nicht mit. Sagt, warum soll ich Deutschland verlassen, ich bin weder

20

politisch noch jüdisch noch sonst wat, hatte se keene Lust .. und is hier, äh is/oder viellei/nee, sie war für kurze Zeit war se wohl mit, und das waren so ne erbärmlichen Umstände, unter denen die leben mussten, das hat se nicht ausjehalten. Ist zurückjegangen. So war’s, ja. Also, sie war kurze Zeit mit in der Schweiz mit dem kleenen Jungen, äh, und dann ist se mit dem kleenen Jungen wieder nach Deutschland, der ist dann hier in der Nazi-Zeit aufjewachsen, ja? Und Sepp hat ihn dann .. nicht mehr

25

jesehen, bis nach dem Krieg. Äh, und al/ach so, er hatte auch mit der ersten Frau, hatte er wohl auch eine, eine Tochter,ja? ((Langsam)) Die ist 1912 jeboren. Die habe ich ein oder zweimal jesehen. Äh.. die sind alle in Deutschland jeblieben, und er - war dann in der Schweiz, äh und hat sich da so, so sehr schlecht durchjeschl/äh, äh, durch/er hat eben auch z/war denen auch zu politisch, so, ja, dat wollten die ja auch nicht so gerne so bei den Emigranten. Äh, und äh,… äh und dann von da nach Frankreich. Die

30

genauen Umstände kenn ich nicht, die Schweiz war ja eigentlich nicht so besonders bedroht und so, äh, warum er dann und/weiß ich nicht ganz jenau. Auf alle Fälle – für ihn war das mit Frankreich ne große Chance, weil er da die janzen Schriftsteller kennenlernte. Und sich so schriftstellerisch weiterentwickeln konnte, ja, während er bisher immer nur so/bis dahin immer nur so - proletarischrevolutionärer Schriftsteller, so kleine Artikelchen über sein Arbeiterleben und so weiter, und da war

35

dann, äh, waren dann so ne großen Kongresse, erstens mal 1935 und 37, haben Se von denen schon jehört? & So ((stammelnd)) internationale Schriftstellerkongresse, ja? I:

Mmh

ja, mmh, ja.

19

Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

E: 1935 und 37. Ich glaub 39 war nicht mehr, da hat der Krieg glaube ich schon dazwischengepfuscht. Äh, äh, und äh, und dann äh hatten die auch wöchentliche Sitzungen. Das weiß ich von meinem Mann, äh, so die Schriftsteller und Journalisten und so, die kamen jede Woche zusammen, und haben dann alle möglichen Dinge diskutiert, auch Manuskripte und so, und da hat er sich dann erst so richtig zum

5

Schriftsteller entwickelt.. Nich, und zum guten.. so ziem/ziemlich guten, also zu den besten jehört er nicht, äh, aber.. Schriftsteller entwickelt, und insofern war det jut für ihn. Na, und denn kam der Spanienkrieg, 1936, also genau, wann er da aus der Schweiz, also vielleicht so 34 oder 35, weiß ich nicht genau, wann er nach Frankreich kam. Und dann kam der Spanienkrieg und er, äh, ist dann dahin. Äh, äh, hat aber wohl nicht an der Front jekämpft, äh, weil, weil se so Kultur äh, .. Funktionäre

10

brauchten oder irgend so wat, ich weiß nicht genau wa/äh, was da der Grund war. Die meisten, die an der Front jekämpft haben, sind umjekommen. Und beinahe alle, von denen man so hinterher jehört hat, die waren irgendwo im Hintergrund, so. Aus irgendwelchen Gründen. Äh, er hat da überlebt, als einer ältesten Soldaten der internationalen Brigade, denn er war da ja schon 46 als dat ausbrach, ne, äh, und äh.. mein Mann ist da nicht/ach so, von meinem Mann müßte ich auch mal erzählen, da werd ich mal

15

von meinem Mann jetzt erzählen, bis Frankreich. Also, mein Mann kommt a/aus Arbeiterkreisen, äh, die waren evangelisch, seine Familie, so/wat war sein Vater? Polster/Polsterer in ner Fabrik, äh, und Mutter I: Mmh

mmh

E: Hausfrau, und so n bisschen fromm, Kirchenchor und so, und mein Mann war so n bißchen e/entfernt,

20

ähnlich wie bei meiner Mutter die Entwicklung, weg von äh, Rückständigkeit der Eltern und politisch I:

Ja

E: betätigt und so, der war sehr, sehr aktiv in der Weimarer Zeit, so in seiner Jugend. Äh, er ist 1905 jeboren. I: Mmh

25

E: Ähm, so. Wo war der? In diesen ganzen Vorstufen.. sozial - demokratischer Arbeiterpartei war er wohl, äh äh und auch, und dann war er auch, er war begeisterter Vegetarier, das galt damals als sehr fortschrittlich, ja? I:

Ja, ja.

E: Äh, und außerdem hat er sehr an Asthma jelitten, hat alles ausprobiert und hat sich dann einjebildet,

30

meiner Ansicht nach nur eingebildet, dass, äh, wenn man Fleisch weglässt, nicht so schlimm ist, der äh, Asthma. Äh.. denn es war doch noch ganz schön schlimm, als ich ihn kennenlernte. Äh, äh, und äh, I:

Mmh

E: also er hat sich dann auch zum Kommunisten entwickelt. So.. meine Mutter auch, ne, dat war auch so die Zeit, ne, viele junge Menschen wollten et anders als die Eltern, besser machen als die Eltern

35

I:

ja,

ja, ja

und so, nicht. Äh, und er ist dann auch aus der Kirche ausjetreten, meine Mutter ist übrigens auch aus der jüdischen Gem/mein Vater auch, immer mit 21, vorher durften se s nicht, ja?

20

Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

I: Mmh. E: Äh, äh, und er war dann so aktiv tätig, äh, äh, ich äh weeß nicht mehr jenau, wann er in die Partei jekommen ist, ich glaub, er ist noch vor der Nazi-Zeit - hinjekommen, ist dann in die Partei einjetreten, äh und dann hat er auch Kurier jemacht, hat auch illegal gegen die Nazis jearbeitet, äh.. äh und äh,

5

Kurier, so, äh, man konnt ja nicht einfach mit der Post schicken, (manchmal) wurde ja alles I:

Mmh, mmh

E: kontrolliert und so. Er ist dann mit dem Rad - von Stadt zu Stadt, jefahren, ich glaube er war arbeitslos zu der Zeit, dass er so dat konnte, und hat dann irjend welche Dinge überbracht, oder - wat eben so n illegaler Kurier macht, und insofern war er natürlich auch sehr jefährdet. Obwohl er nicht

10

I: Mmh E: jüdisch war, aber er war eben politisch – gegen/sehr gegen die Nazis, nicht? Äh, und äh, dann hat er mit seiner Mutter, die also zwar äh.. die sich dann so n bisschen, so, um ihm zu jefallen, so bisschen politisch entwickelt hat, hat er verabredet, wenn ich mal weg bin und die Nazis kommen, äh, irjend so n bestimmten Satz, Onkel Theo - zu Besuch jekommen oder irjend so wat Ähnliches, ja? Äh, äh, soll se

15

se ihm sofort ne Karte schicken. Sie wol/sie wußte dann so, da und da fährt er hin, so die Anlaufstellen, nicht? Dann hat er so ne Karte jekriegt von ihr, dann ist er nicht mehr nach Hause jefahren. I:

Ja

E: Und insofern konnte er - der Haf/Verhaftung entgehen, nicht? Ist er dann einfach weiterjeradelt, nach Frankreich, ne.

20

I: Mmh E: Äh obwohl, inzwischen, da war/hat er irjend/äh, wat ist da, sagen Se mal, Saarland oder so, war er wohl, dat is doch irjendwo dazwischen, nicht? I:

Ja.. Saarland oder - Elsaß

E:

Bin nicht/Bin schlecht in Geographie, dat ist doch irjendwo zwischen Deutschland und

25

Frankreich, nicht? .. Ne? I: Oder meinen Se Luxemburg? E: Nee, ich glaub es war Saarland. Aber ganz jenau weiß ich nicht. Er war kurze Zeit nur da, und dann stellte sich fest, irjendwie..keene Leute und kannte keenen und irjendwie wars besser nach – Paris weiterzufahren. Und so ist er in n Paris jelandet. Und er hat dann auch, im Grunde sich auch erst da so

30

I:

Ja

E: richtig entwickelt. Vorher, was hat er vorher? Äh, ach so, ja seine Schule und so hab ich noch nicht richtig erzählt. Er ist wohl zehn Jahre zur Schule jegangen.. und dann hat er, ne Technikerlehre hat er das immer jenannt. Ich hab aber nie jemerkt, dat er was Technisches konnte. I: ((lacht))

35

E: Also, Reparaturen und so mußte ich nämlich immer machen. Ich glaub s waren mehr so technische Zeichnungen und so, er war nämlich sehr unjeschickt, aber ne Zeichnung kann man ja auch - machen, wenn man unjeschickt ist, nicht?

21

Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

I: Ja E: Also, sonst, im Kopp und so, war o.k., bloß, w/äh, Hände waren unjeschickt. Und äh.. äh, also, Zahnräder zeichnen und sone Sachen, ja? Inner Fabrik. Und wurde dann arbeitslos, und äh, hat dann sich hauptsächlich noch politisch betätigt, von Arbeitslosenunterstützung jelebt, so, ganz jenau weiß

5

ich’s auch nicht. Es steht alles in den Unterlagen, aber es ging/geht jetzt über meine Kraft, in so kurzer Zeit, I:

Mmh

E: beziehungs – weise zu äh, von meinem Mann hab ich ja nun alles schon in das Exilarchiv jegeben, I:

10

ja, ja

E: hab ich wahrscheinlich gar nicht mehr, um alles nachzusehen, ne? Äh, also, dat war so die erste I:

Mmh

E: große Portion, die ich äh, Anfang vorigen Jahres da, 25 Kisten voll, hinjegeben habe. Äh, ja, dann kam er nach Frankreich, und hat dann da, vorher hat er auch schon jeschrieben, und er hat anjefangen, als vegetarischer Schriftsteller. Weil dat nun so sein Fanatismus war, ja?

15

I:

Ja.

E: Gegen Alkohol, gegen ((pocht auf den Tisch)) Fleisch, gegen ((pocht)) Zigarettenrauchen.. und zum Teil sogar gegen Mit-Frauen-Schlafen, und wat weiß ich, was se alles für – revolutionäre Ideen hatten damals. Äh, so hat er anjefangen, ja? So, so in seiner Jugend so, mit 16, 18 oder 20 oder so. Und I:

20

Ja.

E: das hat sich dann so erst allmählich so n bisschen mehr politisch/schon, vor der Nazi-Zeit hat er dann so - kleene Vorträge im Radio jehalten und kleene Artikel jeschrieben und so und äh, und auch/gucken Se auf die Uhr? I: Nee, ich guck hier mal, ob’s läuft und so.

25

E:

Ob’s läuft? Läuft noch?

I:

Ja, ja, läuft, alles klar.

E: Und äh, warten Se mal, wo war ich jetzt, ach bei meinem Mann, äh, politische Entwicklung, ja. Äh, wo war ich n jetzt, bei welchem Jahr oder welcher/Zustand bei ihm? I: Sie hatten/ E:

30

I:

Ach so, wie er da anjefangen hat zu schreiben und so, ja. Äh, ja, also dann wurde es so Ja.

E: langsam mal politisch. & ((schnell)) Das hab ich jetzt so n bisschen verfolgt, als ich so seine janzen Materialien zusammenstellte~. Fürs Archiv.. Also, sie wollten auch dann ein Exemplar, von jedem, was, was er jeschrieben hat, was ich hatte, ja? Also, auch Gedrucktes, obwohl se sonst nichts I:

35

Ja

E: Gedrucktes nehmen, aber - sie waren eben bereit oder waren interessiert, ein Buch und ein Artikel, also jeweils eins von ihm, was er so jeschrieben hat, ((schnell)) da konnt ich das so n bisschen ((schluckt)) verfolgen, obwohl er natürlich - sehr viel verloren hat in der ganzen Rennerei von Land zu Land,

22

Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

((räuspert sich)) aber manches konnte er hinterher noch mal beschaffen und so ((schluckt)) also, ich konnt dann so sehen, wie er sich so langsam weiterentwickelte, so Richtung - mehr politisch und so. I:

Mmh,

mmh

E: und er war dann ((hustet)) bei Ergreifung der Nazis eben schon sehr aktiv politisch auch für -

5

kommunistische Partei. Also, n paar Parallelen sind da, meine Mutter und er, ja? I: Mmh. E: Waren ja auch nicht weit auseinander, meine Mutter 1900 jeboren, er 1905, obwohl se natürlich Elternhaus völlig verschieden waren, nicht? Äh, und äh, so landete er in Frankrei/äh, in Paris, äh, und I:

10

Mmh, mmh.

E: hat dann ((getragen)) gleich so Journalistenarbeit, so überall sich reinjestürzt und so, äh, hat dann auch den Josef Berkiewitsch bei diesen Treffen kennenjelernt, ja? Er kannte ihn lange, bevor meine Mutter ihn kennenlernte~, äh, er hat sich hauptsächlich journalistisch/hat dann für die - Pariser Tageszeitungen und wat se da so alles für Zeitungen hatten, in, in der Emigration da, ne? I: ja, mmh

15

E: Hat er überall/und das wurde so langsam, irjendwie so n bisschen mehr historisch hat er sich/Erst hat er über Nazi-Deutschland viel jeschrieben, ja? I: mmh E: Weil er da noch viel wußte und noch paar Kontakte hatte, über die Entwicklung, äh, der.. Schulen, so.. allerhand so ne Themen.. äh, über Nazi-Deutschland.

20

I: Mmh. E: Und dann ging’s so mehr .. alljemein, Politik, Weltpolitik, Geschichte, so richtung Geschichte. Äh, und äh, dann mußte er, äh äh/also bis 39 war er in Paris, hat ziemlich ärmlich jelebt, da hat er auch, zum Beispiel, einmal hat er auch an den Heinrich Mann so’ n Bittbrief jeschrieben, ja? Äh, dat hab ich auch dem Archiv jegeben, der hat auch jeantwortet und noch jeholfen. Äh, und er hat dann auch diesen

25

I:

Ja

E: Kon/auf diesenSchriftstellerkongressen auch teiljenommen, 35, 37, so ähnlich wie bei dem Berkiewitsch, und hat da so allerhand Amerika-Kontakte auch knüpfen können, ja? I: mmh. E: Und die haben ihm dann auch/all/ neben diesen Komitess haben die ihm dann auch jeholfen und

30

weiterempfohlen und ihm gesagt, wat er machen muss und und und so. Äh, und dann kam er, 39, haben se alle Deutschen da verhaftet, ejal, ob Jude oder nich Jude, ob Faschist oder Antifaschist, war denen janz egal, alles wat deutsch, wurde verhaftet und er wurde dann äh..äh ((leise)) ich hab äh in Marolle glaub ich hieß das erste Lager, in dem er war, äh 1939, und er war doch ziemlich asthmakrank immer. Hatte immer fürchterliche Anfälle & und man dachte immer er erstickt gleich, aber auch als ich ihn

35

kennelernte, später wurde es dann besser, ich weeß nich, manche Krankheiten werden besser so mitm Alter. Äh, vielleicht war’s auch psychisch, weiß ich nich jenau. Äh, und äh er wurde dann aus dem

23

Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

Lager entlassen, das war ja im Süden Frankreich, da warn ja die Nazis noch nich, da war das VichyRegime, die warn nich janz so schlimm wie die Nazis, nich. Äh und die I:

ja

E: haben ihn dann entlassen, kurze Zeit, weil er zu krank war, hat mehr den Betrieb jestört, sozusagen, ja?

5

I: mh E: Äh, aber das waren nur einige Monate, war er dann wieder in Paris, und dann wurde er wieder verhaftet und dann kam er nach Vernet, das is n ziemlich bekanntes Lager, ja, haben Se von jehört? I:

mhm, mhm

E: Da hat er auch drüber jeschrieben, das hab ich ooch alles dem Exilarchiv jegeben. Ja, aber nich

10

veröffentlicht, is er nich mehr zu jekommen. Oder wollten se nich, einmal haben wirs irjendwo hinjegeben, aber, da hat ich mit Mühe/ meine Mühe det wiederzukriegen. Wir haben ja keen Kopierjerät jehabt und nüscht hier. Äh, und äh, da war er in Vernet, und da hat er ooch viele interessante Leute kennenjelernt, obwohl det n furchtbares Lager war, aber nich so schlimm wie die in Polen. Sie haben die Leute nich systematisch umjebracht, sie haben eben nur janz wenig zu essen

15

jekriecht und und so ne Sachen, ja? Und er hat da monatelang auf seiner Matratze jelegen und nach Luft jejapst, aber hats irjendwie überstanden, er is, war sehr zäh, ja? Auch in der Kindheit schon. Sonst, sonst/ die Ärzte haben zu seiner Mutter immer schon jesacht, er wird keene 14, aber er is 81 jeworden, ja? I: ((schmunzelt, lacht))

20

E: Äh, und äh, da kam er nach Vernet, und hatte aber schon allerhand Kontakte äh so, aus seiner ganzen Pariser Zeit und hat dann eifrig jeschrieben äh, nach Amerika, und helft mir und so. Und da gabs auch so allerhand Komitees und Stellen, und das war, Vernet war ziemlich in der Nähe von Marseille und da gabs irjend so n, ich weeß nich ob das amerikanisches Konsulat oder äh irjend so n, so ne Stelle, ich glaub amerikanisches Konsulat, und da durften se dann aus Vernet raus & det wär ja natürlich in so

25

nem Todeslager nie möglich jewesen, wenn se irjendwie janz konkrete Dinge zu erledigen hatten, da, äh so, mh sich um Visa bemühen und so, ja? Und da hat er oft äh den Josef I:

mhm

ja

E: Berkiewitsch/sind se oft zusammen hinjefahren, weil der Josef Berkiewitsch ja jar keen Französisch konnte.

30

I: ah ja E: Und mein Mann konnte, erstens hatte er auf der Schule n bißchen jelernt und dann war er ja auch noch viel jünger, äh als äh Josef Berkiewitsch und hatte mehr Schulbildung und so weiter, äh und der hat dann eben jeholfen, denn ohne Französisch konnt man ja nicht gut alle Sachen erledigen da, nich? Äh, hat er mir mal erzählt, und det war natürlich dat Glück für Josef Berkiewitsch, dass er so denn auch

35

gerettet wurde. Und da sind se dann immer, wenn irjend wat, wieder irjend n Stempel zu holen war oder irjend was, dann sind se da ab und zu hinjefahren und da hats denn jeklappt, ich weiß nich mehr obs auf m gleichen Schiff oder wenigstens sind se beide 41 herjekommen. Kann sein, dat äh verschiedene

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

Schiffe waren, äh, äh, sind se dann beide nach Amreika jekommen, nach New York, äh, und da haben se noch Glück gehabt, äh das war wohl noch, ku-kurz vor dem, wa-warte mal, äh, soweit ich mich entsinne, 22 Juni, da bin ich aber nicht ganz sicher, 41, is Amerika glaub ich in den Krieg eingetreten. Wissen Sie da zufällig genau, wann das war?

5

I: genau, nee, tut mir leid. (uv.) 41, ja, aber/ E: Äh ((räuspert sich)), also, wenigstens, alle die danach kamen, die konnten dann gar nicht mehr in New York landen. Zum Beispiel Anna Seghers ooch, ja, und diese Leute, die dann in Mexico, die wurden dann nach Mexiko umje-leitet, ja? Aber er war noch grad davor und Josef Berkiewitsch, und andere, also die waren noch grad davor, und die durften noch in New York landen. Äh und äh und da haben

10

dann so alle möglichen Komitees jeholfen und so. Mein Mann kam erst mal n paar Monate äh in ein äh, wieder auf so n Quäker, nee nich Schule, äh äh, war, was war n det jenau? Hab ich alles erst später so, alle Einzelheiten hat er ooch nich erzählt, vieles hab auch erst aus den Schriften so jesehen, ja? Äh, manches fand er auch nicht wichtig, auch bei meiner Mutter hab ich festjestellt, ja, die warn so beschäftigt mit ihrem Leben äh irjendwie fanden se det nich wichtig jenug oder so. Äh, und äh..Also äh

15

irjend wat von den Quäkern, ich weeß nich ob sich dat Erholungsheim nannte oder Schule oder irjendwie, äh, aber die haben ihn dann da rausjeschmissen, äh nach n paar Monaten & also hat er sich erholt vom Konzentrationslager und so weiter, ham die beschlossen, ja, jemand der direkt kommt, den können wir nich gleich in ne Arbeit stürzen. Äh und die haben, wollten ihn aber nich mehr haben, weil se nämlich die Bedingung jestellt haben, sie würden ihm ein Collegestudium ermöglichen, er war

20

damals ja, warte mal, 41, wenijer fünf, 36 ((schnell)) (so geht’s ja überhaupt noch bißchen) mit studieren und so, ((Stimme gehoben)) sie wollten ihm ein Collegestudium ermöglichen, wenn er dafür nie wieder über seine Vergangenheit schreibt, vergißt dat er jemals Deutscher war, und und un vor allen Dingen ((schnell)) Antifaschist und so, dat sollt er alles vergessen, nur noch da theoretischer Amerikaner sein. Und das hat er abjelehnt. Obwohl er damit hätte Karriere machen können, ne,

25

Collegestudium und so, ne. Das hat er abjelehnt und dann kam er in New York an. Inzwischen n bißchen erholt und so, und äh da, äh, warte mal, wat hat er n da, ja der hat auch so in den verschiedensten Redaktionen und äh, die Einzelheiten weeß ich jetzt nicht mehr so genau, äh, äh, auch äh, er hat viel so bei deutsch amerikanischen, Organisationen mitjeholfen, bis er dann beim German American jelandet ist. Aber, so im Einzelnen, weiß ich nicht, i-äh, als ich die Sachen sortierte, da,

30

sortierte, da war mir das klar, aber inzwischen so is det n bißchen äh, n bißchen aus meinem Jedächtnis jeschwunden, aber so dat Prinzip war eben irjendwo wo er so was mit Antifaschismus und und Deutsch und so zu tun hatte, da gabs ja ne Menge in New York nich? Also ich kann mich nich entsinnen, daß er so richtig arbeitslos, aber. Aber ich hab mehr verdient als er, also da war er & diese ganzen Organisationen & ((schnell)) obwohl ich auch ganz wenig verdient hab, äh, er hat mir mal jesacht, 70

35

Dollar im Monat hat er wohl jekricht, s is natürlich sehr wenig, selbst für damalige Zeit, nich, heute könnt man ja gar nich davon leben, aber er war eben ganz bescheiden. Hat ne Einzimmerwohnung dann jehabt, sozusagen mit, mit Küchenecke und so äh und äh is immer nur inne Bibliothek jerannt, so viel er

25

Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

konnte ja, bis abend/ die hatte, die New York Public Library, so ne ganz riesige Bibliothek, die hatte immer bis abends so mindestens zehn Uhr auf ja? Und da kam er oft erst abends nach Hause, hat sich paar Bratkartoffeln jemacht und is ins Bett jefallen und am nächsten, Tach wieder und so. Äh, also, so hat er seine Zeit da verbracht, äh, ach so, in Frankreich isser auch noch zu einigen Vorlesungen

5

jegangen, übrigens in Köln inner Arbeitslosenzeit auch, aber nich so richtig als einjeschriebener Student, sondern, irjendwo mal ne Vorlesung, (weil) scheinbar war das möglich, ja, was ihn so interessiert hat, nich? Und äh, er mußte I:

ja, ja

mhm

ja auch sehen, daß er irjendwie auch Geld verdiente immer, nich? In Paris is ihm auch ziemlich schlecht,

10

also, äh äh, finanziell, sonst is ihm jut jejangen, also so, was, wen er da alles kennenlernte und und so weiter. Aber finanziell sehr schlecht. Er mußte immer irjendwelche Bittbriefe und und äh, ich weiß nich mehr wie ich meine Miete bezahlen soll, und so ne Dinge hab ich da/ ich hab seine Briefe, alle durchjesehen äh ich se dahinjegeben hab nich. Also war so, ihm ging auch sehr schlecht. Finanziell. Äh und dann, also von Marseille aus ham se et beide, Josef Berkiewitsch und, und Hans Brückner, waren

15

beide nicht jüdisch, ja, ähm, des geschafft, ach so, hatt ich ja schon erzählt, ich bin ja schon in Amerika jetzt mit meiner Erzählung. Josef Berkiewitsch glaube ich is nich, kann ich mich nich entsinnen. Der hätte ja in so n Heim auch gar nich jepaßt, der hätte ja gar unter äh, verständigen können, und äh und äh, und meine Mutter und Josef Berkiewitsch ham sich so kennenjelernt, meine Mutter war immer irgendwie da irjendwie auch Emigranten betreuen, all solche Sachen hat se immer jemacht. Und da hat

20

se den Josef Berkiewitsch zum Betreuen jekricht, ja? I: Ach so. Mhm. E: Ihm helfen, ne Wohnung finden und und und solche Sachen, ja? Und so ham die sich kennenjelernt da, nich? I: mhm, ja

25

E: Äh und ich hab meinen Mann beim German American, ne, ((nuschelnd)) also so, ging er da ein und aus während ich vielleicht gerade irjendwat abzuholen/ oder so, ja. Äh so ne Sachen. Äh so, warte mal, wie wo, wo sind wir jetzt, jetzt haben wir also meinen Lebenslauf bis New York, äh von meiner Mutter, von meinem Mann und von Josef Berkiewitsch. Äh, mein Bruder, ja der lief ja lange parallel zu mir mit dem Lebenslauf, äh und dann hat er äh.. ach so, nachdem er die High School fertig hatte, ähm äh hat er

30

irjendwo so wat Drucker oder Zeitschriften so, al/ er is sein Leben lang bei dieser Branche jeblieben, ja? Äh mal als Drucker, mal hat er wat herausjegeben, mal hat er Artikel jeschrieben, also immer in dieser Richtung~. War auch politisch sehr aktiv, äh für die kommunistische Partei Amerikas, äh hat ne Amerikanerin jeheiratet äh und äh is dajeblieben. Äh und äh hat dann aber sehr unter Mc Carthy jelitten, äh der mußte dann äh verschwinden, weil er Angst hatte, er wird verhaftet, und da hat er uns äh

35

irjendwie jeschrieben, ja ich muss jetzt äh lange Jahre verreisen oder irjend so irjend so wat ähnliches ja. Also wir haben dann so, viele Jahre jar nischt von ihm jehört, weil er n anderen Namen anjenommen hat, war ja in Amerika leichter, ne, also man muß sich ja nich melden und nischt. Äh und äh, meine

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

Nichte war jetzt grad mal zu Besuch und hat jesacht, sie is auch unter nem anderen Namen jeboren worden, aber ich hab vergessen zu fragen, welchen, is ja auch nich so wichtig, hat wohl später ihren richtigen Namen wieder anjenommen. Äh, also wegen dieser Mc Carthy, Verfolgung ja? Und weil er so aktiv jewesen war. Später äh äh war er dann nich mehr so aktiv, scheinbar haben se ihn doch da n

5

bißchen einjeschüchtert durch diese Sache. Aber er war nie reaktionär oder so, aber irjendwie hatte ich als ich ihn dann besuchte äh als ich ne alte Frau war oder ne ältere Frau äh hatte ich nich mehr so den Eindruck als wenn er so politisch so aktiv war. Naja, das is ja bei manchem anderen ooch so, dass er sich ändert in seinem Leben, ne? (I: mhm) Also, das is so, wie sein Leben so war, ja? (I: mhm) Er is 89 jestorben.. (ca 4 Silben uv.) Gehirnschlag oder so, ja? Äh, da war sonst nichts mehr spak/äh

10

Spektakuläres in seinem Leben, hat äh, hat Sohn und Tochter jehabt, der Sohn is ziemlich erfolgreich, hat von fünf Jahren, ab fünf Jahren immer, Cello jespielt, und janz fanatisch und is heut immer noch in Portland Symphony Orchester und lehrt so n bißchen an Ho äh Hochschulen Musik und hat Frau und so. Äh und Haus. Äh, aber die Nichte, aus der is kaum was jeworden, ich glaube das liegt damit, hängt damit zusammen, dass se ziemlich früh mit Drogen anjefangen hat. Mein Bruder hat alles jetan um se

15

davor zu retten, äh, aber, äh, er hat hat se sogar einmal in die DDR jeschickt zu mir ja? (I: mhm). Da war se sechzehn und da hat er jedacht, na da gibt’s keene Drogen, das hatte er gehört, ja? Vielleicht kann ich se dadurch heilen, ne? Äh und äh, äh.. aber sie hat hier bloß rumjelegen und, und die Decke anjestarrt un ich wußte gar nicht was mit ihr anfangen bis mir klar wurde dat dat irjendwie, äh und hat dann unter dem Drogenentzug wohl jelitten und dann telefoniert, hol mich hier bloß raus und so und is

20

dann vor der verabredeten Zeit zurückgefahren. Hat dann auch nich studiert, was heutzutage doch sehr sehr viele machen, in den USA, so College besuchen, ja? (I: mhm) Äh, also irjendwie ha-ham die so n bißchen, nicht dat se wer weiß wie doof ist, aber so n bißchen geschadet, hats ihr doch, hab ich so den Eindruck. Diese Zielstrebigkeit, die zum Beispiel mein Bruder oder auch, auch ihr Bruder, der Cellist und so, und auch, auch seine Frau, die war Schauspielerin, ach äh, die Frau von meinem Bruder

25

übrigens, die hat in der amerikanischen Flotte gedient (I: aha). In Amerika~ Äh, und mein Bruder war nich Soldat. Also das kommt selten vor, wa? (I: ja) Dass der Mann nich Soldat/ äh mein Bruder hatte wohl so n paar wehwehchen, durchjestochenes Trommelfell und Augen nich so gut und da wollten se ihn nich haben, äh und äh, obwohl die meisten dieser jungen Emigranten in in dem in der amerikanischen Armee gegen Hitler jedient haben, nich. Aber er hatte eben so n paar gesundheitliche

30

Probleme, äh, den wollten se nich. Äh, und äh und seine Frau hat sich damals freiwillig jemeldet, äh, aber als was se da jearbeitet hat weiß ich nich, die waren damals glaub ich nich an der Front die Frauen. (I: mhm) Äh, ich weiß nur dat se bei der Flotte war, äh und ich glaub so mehr Bürosachen hat se hat se jemacht. Und dann hatten se n Gesetz, dass alle die gedient hatten, äh äh aufs College gehen konnten, auf Kosten des Staates so ja? (I: mhm). Und des hat sie wahrjenommen und hat dann Schauspielerei

35

studiert. Und hat dann auch, is nie ne bekannte Schauspielerin jeworden und so, aber immer so mal kleene Rollen und, und mal dies und jenes, zum Schluss warns dann nur noch Werbe äh Sachen, ja, als se schon ne ältere Frau war, nich mehr so hübsch war und so, da wollten se nich so, da ham se, hat se

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

nur noch so was jekricht. Ääh, so, das war mein Bruder, seine Frau, sein Sohn, ja und die Janie, die Nichte, die hat dann mal als Tellerwäscherin gearbeitet, dann hat se mal als Sängerin jearbeitet, das war ihre glückliche Zeit, weiß nich, so zehn Jahre lang oder so. In so ner A capella, Gruppe da, a capella is so, da is keene Instrumente, so (I: ja, ja), ja. Und da isse auch überall rumjekommen inner Welt. Und

5

hat dann, ich hab se jetzt mal jefragt, wie lange se denn welche Drogen jenommen hat. Also, da hat se ganz stolz jesacht, ja, die, die starken Drogen, die hat se schon mit fünfzehn sich abjewöhnt. Als ich zu dir kam, da nahm ich nur noch – Marihuana, oder so (I: aha), ja? Äh äh ich wusste gar nich dat se auch so ne starken Sachen genommen hatte. Äh und äh, und ich hab gesacht und jetzt? Ja, ganz selten mal noch ne Zigarette. Also, ganz losjekommen is se scheinbar (noch) nicht, aber, äh, dann hat se wie

10

jesacht, äh mal je/ lange als Kellnerin, dann, dann hat se mal äh so, (ach) so dann dies Singen, dann hatte se äh mal so kleenen Laden, da hat wohl die Mutter da n bisschen wat zujegeben, so, so n kleenen Laden mit Kuchen und Kaffee und so, aber äh hat ooch nich lang jedauert, irjendwie hat dat nich jeklappt. Und jetzt, hab ich jesacht, als was arbeiteste jetzt?& ((schnell, nuschelnd)) das muss man bei ihr jedes Mal (wenn se schreibt) fragen, is ja immer wat anderes. Jetzt arbeitet se gerade als, Hunde äh

15

friseuse. In so nem Hundesalon. Aber hat schon gesundheitliche Probleme und macht sich Sorgen, wie det so weitergehen soll, ne, weil ja, in der Jugend war se gar nicht versichert, und jetzt is se nur versichert, wenn se arbeit, arbeitet, ja? (I: mhm). Und als se mal so ne Zeit daziwschen hatte und keene Arbeit, da mußt se sich selber versichern (I: mhm). Und, sacht se, wenn ich die Arbeit verlier, dann muß ich mich ooch wieder selber versichern. Jetzt denkt se sogar darüber nach, ob se nach Deutschland

20

zieht. Wat ich n bisschen verrückt finde, sie kann nämlich keen Wort Deutsch und so. Und is jetzt 48 hat keen richtije/ kann nischt nachweisen und so, dat sind doch alles bloß so Sachen die se bloß mal n bisschen gemacht hat, und also, irgendwie, hab ich gesagt, na ich seh da keene große Chance, dass de bei dieser Arbeitslosigkeit hier. Äh mein äh Sohn Gert, der hat jesagt, es gibt so ne Möglichkeit, äh für, für Leute, deren Eltern vertrieben wurden (I: mhm), dat se die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen,

25

aber ich vermute eher dass so ne ((stammelnd)) äh kleene Idee von ihr is, dat se det doch nicht durchzieht, wenn se hört was da für Schwierigkeiten mit, verbunden sind. Also so verschiedene Wege können die (I: ja) ihr Bruder ist sehr erfolgreich und so & ich glaube das warn diese Drogen schuld, dass/ denn am Anfang war se auch ne gute Schülerin und alles, nech, und sie ist auch nicht richtig doof jetzt so, aber irjendwie, so der richtije Antrieb und und also irjendwat is da verloren gegangen (I: mhm).

30

So, ist mein Eindruck, nich. I: mhm E: So, dat is also mein Bruder mit seiner janzen Sippschaft, oder mit der halben wenigstens/ I:

Ja, ich würd gern noch mal so, ehm, also fragen, was, ja, wie das für Sie alles so war, ja, also, wie Sie’s

35

E:

Über mich.

I: - erlebt haben. E: Ja. Kann ich mal kurz auf’s Klo gehen?

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

I: Ja, aber selbstverständlich, klar. [Band ausgestellt.]

5

E: Dann hab ich mich in meinen.. zukünftigen Mann verliebt. Äh, Und, dann bin ich zum ihm gezogen, da war ich 19, das war 1945, äh.. äh, ich bin äh, 15.Oktober 1925 jeboren. Also, es war irjendwie, I:

Mmh

E: weiß nicht, im Frühjahr oder Sommer 1945, und.. meine Mutter war janz dagegen, weil er immer Asthma-Anfälle hatte und so, aber wie man so als junges Mädchen ist, man hört nicht druff. Und viel

10

älter vor allen Dingen, 20 Jahre älter, fand se nicht so ne gute Idee. Äh.. und dann äh, haben diese I:

mmh, mmh

E: ganzen kommunistischen Emigranten, I: Mmh E: Äh, haben sich zusammenjetan, also, das heißt, die haben ja immer schon zusammenjearbeitet die

15

ganzen Jahre, und wollten nun zurück, weil Hitler war ja - sozusagen besiegt, nicht? Äh, und das war I:

Mmh

gar nicht so einfach. Die Amerikaner hatten keen Interesse dran, Kommunisten hier in Deutschland landen und so, nicht? Und äh, da mußten se unjefähr anderthalb Jahre kämpfen, äh se det durch hatten. I: Mmh

20

E. Die Einzelheiten weiß ich nicht, weil dat die janzen älteren Leute jemacht haben, ne, da wurde ich I:

Ja

E: nicht mit einbezogen. Aber allerhand bürokatische Sachen mußten se da – äh durchkämpfen. Und dann wurde der Gerhart Eisler auch noch verhaftet, da habe ich aber auch vergessen, also in welchem Jahr genau dat war, ich glaub, det war erst nachher. Also, der wollte ooch mit zurück, ja, und ich glaube, er

25

wurde dann sozusagen auf m Weg zum Schiff/das kann ich aber nicht sicher sagen/verhaftet, und er kam erst zwei Jahre später wieder, also mit lauter Kämpfen, seine Frau hat dann/ist überall rumjereist in USA. Also, so äh, so s.. subversive Tätigkeit und so ne Sachen wurden ihm vorgeworfen. I: Mmh E: Aber es waren insjesamt dann 16, die dann äh, zusammen zurückfuhren, mit Frauen und Kindern, also

30

so – viel, da könn/können Se mal sehen, wie wenig, im Verhältnis zu den Hunderttausenden, die dahin/später ist noch dieser oder jener noch zurückjekommen, ja, der vielleicht noch nicht fertig I: Ja E: studiert hatte oder irjend so was, ja? I: Mmh

35

E: Aber in dieser Gruppe waren 16, die das dann endlich äh, durchjekämpft hatten, und deswegen hat dann auch meine Mutter, die schon - mehrere Jahre mit Josef Berkiewitsch zusammenlebte, haben se dann noch jeheiratet. Weil dat sonst zu viel bürokratische Schwierigkeiten jegeben hätte, ja? Äh, und

29

Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

I:

Mmh

E: äh, mein Mann und ich haben dann auch, wir haben alle im Jahr 1945 jeheiratet. Meine Mutter, also, I:

Ah ja

meine Mutter den Josef Berkiewitsch, ich den Hans Brückner, und mein Bruder seine Frau ja, de/dat hatte

5

nüscht mit Rückkehr zu tun, dat war eben einfach so weit, dat se heiraten wollten. I:

Ja,

ja

E: Äh, und äh, ((hustet)) bei Josef Berkiewitsch sch/trat noch die Schwierigkeit auf, dass er immer noch mit dieser katholischen frommen Frau da im Ruhr äh, im Ruhrjebiet verheiratet war, die sich absolut nicht scheiden lassen wollte, auch nachdem er sie wegen ner anderen Frau verlassen und die ja nun

10

I:

Mmh

E: Jahrzehnte schon nicht mehr jesehen und nicht mehr jeschrieben und nischt hatte, aber auf m Papier I:

Mmh

E: war er noch verheiratet, und äh, haben se aber geschafft, weil in Amerika jeder Staat andere Gesetze macht. Besonders wat Bildung und Familie und so, nicht unbedingt Außenpolitik, aber so

15

I:

Mmh

E: bestimmte Jebiete kann jeder Staat seine eigenen Gesetze. Auch mit Heirat. Und da haben se, hat, haben se irjendwie rausjekriegt, dass in Conneticut.. haben Se doch gehört, nicht, als Staat, nicht? Einfach als Staat. Ganz in der Nähe von New York. Da, äh, hatten se irjend ne Regel, wenn man I: Ja, ja.

20

E: soundso lange schon auseinander war oder wat, dann gilt dat wie jeschieden oder so. I: Ach ja, ja. E: oder vielleicht sogar wie tot, oder ich weiß nicht. Auf alle Fälle war es da möglich, zu heiraten, I:

Mmh

E: während es in New York nicht möglich war. Die wollten ne Scheidungsurkunde sehen, nicht?

25

I:

mmh.

E: Und da sind die dann/da war ich auch gar nicht auf ihrer Hochzeit, weil, war zu teuer wenn wir alle dahin fahren, nicht? Wir hatten nicht so viel Geld. Da sind die da/beiden denn dahin jefahren und zurückgekommen, da waren se verheiratet. Aber auch wegen diesen/(wenn ja), dass et leichter ist dann I:

30

Ah ja.

E: all diese Bürokratie zu bewältijen, wenn man Mann und Frau ist, nicht? I:

Mmh,

mmh

E: Äh, und dann ist/äh, und ich wurde eben auch/ich weiß noch, wie eine, äh, eine Freundin aus dem Naturfreunde äh.. äh Organisation dann sagte, Mensch, biste denn verrückt. Wie kannste nur, als junges Mädchen, du hast doch hier alle Chancen und so, äh, ..und ich hab’s hauptsächlich aus Liebe zu

35

meinem Mann jemacht. Also, ich hab ja keene Ahnung jehabt, was Deutschland ist. Als achtjähriges I:

Mhm

E: Mädchen hab ich’ s verlassen und äh, und und und vor allen Dingen von Krieg und all diesen

30

Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

I:

Mmh

E: Dingen, hab ich ja, hab ich gar nicht gewusst, worauf ich mich da einlasse, so unjefähr, nicht? Ich I:

mmh

E: hab jedacht, na, äh/ach, mein Mann hat mich übrigens auch gefragt, vorher. Ich hab ihn jefragt, willste

5

mich heiraten, ja? Und er hat jesagt, aber nur, wenn du mit zurück nach Deutschland kommst. I:

Aha,

aha.

E: Und äh, so haben wir dat jeregelt, ja? Äh. Und, dann war es soweit, im.. Oktober, ja, Oktober ..46. Da war ich wohl gerade 21 jeworden, (denn) damals war man mit 21 volljährig, ne? I:

10

Mmh.

Ja. Ja.

E: Und äh, da kam dann noch – auf s Schiff ein – Mann.. ich weeß nicht mehr genau, von welcher Behörde, von der Einwanderungsbehörde glaube ich, extra zu mir. I: Mmh. E: Ich war die/bei weitem die jüngste/und hat jesagt, ((nachdrücklich)) wie können Sie nur, überlegen Se sich’s noch mal. Sie können jetzt noch sagen, nein, ich fahr nicht mit, also hat da mindestens ne halbe

15

Stunde oder länger auf mich einjeredet, ich bin aber dabei jeblieben, und dann is er abjezogen. I:

Ja

E: Äh, also er hat noch so n letzten Versuch jemacht, mich – vor dieser furchtbaren Dummheit zurückzuhalten. Äh, so. Und dann, waren also wie gesagt, 186 Leute, Ernst Krüger war da, der da später so in der Gewerkschaft so n bisschen ne Rolle gespielt, mit Frau und Tochter, da war der Adolf

20

Deter, ooh, ich glaub der hat auch so wat mit Gewerkschaft zu tun jehabt. Dann war der Josef Berkiewitsch~/((schnell)) ach so, warte mal, ((langsam, überlegend)) äh, äh, Krüger-s waren drei, Deter waren zwei, äh, Berkiewitsch waren zwei, Brückner waren zwei, wer war denn da noch? Zahn glaube ich, Rolf Zahn, oder nee, der ist n bisschen später ((schnell)) jekommen, also alle kriege ich jetzt nicht I Ja, mmh

25

E: mehr zusammen, die stehen aber alle im German American. Die (haben wir) dann verfolgt und, und I:

Ja

E: n/haben wir dann Briefe geschrieben, wie’s jeklappt hat, also da steht dat alles drin. I: Ja E: Äh, wenn Se irjend wann mal mehr über diese Zeit in New York so wissen äh, wollen, ja, dann

30

I:

mmh, mmh

E: können Se da mal in, ins Exilarchiv gehen und da gucken, ja? I: Ah ja, mmh. E: Auch über dat Leben unter den Emigran/antifaschistischen Emigranten in New York und so, nicht? Äh, äh, und äh, ja, und das war ein russisches Schiff.

35

I: Mmh

31

Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

E: Denn die Amerikaner haben sich geweigert, uns - zurückzuschiffen sozusagen unter diesen Bedingungen, und das war wohl die einzige Möglichkeit, die se gefunden hatten. Das war ein ((stammelnd)) russisches Frachtschiff. I: Aha

5

E: Die waren nun nicht so auf so internationale Passagiere und so ausjerichtet, ja? Und da haben wir dann mit der Mannschaft jegessen und, und und so. ((Hustet)).Waren auch wochenlang unterwegs.. äh, äh, sind in Odessa dann jelandet. I: Mmh E: Äh, also übern Ozean und dann durchs Schwarze Meer und so ne. Äh, und äh, also irjend/ da kann ich

10

mich noch dran entsinnen, ich hatte vorher schon versucht, bisschen Russisch zu lernen in Amerika, als ich dat dann erfuhr, aber so weit war ich nicht jekommen, äh, und äh an eine komische I:

Mmh

E: Episode erinner ich mich, dass ich versuchte dann, mit den Matrosen da irjendwie in äh, ins Gespräch zu kommen, und da hab ich jesagt, äh, äh, ja cholodna. Können Se Russisch? Nee, nicht?

15

I: Sehr wenig, ich hab’s mal angefangen zu lernen. E:

Das heißt, ich bin kalt. Heißt, ich bin kalt.

I: Ja. Ja. E: Ich wollte aber sagen, mir ist kalt. I: Ja

20

E: Ja? Wat ja n bisschen n Unterschied ist. Haben die Russen so/Matrosen natürlich jelacht, bis, bis äh, I:

((schmunzelnd)) Ja

E: irjendwie mir erklärt wurde, dass, was ich da - Falsches jesagt hatte. Und dann äh, äh, war äh, also sonst von der Überfahrt war nüscht besonderes zu berichten, war nicht so, mmh, äh, also auf der Hinfahrt wars jemütlich, da hatten wir ne richtige Kabine, 1937 so auf dem Schiff, nicht? ((I: mmh))

25

Wenn auch wahrscheinlich zweiter oder/Klasse oder, weiß ich nicht mehr so jenau. Während hier äh, an dat Schlafen kann ich mich nicht erinnern, nur an das Essen. Also, es war nichts äh, irjend wat Komfortables dabei, aber auch nicht, dass man wer weiß wie gelitten hat. Aber viel Schnaps immer, weil die Russen doch furchtbar viel trinken. Und die konnten überhaupt nicht verstehen, warum Hans und ich überhaupt nicht jetrunken haben. Und haben immer wieder versucht, uns dazu zu überreden.

30

Und dann waren wir in o, Odessa jelandet, und zwar grad am 7. November. Det haben Se doch jehört, wat dat ist, nicht? I: Ja, E: Der - Feiertag da, nicht? I: Ja. Ja.

35

E: Und da konnten wir nicht an bo/äh, Land gehen, weil alle feierten. Mußten wir also noch irjendwie I:

Ja,

ja.

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

E: ein, zwei Tage warten, aber an - Bord haben se natürlich ooch gefeiert. Und da sollte ich nun als Jüngste irjendwie ooch wieder mit Saufen anfangen oder was. Und dat konnten se gar nicht verstehen, I:

Mmh

E: dass ich selbst da, selbst bei dem Feiertag mich jeweigert habe und so. Hab ich aber.. Äh.. also, äh,

5

dann äh.. Ja, und da, von da aus sind wir dann äh mit der Bahn, äh, ich weiß nicht, wie lange wir in Odessa waren, ne kurze Zeit, obs Tage waren oder eine Woche waren. Äh, ich kann mich nur entsinnen, äh, dass ich da so deutsche Kriegsjefangene, so .. auf der Straße hab arbeiten sehen. I: Mmh E. An mehr kann ich/auch nur n bisschen an diese – Gebäude, aber - es war alles ganz schön zerstört. Und

10

dann sind wir mit der Bahn nach Moskau - geschafft worden, kann ich mal so sagen, äh, war ja I:

Mmh,

mmh

E: alles schwierig, ne, gab ja keene diplomatischen Beziehungen, wer waren wir, irjendwelche Staatenlose, die da irgend wo wiederkommen, nicht? I: Mmh.

15

E: Äh, äh, da waren wir wohl ooch so ein zwei Wochen, und im Dezember kamen wir dann in äh.. in Berlin an. I: Mmh. E: Also die ganze Reise hat so um/beinah drei Monate jedauert, so mit allem Drum und Dran, ja, wochenlang unterwegs und dann da mal ne Woche und da mal ne Woche und so. Äh.. äh und äh, ich

20

glaub es war so Anfang Dezember. 1946. Das stand wie jesacht in all diesen/aber, aber all diese einzelnen Daten kann ich mir wie jesacht ooch nicht mehr so merken, gründlich. Wie jesacht, erstens ist es schon im Exilarchiv und zweitens haben Sie gesacht, ich soll nicht groß forschen und drittens habe ich immer tausend Dinge, die jaanz dringend sind, die ich alle noch vor meinem Tod erledijen will. I: ja.

25

E: Äh, und äh, und, und viertens kann ich mich nicht mehr so jut bewegen, ich kann zwar, aber dann tuts weh. Wenn ich zuviel rumrenne, ja? I: Mmh, mmh. E: Äh, mit n Rücken son bisschen was. Äh/ I:

30

Mmh. Aber mit den Daten das ist nicht so schlimm.

E:

Was?

I: Das ist nicht so schlimm mit den Daten, also einfach, wie Sie’s so erinn/wie Sie’s so erinnern, wie E:

Ja.. ja, ja, schön, ja.

I: Sie’s so erlebt haben. E: Die Daten können Se dann wenn Se wollen entweder in den tausend Büchern die da drüber jeschrieben

35

sind lesen oder, oder im Exilarchiv die Originale nachsehen ~ Von meinem Mann habe ich alles schon hinjegeben, ich hab mit denen verabredet, sobald ich’s schaffe, das is eine von den vielen Dingen, die ich vorm Tod noch schaffen will, is, von meiner Mutter, von Josef Berkiewitsch und von Günther und

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

von Harald Weiss/hab ich nur ganz wenig (I: Mmh), von meiner Mutter n bisschen mehr (I: Mmh), äh, von Josef Berkiewitsch noch n bisschen wenijer, und, und von den anderen nur mal hier und da irjend n Brief oder so. I: Mmh.

5

E: Also, das will ich da alles zusammenkramen, hab schon anjefangen damit, hab schon denen jesacht, falls ich sterbe, äh ich’s jeschafft hab, in dem und dem Schrank is es, ((schnell)) und meinem Sohn hab ich’s ooch jesacht, äh.. so dass et nich, dass die nich da suchen müssen.. Äh, dass nischt verloren jeht. Äh, und äh.. So. Dann sind wir also in Berlin anjekommen, und dann sind wir erst mal in ein Haus in der Waldstraße verfrachtet worden, ich glaub das war son, so ne Art äh, äh, Gästehaus der.. äh,

10

kommunistischen Partei, da gab’s ja noch keene SED. I: Mmh E: Äh.. Äh, also, da hatten wir ein winzijes Zimmerchen, mein Mann und ich, und das war son fürchterlich kalter Winter. 46, 47 & ich kann mich nur erinnern, dass, wenn ich wirklich mal - ne Socke jewaschen hab, dat die dann sofort im Zimmer erfroren is.

15

I: ((lacht leicht, beeindruckt)) E: Also, es muss so unter Null, Temperatur/Thermometer hatten wir nicht, also, muss wohl unter Null jewesen sein, ja? I: Ja. E: Und da hab ich natürlich so oft wie möglich/und wo man jegessen hat, da war es warm ja? Dann, so oft

20

wie möglich hab ich versucht/aber immer durfte man da ooch nich sein, und den Rest der Zeit hab ich meistens so, im Bett unter den Decken jelegen oder so, ja? I: Mmh. E: Also, war janz schön unanjenehm. Aber war nicht so sehr lang, und war ooch nicht deren Schuld, det war eben so ne Not-situation hier alles, nich, und so’n besonders kalter Winter. Äh, und dann schon im

25

Januar war/also, ich glaub, wir waren höchstens n Monat in diesen, in dieser Notunterkunft, schon im Januar haben wir dann ne Wohnung in Reinickendorf jekricht. I: Mmh. E: Da hat mein Vater n bisschen jeholfen, der hat überlebt, und zwar - hat er, nachdem meine Mutter/nachdem er von meiner Mutter geschieden war, hat er ne andere Frau jeheiratet, die war

30

I:

Mmh

E: Nichtjüdin.. Und.. da gabs ja in der Nazi/und dann hat er zwei Söhne jehabt mit der~. Und äh dann gabs I:

Mmh

E: ja in der Nazizeit so ne Regel, privilegierte Ehe nannten se das, ja?

35

I: Mmmh E: Also, wenn man mit ner Nichtjüdin verheiratet oder umjekehrt, äh, äh, ne Jüdin mit nem Nichtjuden, ähm, ab, ab m bestimmtem - Datum durfte man jar nich mehr heiraten, ich glaub 35, ich weiß nicht janz

34

Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

jenau, aber wer davor jeheiratet hat, der war so n bisschen privilegiert jegenüber andern & der wurde nich systematisch umjebracht oder so, nich? I: Mmh. E: Und besonders wenn man denn Kinder hatte, und die hatter auch nich äh jüdisch irjendwie da

5

eintragen la/er war ja auch schon längst ausjetreten, und so zählte er zu dieser Gruppe, ja? I: Mmh. E: Und hatte dann das Glück, dass seine Frau irjendwie n Häuschen hatte, und n kleenen Laden und. Also, soweit ich dat mitjekricht habe, er hat auch über sein Leben n Büchlein jeschrieben, müss/können Se ja auch mal nachlesen, äh, Walter Pelzmann, ich weeß nich, mein Leben oder irjendwie so ähnlich heißt

10

das. I: Ah ja. E: Ähm, äh und äh, hat da in der der Zeit von ihr jelebt, so, ja (I: mmh) die meiste/ hauptsächlich. Von dem, was sie einnahm und dann so, son bisschen zu Hause - rumstudiert und so, er durfte ja nirgends mehr ne, er durfte ja nich mehr lehren, an ner Schule (I: Mmh) oder irgend so was, ich glaube so hat er

15

überlebt. Die letzten Jahre mußte er dann äh, äh, da sollte jeder arbeiten, was er irgendwie so einije Jahre wohl jeschafft hat (I: Mmh) & ((schnell)) also erst mal hats n paar Jahre jedauert, bis se nicht mehr arbeiten durften und dann zum Schluß mußten se alle, und die Zwischenzeit hat er da irjendwie durch seine Frau überlebt (I: Mmh), und dann die letzten Jahre, das stand in dem Buch und hat er glaub ich auch mal erzählt, hat er zum Beispiel als Pfleger gearbeitet, und dann auch, zum Schluss in so

20

ner Fabrik (I: Mmh), aber das war für ihn ganz furchtbar, weil er son Jelehrter war, ja? I: Ja klar. E: Und hat sich auch viel drauf einjebildet. Und äh, ((abfällig#)) und nun plötzlich irjend so ne einfache Arbeit, und das Schlimmste für ihn war auch ((imitiert naives Staunen#)), dat die alle nicht mit ihm jesprochen haben, weil er doch Jude war, ne?

25

I: Mhm E: Die haben dann da jesessen und über irjend welche Sachen jelacht oder was, und er mußte da irjendwo alleine, also es hat ihn janz schön mitjenommen, so, nicht, aber immerhin/und die letzten Wochen hat er sich wohl versteckt, als es dann janz jefährlich wurde, also er hat überlebt, ja? I: Mmh

30

E: Und es gibt in Berlin ne ganze Reihe. Nich so Unmengen, aber ne ganze Reihe grade aus solchen Familien, so, ja? I: Mmh. E: Äh, sogar der, äh, äh, der Leiter der jüdischen Gemeinde in der DDR war so eener, wo irjendwie ein Elternteil Nichtjude war.. und äh, hab ich verschiedene so kennenjelernt, ja?

35

I: Mmh. E: Äh, die hier überlebt haben, aber beinah alle waren se aus solchen – Ehen, ja? Weil die anderen wirklich kaum Chancen hatten. Zwar wurde so in Deutschland nicht so systematisch umjebracht, da

35

Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

wurden se entweder dahin verfrachtet, wo umjebracht wurde, nach Polen, und vor allen Dingen haben sich von den deutschen Juden prozentual mehr retten können, als sagen wir in Polen oder so (I: ja.) weil se im Durchschnitt mehr Geld hatten, mehr Beziehungen, mehr Bildung, und das kam daher/hab ich irjendwie, ich weiß nicht, ob mein Mann mir das erklärt hat, oder woher ich das erfahren hab/weil äh,

5

zu der Zeit, als so die Juden hierher kamen, nur solche herjelassen wurden (I: Mh), die - entweder n Handwerk betrieben, war so ganz bestimmte (I: ja) Bedingungen~. Und äh, und äh, Gelehrte durften se damals noch nicht sein (I: mmh), also studieren oder so, aber so bestimmte Dinge, die mit Wirtschaft zu tun hatten, so, äh, was die Grundlage dafür war, dass dann die deutschen Juden im, im Durchschnitt äh, mehr Jeld hatten und besser - finanziell dastanden als in Polen, wo se beinah alle arm waren (I: mmh)

10

und in den ganzen östlichen Ländern (I: mmh). Und wenn man nun n bisschen Geld hat und bisschen äh Schule und und Verbindung und so hat, dann kann man sich n bisschen eher retten, nech? I: Mmh, ja. E: Äh, mein Vater, der ww, also, war immer n bisschen, naja, einjebildet, alles mögliche an Macken hatte der, und äh, war auch so von sich einjenommen und so weltfremd, dass er, schreibt er da in seinem

15

Buch, ja, mir hat er das nie erzählt, äh, dass er äh, sich scheiden lassen wollte von seiner Frau, mitten in der Nazi-Zeit, ja? I: Mhm. E: Irjendwie war se mal unhöflich zu ihm, oder irjendwie hat se mal ne Arbeit von ihm verlangt, die er nicht machen wollte, irjendwelche Nichtigkeiten, ja? Und da ist er zu som Anwalt jegangen, zu einem

20

jüdischen Anwalt, die ne gewisse Zeit noch - agieren durften, durften natürlich nur Juden beraten, und der hat jesacht, sind Se verrückt? Wolln Se Selbstmord begehen? Nur durch Ihre Frau können Se doch überhaupt überleben. (I: Mmh), Und da hat er endlich drauf jehört und hat det bis nach dem Krieg verschoben, ja? (I: Lacht). Äh, also solche Sachen hat der manchmal jemacht. Äh, ja. Wo waren wir jetzt? Jetzt waren wir in äh, in

25

I:

Sie

E: der Waldstraße (I: mmh), und dann waren wir in Reinickendorf. Da hat wie jesacht mein Vater n bisschen mitjeholfen, weil der, da war er nu von dieser zweiten Frau inzwischen jetrennt, ja? (I: mmh) Nach dem Krieg hat er sich scheiden lassen, und hat dann äh so eene Frau äh, ge, geheiratet. Er hat dann äh.. Vorträge gehalten, Volkshochschule und dies und jenes und Lehrer, alles mögliche jemacht,

30

und eine von den Schülerinnen, zwar nicht auf der Schulbank, ich glaub es war mehr in der Volkshochschule, denn sie war schon erwachsen, äh, sie war, ist, äh, ist, äh, sie lebt noch, 15 jeboren, sie war schon dreißig, ja? I: Mmh E: Also irjendwie war se dann so ganz, hat se dann so für ihn jeschwärmt, was er alles weiß und so, und

35

ihr Vater war Nazi jewesen, der war natürlich dagegen, aber sie hat trotzdem ihn jeheiratet. Und äh, und äh, haben se dann in Reinickendorf da ne Wohnung gehabt, (I: mmh), ähm, das war für Verfolgte des

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

Nazi-Regimes dann n bisschen einfacher ne Wohnung zu kriegen nach m Krieg, als für Durchschnittsmenschen, (I: mmh) nicht? I: Mmh E: Äh, und er hatte ja auch sonst keene Bleibe, zum Schluss war er ja von der eenen je-je- äh, jeschieden,

5

und und dann war er da illegal, also er hatte ja so nüscht, ne, nu also hat er da. Äh.. es kann sogar sein, dass er zuerst mit den Schwiegereltern, dass ich se kennenlernte, zum Weihnachtsfest 1946, da saßen da alle, weeß nicht jenau, ich/könnt sogar sein, dass se zuerst bei den Schwiegereltern jewohnt haben, mit dem Nazi zusammen (I: Hm!), wat denn nicht grad die richtige Kombination war (I lacht leise), aber der war schon son bisschen hinfällig, der konnt nicht mehr so viel protestieren, der Schwiegervater (I

10

lacht). Äh. Und äh.. da hat er dann äh im Lauf der Jahre noch zwei Kinder jekricht (I: Mh) Äh, die sind 49, äh, warte mal, ((rechnet leise murmelnd)) neunund/der Junge ist 49, wann ist sie denn? 47 und 49 jeboren, ja. Äh,.. aber die interessieren Sie ja nicht so sehr, wa? Obwohl se ja auch Kinder von Verfolgten sind, ne? I: ((gedehnt)) mmh

15

E: Also, die Irene, meine Halbschwester ist 47 jeboren, äh, die.. hat Französisch studiert und ist janz fanat/die war auf m Französischen Gymnasium in West-Berlin, ja, janz fanatische franz/FrankreichVerehrerin und so, Und äh, war dann hier. So in ner wissenschaftlichen Laufbahn schon so n bisschen in der DDR, äh.. äh.. so auf m Weg zur Dozentin und so aber, irjendwie wurden ja dann alle - abserviert, ne?

20

I: Mmh, mmh. E: Also, die, oder beinah alle, die in der DDR wat waren oder werden wollten. Und äh, äh, sie hat dann ne Arbeit jefunden bei Arte. I: Mmh E: Sender (I: mmh), ja? Fernsehsender. Und lebt jetzt seitdem in äh - Straßburg. (I: Mmh). Äh, und der

25

Reinhard, der 49 jeboren ist, der ist äh, ist auch so ne verkrachte Existenz jeworden, auch nicht, die die Irene, det ist ja, die ist ja wat - jeworden, äh, auch vielleicht in Bezug auf Jamie, meine Nichte, also der hat studiert, sehr sehr gut jewesen, Mathe und Physik, hat Mathe und Physik studiert so wie mein älterer Sohn, äh und äh.. und der ist dann abjehauen hier. I: Mmh

30

E: Weil er irjendwie nicht den Doktorvater jekricht hat, den er wollte, oder irjend so ne läppische Sache, ja? Politisch war er nicht irjendwie aktiv, der ist denn so, hat/der ist jeschnappt worden, ja, hat wohl 1 1/2 Jahre im Jefängngis jesessen und wurde dann freijekauft und hat dann ne janze Weile Westdeutschland, aber nicht als äh/obwohl er die Chance gehabt hätte, äh äh, da auch äh wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen, äh, aber der ist so richtig aus der Bahn jeworfen worden.

35

Aber nicht - durch die Wende, dat war schon vor der Wende, äh, ich weeß auch nicht jenau, woher det kam. Äh, war auch so n bisschen bockig und stur wie mein Vater. Also, das heißt, ist - immer noch, äh, mein Vater lebt nicht mehr, aber er lebt noch (I: mh). Äh, und die, sein älterer Stiefbruder, von der

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

zweiten Frau (I: mmh) von meinem Vater ja, der ist Mathematiker jeworden/ist so bisschen wat Mathematisches in meiner Familie/der ist Professor jeworden in Westdeutschland (I: mmh) nach dem Krieg, während der Nazizeit durfte er dann n paar Jahre nicht zur Schule gehen, (I: mmh) äh weil er Halbjude war und so, aber war er schon so halbwegs im Gymnasium jekommen ehe dat verboten wurde,

5

waren nur so zwei drei Jahre, die hat er dann nach dem Krieg aufjeholt, hat studiert hier an der Humboldt-Universität und ist dann nach Westdeutschland, ist da Mathe-Professor jeworden. Und der wollte dem Rainer, seinem Halbbruder helfen, als der dann da auftauchte, aber Rainer, der wollte frei sein und - äh, der hatte keene Lust ja. Und. Mal hat er irjend wie n bisschen Reparatur jemacht, mal dies und jenes, so von der Hand in n Mund jelebt. Und dann ist er sogar nach Amerika emigriert,

10

irjendwie nach jahrelangem Warten konnte er das. Aber da äh, da ist er dann so weit runterjekommen, dass er auf der Strasse jelandet ist, weil er auch immer, wollte wat Großes sein, und nicht so sehr dafür tun oder so. (I: mmh) Hat doch auch Chancen jehabt. Er hätte auch irjendwie wat werden können nicht? Ist so irjendwie äh.. also ich weeß ooch nicht, wat da die Ursache ist. Äh und äh ist dann aber - nach dem Mauerfall zurückgekommen (I: ja), weil er da auf der Strasse war und hier war Muttern, Vater

15

lebte/nee, nach der Wende lebte er nicht mehr, der ist 88 jestorben, mein Vater (I: mmh). Aber Mutter war noch hier, mit Haus und allem. Und da hat er sich wohl jedacht, na, ist besser bei Muttern unterkriechen ohne Miete zahlen als da auf der Strasse leben, nicht? I: Mmh. E: hat er erst so Mauer einjehauen und die Steine verkauft und so, äh und dann ist er bei ihr einjezogen,

20

als er sah, dat ist so von Dauer mit m Mauerfall, äh und hat aber da seitdem ooch keene - richtije Arbeit, ((gedehnter Singsang)) dann bohrt er mal nen Brunnen irjendwo, dann schreibt er mal – Jedichte und dann, äh dann erfindet er mal irjend wat Physikalisches (I: mh), irjendwie kommt er immer über die Runden (I: Mmh), ohne irjendwo anjestellt zu sein ja? (I: Mmh) Also wie der mal im Alter, kann sein dat der auch auf der Straße landet hier. Aber bis jetzt schafft er’s immer noch. Aber die Frauen, die äh,

25

die waren zwar immer begeistert von ihm, ((gedehnter Singsang)) sehr nett und und kinderlieb und alles so und schlau und so, aber wenn se dann so mitgekriegten, so auf die Dauer haben sich, da hat er dann so eine Jurastudentin (hier) jahrelang gehabt, aber die hat sich dann jesacht, nee, also, irjend jemand, der so gar nicht arbeit, und irjendwie, oder wenigstens nicht fest und irjend wie - hat se sich doch von ihm abjekehrt und nu ist er auch schon einige Jahre alleine, und ist ja auch schon äh, 49, äh,

30

also schon schon 54 (I: Ja, mhm) und so ja? jetzt wird’s langsam bisschen schlechter für ihn (I: mmh) so. Naja, aber bisher hat er noch nicht jeklagt, irjendwie erfreut er sich noch seines Lebens & so, dat is also die/der Zweig der Familie, äh, und die Edith Pelzmann, die letzte die er dann jeheiratet hat, äh, das war so ne gute Untertanin, die hat sich mehr jefallen lassen als meine Mutter, ja? (I lacht kurz) Die fand nüscht dabei, dat se nicht arbeiten soll, die hat so lange im Fleischerladen ihres Vaters jearbeitet, dat

35

war auch nicht so dat Beste, also, die hat sich jefreut, dat se versorgt ist, und dat er nett und schlau war und alle ihn bewundert haben immer und so. Also sie, sie fand das Leben gut so, so äh. I: Mmh. Mmh.

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

E: Naja, das war er, so und jetzt wo/wollen wer mal wieder zu mir zurückkehren äh kehren, äh, warte mal, wo waren wir jetzt? In, in Reinickendorf jelandet, ja, wo er auch son bisschen, äh, so so bisschen I:

Ja genau, er hatte Ihnen mit der Wohnung geholfen.

E: mitjeholfen hat mit Wohnung, und äh, aber zum Großteil wars auch wegen Verfolgte, ja, dat wir da

5

son bisschen bevorzugt wurden. Aber so wat Besonderes haben wir nicht jekriegt. Das war erstens mal nur zur Untermiete, (I: mmh) und zweitens, mit dem Heizen, dat klappte alles furchtbar schlecht, ich kann mich noch erinnern, dass andauernd die Toilette äh, zujeforen ist und dann n Rohr jeplatzt ist und so ja? I: Oh je.

10

E: Ja? War ja immer noch dieser Winter, 46/47, und dann hat die Frau jemeckert bei der wir da waren, und dann sollten wir nicht in die Küche, also, dat war nicht so det, det Beste, wat se uns da zuerst jeboten haben (I: mmh). Äh, äh und. Aber immerhin. Es waren zwee Zimmer für uns und und haben wir dann unsere Koffer erst mal als als Tische aufjestellt und und kann mich entsinnen, so noch noch von meiner Großmutter so ne große Kiste, äh wo se dann nach äh Amerika mit jezogen ist, die war

15

unjefähr so hoch ((deutet Maße mit den Armen an)) und so (I: mmh), die haben wir dann als Tisch jenommen (I: mmh) und und und so. Aber dann nach ner Weile haben wir dann auch Möbel jekriegt ((schnell)) auch mit Hilfe, das gab so ne Organisation, VDN, Verfolgte des Nazi-Regimes, äh, da haben wir dann so, äh, es gab ja noch nüscht, ja? I: Mmh.

20

E: Die haben dann irjendwie so/da haben wir dann so n Gutschein jekriegt, da war ein Schrank, ein Tisch, zwei Betten, und so wat dabei, eine Kommode, nich? (I: Mmh) Haben wir dann jahrelang n bisschen Möbel jehabt. Äh.. Äh, so, und dann ham/hat mein Mann hier anjefangen, äh, .. also erst mal hat er äh, äh äh hier weiter studiert (I: mmh) äh, ich weeß nich, glaube er hat da n Stipendium jekriegt erst mal so n paar Jahre obwohl er ja schon, ziemlich alt war als Student nicht? (I: mmh) Äh, fünf jeboren und da

25

war schon sechsund/äh, 41 war er schon (I: ja), aber sie haben ihm dat so anjerechnet, wat er überall schon studiert und jemacht hatte (I: mmh), Köln schon n bisschen und Paris und New York immer, und was er alles jeschrieben hat und und sie haben so n bisschen günstigere Bedingungen geschafft für Leute (I: mhm), die schon so allerhand jemacht hatten und und nun schon n bisschen älter waren und so. Also, dass es so nicht so sehr lang gedauert hat. Äh bis er dann äh abschließen konnte äh und hat dann

30

auch Doktor gemacht, und hat dann äh in äh Potsdam/es war aber sehr schwer für ihn alles, weil er doch. Naja, die Vorbildung war nicht so beste (I: mh), und und dann äh.. naja, also er hat ganz schön, und seine Krankheit und alles, er hat - sich ganz schön anstrengen müssen. Und dann äh hat er in Potsdam so ne, so ne.. weeß nicht, ob sich das Dozentur/wenigstens hat er Vorlesungen gehalten (I: ja), wie sich das jenau nannte weeß ich/stand auf all den Papieren, aber die Einzelheiten habe ich mir nicht jemerkt,

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ob s sich Dozent nannte oder so oder ob er da schon Professor war. (I: mmh). Und das war natürlich zusätzlich noch anstrengend, weil er dann dauernd da hinfahren musste. Äh, und zurück, ne und so. Ist ja auch stundenlange Fahrt und so (I: mmh). Äh äh, und dann hat er hier äh.. dann hat er an der

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

Humboldt-Universität wat jekriegt (I: ah ja), da kann ich auch nicht jenau sagen, ich glaub 51 oder so war das inzwischen. Mit Studium und Potsdam und so~(I: mmh). Und dann war er einige Jahre an der Humboldt-Universität, äh Professor für - neue Geschichte glaube ich nannte sich das.. äh und er hat sich im Laufe der ganzen Jahre und Jahrzehnte aufs 19. Jahrhundert spezialisiert (I: mhm), vor allen Dingen

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die 1848er Revolution. Da hat er schon in Amerika immer - so drüber jeschrieben, ne, auch über Deutsch-Amerikaner die da dran teiljenommen haben an der ((stammelnd)) Revolution (I: mhm) und so, äh und diese Spezialität hat er weiter ver/Spezialisierung hat er weiter verfolgt und äh hat dann so den Rest seines Lebens so, also sagen wir mal 19. Jahrhundert-Spezialist. Das war auch, war auch für ihn janz jut, da kam er nicht ganz so - viel in Kollision (I: mhm) mit den Behörden, ne, so, mit dem wat

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darfst du nicht schreiben und so, (I: mhm) det ist ja im 19. Jahrhundert nicht so – wichtig, als wenn er sagen wir mal über über die heutige Zeit hätte ((stammelnd)) jeschrieben (I: ja, ja). Insofern wars n bisschen leichter für ihn, nicht, hat er aber nicht deswegen ausjesucht. Äh, so, also das war so sein beruflicher Werdegang dann, ach, so später kam er dann zur Akademie äh der Wissenschaften, ab 56, da war er Abteilungsleiter.. und aber auch, äh ich glaube er war sogar auch Gründungs, ja

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Gründungsdirektor, Gründungsdirektor von äh Institut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften. Also, Sie müssen mich nicht so wörtlich nehmen, kann sein dass ich irgendwo mal n Teil des Namens nicht mehr so hundert Prozent weiß, ja? (I: Mhm) Äh, und da haben se ihn dann aber als Direktor abjesetzt, dann war er lange Jahre noch Abteilungsleiter, weil er nicht energisch jenug um/er war immer so gutmütig und so. Und er konnte dann äh äh die Leute nicht durchfallen lassen,

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wenn se nicht jenug wußten oder/er war nicht energisch jenug ja? (I: mmh) Und da, det fanden se nicht jut für n Direktor, da haben se ihn zum Abteilungsleiter jemacht stattdessen. Äh, hat ihn natürlich n bisschen mitjenommen, aber hat er sich mit abjefunden. Und äh ((schluckt, atmet aus)) ja, das war dann bis zu seiner Emeritierung mit 65, das war 1970, und dann von 70 bis 87 hat er noch jelebt, hat er erst so n, so n Honorarvertrag mit denen jehabt, hat er aber so gut wie keen Geld jekriegt. Nur so pro forma

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(I: mmh), irjendwat tausend Mark im Jahr oder irgend so was (I: mhm). Äh, hat dann andauernd für die noch jearbeitet und jeschrieben und jemacht, äh, und ((getragen)) Artikel und Bücher und und so, bis er dann 19-((leise überlegend)) 84, 84 fings an, im Kopp nicht mehr so, funktionierte, ja? (I: mmh) ((langsam)) Die letzten zwei, zweieinhalb Jahre äh hat er dann/war er so dement ja? (I: mhm) Er konnte n/wusste nicht mehr. Äh.. noch nicht mal mich hat er mehr erkannt. Dat war für mich/für ihn

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war det jar nicht schlimm. Aber, äh für mich war natürlich schw/((nachahmend)) wer sind sie? Sie sind immer so nett zu mir oder so hat er jesagt, ja? (I: ja) Weil wenn man mit jemandem 40 Jahre verheiratet is/(war, des) is is hart. I: Ja E: Aber er hat sich wohl jefühlt, öh.. ((nachahmend)) ich kann so schön inne Sonne sehen und sone

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Sachen hat er dann jesagt, ja? (I: mmh) Hab natürlich alles für ihn jemacht hier, nicht, essen und alles (I: mmh), er braucht sich/konnt sich ja auch um nüscht mehr kümmern. Und er war immer der Meinung, dass er noch arbeitet, ja? Obwohl er schon n paar Jahre nicht mehr jearbeitet hatte. (I: mmh). Und da is

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er/dann is er eines Tages jestorben. So, also das war so sein Leben. Äh und äh.. ach so, sein politisches Leben, ja, also äh irjendwie war det doch sehr schwer für ihn, diese/wie det so mit der SED sich weiterentwickelte, ja? (I: Mmh) Ääh, mmh äh, also äh.. verfolgen Sie so n bisschen die politischen Dinge?

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I: Mmh, ja. E: Äh, na zum Beispiel. Er durfte oft in den Westen fahren (I: ja) äh, für Forschung. So irjendwo ins Archiv sich setzen und so was, ja? (I: ja) Äh und dann musste er immer ((dramatisch)) Berichte darüber schreiben, ((gespielt gequält)) da hat er immer jejammert: hach Gott, wat schreib ich denn nun, wat wollen die denn nun schon wieder wissen und und musste dann (sogar denken), ja, dat darf ich nicht

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erwähnen und und, also det war ne große Qual für ihn, aber, aber sie ließen ihn nur fahren, wenn er dann hinterher auch äh/dat musste innerhalb von drei Tagen, (I: mmhm) in – zehnfacher Ausfertigung und dat hat ihn immer fürchterlich - jeärgert, und und aber irjendwie fand er nischt, wat er dajegen tun kann nicht? Äh.. naja dat war so so/und politisch, na ja, dat war so, sein politisches und berufliches Leben, dat war so dann am Ende so eins, ja (I: Mmh), (hat er) an irgendwelchen Sitzungen der SED-

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Mitglieder der Abteilungen teilgenommen und so, also so große Funktionen und so hatte er dann nicht mehr, war wahrschei/wär auch zu viel jewesen für ihn, hätt er nicht jeschafft, das war ja so ne Kraftanstrengung für ihn, aus dieser Vergangenheit heraus dann den ganzen Anforderungen zu genügen, nicht? I: Mmh.

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E: So, und ich jetzt äh.. äh ..äh äh, ich hab dann äh 47, nee, oder war s, ich glaube es war, ja Anfang 47 an der Humboldt-Uni anjefangen Biologie zu studieren (I: aha), weil ich ja, ich hatte ja in dem Forschungsinstitut, det war ja ooch allet so Biologie und Chemie (I: mh) und ich dachte ooch det interessiert mich, und da hatte ich auch n bisschen mehr jelernt in der Schule als so Physik und so ne Sachen. Äh, und.. det hab ich son paar Jahre studiert und dann hab zu Chemie jewechselt, weil mich det

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mehr interessierte, war damals noch ziemlich leicht son Wechsel (I: mmh)..Äh.. ich hab s aber nicht bis zum Ende jeschafft, ich hab so - Zwischenprüfungen und allet mögliche jeschafft, aber nicht zum Ende, aus verschiedenen Gründen~. Erstens mal.. war meine Vorbildung scheinbar doch nicht gut jenug. Also zum Beispiel mussten wir alle Russisch lernen. (I: ja) Und da fingen die an so mit der ganzen Grammatik, die ich so gut wie nie jelernt hatte, ja. Ja bilden se dat und dat in dem und dem Fall und so, und denn

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musste ich erst mal, wat is n der Fall, oder so, nicht? Im Laufe der I:

Ja, das ist schwer, mhm.

E: Jahre hab ich s dann von meinen Söhnen jelernt, ne (I: ja), aber, das war zum Beispiel eine Schwierigkeit. Dann äh, dann Physik. Äh äh baute vieles auf Physik auf, wat ich jar nicht jelernt hatte, nicht? (I: Mmh) Und dann war auch ne jewisse Schwierigkeit, dass alles mir äh so fremd war hier ja (I:

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Ja), also die ganzen Sitten und alles ja? Äh, und äh, dann wurde ich auch sehr krank 1950, bekam ich Schilddrüsenüberfunktion, ja? (I: mhm). Äh, ich vermute, e-erstens mal die ganzen psychischen

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Belastungen, man kennt das & heutzutage sagt man, wie heißt dat noch mal? Ne ganze Weile nach einem fürchterlichen Ereignis.. tritt das dann, is son bisschen.. I:

Mhm, so, ne posttraumatische – Belastungsstörung.. das ist (so der) Begriff.

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E: Posttraumatische. Ja aber det, ja ja det tritt manchmal erst Jahre hinterher auf, ja? (I: mmh). Das kann mit die Ursache jewesen sein, es kann aber auch sein, Schilddrüse hat ja ooch mit Jod und all solchen Sachen zu tun & in New York haben wir - doch äh am Meer jelebt und Fisch und so wat jehabt (I: mmh), während s hier dat jar nicht gab, (I: ja) Ja? War doch so ne Notsituation nach dem Krieg, das kann mit dazu beigetragen haben, ich weiß nicht, was alles die Ur/es war jedenfalls sehr schlimm ich

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war so dünne, können Se sich bei mir jetzt gar nicht mehr vorstellen, konnt kaum mehr die Treppen rauf (I: mmh), also da musst ich dat Studium unterbrechen ne Weile, äh.. aber dat haben se dann hinjekriegt. Haben operiert hier äh, an der Schilddrüse und dann war dat so wieder janz jut, nach ner Weile (I: Mmh). Hat ne Weile jedauert, äh, ja und dann hab ich jedacht, na irjendwie, janz allmählich musste ja auch mal ans Kinderkriegen denken, eh ich zu alt, und vor allen Dingen mein Mann zu alt ist,

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nicht? (I: mmh) Er war ja/mein äh ältester Sohn ist 52 jeboren (I: mhm), da war er ja schon 46, nicht, äh und äh er wollte auch, wir wollten auch ganz gerne Kinder, vorher war immer alles mögliche wat dagegen sprach, nicht? Äh.. ja all diese Gründe zusammen jenommen haben dann dazu geführt, dass ich’s nicht bis zum Ende jeschafft habe, ja? (I: mhm). Äh, und ich hab dann äh äh hier in so nem physiologisch-chemischen Forschungsinstitut jearbeitet, bei Professor Rappaport, äh das war son

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Institut, was da irjendwie zur Universität jehörte (I: mhm), äh physiologisch-chemisches Institut der Humboldt-Universität und äh da auch so auf mittlerer Ebene, so n bisschen ähnlich wie in Amerika, n bisschen mehr konnt ich ja inzwischen durch det Studium und so. Äh.. dann hab ich da äh jahrelang gearbeitet. Und dann äh, ich weiß nicht mehr, was da die Ursache war, nach einigen Jahren habe ich da aufjehört, ((langsam, leicht gequält)) äh, ich glaub mein Mann war krank und, und mit den Kindern war

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auch so viel zu tun und – so verschiedene Gründe. Und dann wurde ich auch irjendwie haben se mich immer unjelerntere Arbeiten machen lassen, am Ende durfte ich dann bloß noch die Gläs/die die Reagenzgläser säubern, also alles zusammen hat mich/äh hab ich dann da aufjehört, ja? (I: mmh). Äh, und dann hab ich Übersetzungen gemacht. Äh, erst von wissenschaftlichen Texten, äh, vom Englischen ins Deutsche ja, so naturwissenschaftliche Texte, wofür ich ja dann so die Voraussetzungen hatte,

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fachlich und so, und sprachlich, äh aber, dat hat auch nicht ewig jedauert, weil ich denen zu langsam/ich hab immer/ich bin immer son gründlicher Mensch, ich will immer alles ganz richtig machen und so (I: mhm). Und dieses janze Gründliche/und waren immer mit der Qualität zufrieden, aber es hat denen immer viel zu lang jedauert, ja, die wollten det von heute auf morgen haben und det konnte ich nicht über mich bringen ehe ich det so richtig/dann musste ich da noch nachsehen, wie ist da

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die Nuance und so (I: ja), also, det hat nicht geklappt, auf Dauer nicht. Ne Weile lang gings gut~ äh.. und wat war dann? Dann hab ich mal, weil mir nüscht anderes mehr einfiel als Hilfsschlosser jearbeitet, ich bin auch ziemlich jeschickt und so (I: aha), weil es hier um die Ecke war, so ne Fabrik, äh, dat war

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auch son paar Jahre lang.. äh, und dann hab ich äh.. dann hab ich anjefangen, so bisschen in der Vergangenheit rumzu-wühlen, zum Beispiel mit dem Güntert zusammen (I: mmh) hab ich Josef Berkiewitschs Biographie, als der dann starb, 1965 ist der jestorben, hab ich ihm jeholfen, so äh überall, da hab ich zum Beispiel äh über hundert Leute interviewt, hab so.. mit seinem Leben anjefangen (I:

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mhm) und irgendjemand den ich kannte, sagen wir aus der Zeit in Essen oder aus der Zeit in Paris oder so, und den hab ich dann gefragt, wer war da noch (I: mh) und wo ist der jetzt und so. Hab ich immer mich so weiter durchjefragt und.. die Dinger hab ich sogar noch hier, die kommen dann auch mit ins Exilarchiv (I: mhm), hat die F/Leiterin schon jesagt, ja, dat interessiert sie. Hab ich so über hundert Leute, die in der Emigration waren, oder vorher auch den Josef Berkiewitsch jekannt haben, äh,

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interviewt & fielen auch viele Informationen über meine Mutter ab, aber hauptsächlich über Josef Berkiewitsch, weil eben dessen Biographie jeschrieben werden sollte, und hab/bin zu denen hinjefahren äh und hab - n Loch in Bauch jefragt. Das erste, wat die immer so jesacht haben, war, dat ist doch gar nicht interessant und dat wissen doch alle. (I: lacht kurz) War aber gar nicht der Fall, ja, det dachten die immer bloß, ja? Und waren meistens schon ältere Leute, s war ganz gut, dass ich det jemacht hab, ja?

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Können nun irjendwie die nachlesen, wat hat der und der da und da drüber jesacht. (I: ja). Äh hab auch an Leute jeschrieben, die nicht in Berlin waren, oder, sagen wir mal, wenn s in der Nähe von Berlin war bin ich auch mal hinjefahren, aber irgendwelche in Amerika, kann ich mich zum Beispiel entsinnen an den Oskar Maria Graf, haben Se von dem mal jehört? I: Mmh

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E: Is son äh Schriftsteller so, aus der Weimarer Zeit (I: ja), der nach Amerika emigriert ist (I: mmh), ich konnt mich entsinnen dass der - immer viel da bei den Deutsch-Amerikanern war, und - da hab ich ihm mal jeschrieben, da hat er mir seine Erinnerungen so, mal so auf/(irgend) nen Brief jeschrieben, nicht (I: ja). An die Anna Seghers hab ich mich auch jewandt, aber die hat auch nur brieflich jeantwort/die war so beschäftigt, ja (I: mmh), äh, ich ich weiß bloß noch eins, wat se geschrieben hat, das ist ooch in den

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janzen Interviews drin, ja, da werden die sich wahrscheinlich freuen, ja, denn irjendwie von Anna Seghers, da freuen se sich ja, bei solchen berühmten Leuten, da freuen se sich über jeden Brief, ja? I: Mhm, mhm. E: So bei dem Heinrich Mann Brief da hat se, hat sie sich auch sehr jefreut, die Exilarchiv- Frau. Also, ich kann mich nur an eenen Satz erinnern, den se da geschrieben hat.. Er liebte/wat war dat?.. die

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Menschen und die Frauen oder irjendwie so. So, hat sich so zweideutig ausjedrückt (I: aha), weil er sehr großer Frauenfreund war, ja? (I: aha) Josef Berkiewitsch. Und sie wusste dat, und wollte aber nicht irjendwie, dass dat so gedeutet wird, dat se da böse/wat Böses über ihn sagt, ja, hat se s so formuliert. Äh, ja.. und vor allen Dingen seine Vergangenheit, ich hab seine Schwester aufjegabelt (I: mmh), die lebte noch in Polen, und konnte nur ganz ganz schlecht Deutsch. Da hab ich so - ein zwei jahre mit ihr

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korrespondiert, hat se/hab ich jesacht, sie soll alles schreiben, wat se aus seiner Kindheit noch weiß, sie war älter als er, (I: mhm) und äh hat sich noch an allerhand interessante Sachen erinnert. Kennenjelernt hab ich se glaub ich nicht, nee. Und dann irgendwelche Leute, die in Essen mit ihm äh je-arbeitet/und

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beim/vom proletarisch-revolutio/Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller, also, so wat kam mir n bisschen nützlicher vor als da als Hilfsschlosser, weil det ja auch jemand anders machen konnte. (I: mmh). Äh, äh ja wat hab ich dann?.. (Alle möglichen) solche Projekte, ich hatte immer irjendwelche Projekte, mal sehen (I: mhm), ob ich mich noch an irjend was erinnern kann, außer dieser Güntert-

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Sache (I: mhm).. ((atmet tief aus)), warte mal … ((leise)) Meine Mutter/ja, dann hab ich mal ne Weile lang n bisschen in meiner Familie rumjeforscht, dat war für nichts Bestimmtes, nur so, um mein Interesse - zu befriedigen, da hab ich äh äh, da hat/wurde immer in der Familie erzählt, dass äh dass Heine irjendwie da ne Rolle spielte (I: aha). Und einige Dinge wusste ich noch, wat se gesagt haben, und zwar, er hat ja wohl keine ehelichen Kinder jehabt, so weit ich weiß. Wissen Sie das?

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I: Heine? E: Heine. Heinrich Heine. I:

Ja, keine Kinder, nein.

E: Also, dass wir von seiner Schwester abstammen ja, und das hab ich dann auch irgendwie rausgekriegt, ja, das hat auch gestimmt (I: mh). Äh und dann hab ich dann so mir aufjeschrieben, die janze, ((klopft

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zu den Worten jeweils auf den Tisch)) der und des und die Kinder und so weiter äh, also, aus Spa/n bisschen aus Spass n bisschen so, äh, die Sachen werde ich dann auch mitliefern, glaube ich, wenn ich da über meine Mutter (I: mhm) äh det l/äh so äh äh.. äh, ja.. Ach, bei der Margot Hirschfeld war ich übrigens auch als ich äh die Interviews machte. Haben se von der mal jehört? I:

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Ah ja.

Ja

E: Die [...]1 Margot, die die hier ((nennt öff. Amt)) war? Ja? I: Ja. Ja. E: Äh, die hat mich natürlich nur vorgelassen wegen - früher. Sonst war se ja.. sehr unzugänglich und, und sehr beschäftigt und so, sie war da noch im Amt, ja, det war so, in den 60er Jahren (I: mhm), glaub ich war das, als ich se interviewt habe, auch/war auch nur einmal da, aber sie hat mir allerhand

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interess/((schnell)) über Josef Berkiewitsch wusste se nicht so viel, über meine Mutter hat se allerhand/weil, äh.. äh, äh.. meine Großmutter Margot.. Weiss (I: mh) war ne geborene – Cramer.. und und eine Generation weiter zurück, da war Hirschfeld ja? Also, hießen se Hirschfeld. & Die Margot/Sophie Weissens Großmutter, dann Hirschfeld (I: aha) ((schnell)) so janz jenau weiß ich s jetzt nicht mehr. Und, und dann so n Seitenarm und deswegen und da kamen die Hirschfelds (I: mmh), also

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se hatten irjendwie jemeinsame Vorfahren, ja? (I: mhm). Äh, der Mann von der Margot Hirschfeld, ja? I: Alfons. E: Alfons, nicht sie. Sie ist ja nicht jüdisch und so. Oder war nicht, inzwischen is se auch tot (I: mhm). Äh, äh also der Alfons Hirschfeld und meine Mutter waren so irgendwie so Großcousins oder so was, ja? (I: mmh) Äh, und äh, äh aber sie mehr miteinander zu tun, als dat äh man Großcousin war, äh in Hamburg

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und in diesen Familien war dat sehr üblich, so sehr mit Familie und so, die hatten sich als junge

1

Im Zuge der Anonymisierung musste hier eine Auslassung erfolgen.

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Mädchen kennejelernt, sie war so etwa in dem Alter meiner Mutter, wissen Sie zufällig, wann sie jeboren ist? Ich glaub so etwa um die 1900, wa? I: ((holt Luft)) ja, also ich weiß es nicht genau, tut mir leid. Aber so ungefähr. E:

5

Ja, also sie waren so etwa, ob da n paar Jahre mehr oder

wenijer weiß ich nicht mehr jenau, äh und äh die haben sich dann, spätestens dann, als sie den Alfons geheiratet hat, vielleicht schon vorher, weiß ich nicht jenau, wahrscheinlich erst dann, denn sonst jehörte se ja nicht zur Familie (I: ja) und wenn dann so irjendwelche Feiern waren und so & haben sich schon so als junge Mädchen kennenjelernt. Und haben sich dann beide zu Kommunistinnen ja äh äh.. entwickelt, nicht? (I: mhm). Und hatten dadurch Kontakt, ja? Und ich bin erst drauf jekommen, dass se

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auch später noch Kontakt hatten, weil ich beim Durchsehen der äh Sachen von meiner Mutter eine Karte fand, die meine Mutter nachdem se hier ankam 1946 schrieb an an Margot, die war da noch nicht so unerreichbar, ja? (I: mmh) 1946 wußte/konnt man ihre Adresse scheinbar noch äh leicht rausbringen/Ah, liebe Margot/die hieß ooch Margot, meine Mutter hieß ooch Margot, ja? (I: mmh), äh, ich bin wieder zurück aus der Emigration und wie jehts dir, und so, also dadurch wußt ich dass se sich

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kannten, ja? (I: mhm) und da hab ich mich dann so auf die Suche jemacht. Also all so/möglichen solchen Leute hab ich dann so aufjestöbert, ja? (I: mhm) äh, also sind sehr viele bekannte Namen und/beziehungs/oder Leute die Josef Berkiewitsch gut kannten und so, dabei. Also deswegen, als/die Leiterin vom äh Exilarchiv war hier, hat selber die Sachen ausjesucht, weil se nicht unbedingt alles von Hans haben wollte, wollte Fotokopien nicht und ich wusste nicht, ich konnt das nicht so genau

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beurteilen, was ist wichtig genug ins Archiv, deswegen hat se dann mal so drei Tage hier verbracht (I: mmh). Das war zwischen/Anfang vorigen Jahres, ja, äh um um auszuwählen, was ich nu einpacken sollte und so. Äh.. naja, dat war so eine Sache die ich dann so ne Weile jemacht hab, mal sehen, wat war denn noch? ... ((stöhnt)), mir fällt jetzt nicht ein, waren noch so n paar Projekte a/weil ich mich jetzt nicht intensiv drauf vorbereitet hab, also äh äh, weil Sie det jesagt haben (I: mhm) und weil ich so

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viel andere dringende Dinge habe (I: mhm). Äh äh, zum Beispiel, eines der dringendsten ist zum Beispiel, die ganzen Sachen noch zum Exilarchiv zu schaffen äh ich sterbe nicht? (I: mhm, mhm). Und ne andere Sache die auch n bisschen dringend ist, ist Münzsammlung, die ich nach äh nach der Wende anjefangen habe, zum Teil um meine/ich erzähl dann noch von meinen Kindern (I: ja), zum Teil um meinem jüngeren Sohn später n bisschen Unterstützung noch zu gewähren weil der Wert ja zunimmt

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mit den Jahren, nicht, und zum Teil weil’s Spass machte. Äh, hab ich nach der Wende äh Münzen anjefangen zu sammeln, und zwar nicht diese, äh, diese äh, die man so ex/die immer so extra rausjegeben werden (I: mhm) bei nem bestimmten Ereignis (I: mhm), wie heißen die noch mal? Hab ich jetzt wieder vergessen. I: Heißen die nicht einfach Sondermünzen? Oder so?

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E: Ja, Sondermünzen. Die nicht, sondern die Kursmünzen (I: ja). Die haben mich insofern mehr interessiert, erstens mal hat man se leichter jekriegt, bei jedem Einkauf und so (I: mhm). D-Mark, ne. Hab ich jesammelt, Euro hab ich au-aufjehört, da äh, weil ich da schon zu alt war, um überall rum zu

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su/äh rennen und weil’s grad/war grad so der richtige Zeitpunkt, ja? Ähm, äh, und äh es machte doch allerhand Mühe und dat war mir dann zu viel, noch mal mit dem Euro anzufangen. Äh und äh.. ich äh hab eigentlich das meiste so aus m Umlauf und der Gert hat mir mal welche jebra/irjend wie n paar/dieser oder jener hat mal wat beijesteuert, und was dann noch fehlte, dann hab ich immer so die

5

Sätze, äh, weil s dann ja mehr Wert hat, wenn man so ganze Sätze hat, nicht? (I: mhm) Und äh allet so, auch - Kataloge mir besorgt und jeguckt, und. Und wenn irjendwo eins fehlte oder so, weil manche Sachen waren ja so n bisschen seltener, dann bin ich in ne Münzhandlung jegangen und habs dazujekauft, ne? (I: mhm) Und die will ich nun dem Gert mitgeben, weil er finanziell nicht so gut äh dran ist, äh und hab se jetzt äh ins/das war eine meiner Projekte im letzten Jahr, äh im letzten Jahr hab

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ich die in Koffer jepackt, achtzehn Koffer sind da voll jetzt (I: ui) mit, äh, mehr oder wenijer groß, also nicht alle so richtig groß, aber zum Teil~. Äh, alle sortiert und Listen jemacht und so und nun det nächste ist, dat se zu ihm/muss die Listen noch ins Reine schreiben, dann muss et zu ihm in die Wohnung, nicht dass wenn ich hier plötzlich sterbe irjendwie, irjendwie fremde Leute vielleicht hier, dat se - noch wegkommen, ne? (I: mhm). Äh, also lauter so ne Dinge habe ich noch vor (I: mhm, mhm),

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die ich unbedingt noch erledigen muss ne? So, wo war ich n jetzt mit meinem Werdegang? Äh, ach so, dat waren so alle möglichen Dinge, die ich machte (I: ja). Ja, politisch hab ich am Anfang der Zeit/hab ich so allerhand Funktionen gehabt, so, in der Sozialistischen Einheitspartei, in der Sektion Chemie und so äh, so kleine Funktionen, mal so ne kleene Gruppe jeleitet oder mal f/kassiert und dies und jenes, aber dann so, äh, die letzten Jahrzehnte war k/doch kleine Sachen hab ich auch/Kassierer war ich mal

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oder so, aber irjendwie so janz dolle Lust hatte ich nicht mehr, und war auch, nicht mehr/es hatte nicht mehr so viele überschüssige Kräfte, also hat so n bisschen nachgelassen auch, ja, meine – Aktivität. Aber ich hab noch oft so ne Sachen gemacht, entweder im Haus mal was repariert (I: mhm), wenn was kaputt war so äh ..am ge/Treppenjeländer, irjend so was, oder äh.. äh.. ((murmelt)) was n noch? Irgendwas ist mir jetzt entfallen, irjendwas wollte ich doch noch erzählen, was ich so jemacht hab.. Na,

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hab ich jetzt vergessen. Also ich hab immer versucht mich irjendwie nützlich zu machen (I: ja). Ach ja, dann musste ich auch viel, äh meinen Söhnen auch allerh/vor allen Dingen dem Gert/ja, jetzt will ich mal von denen n bisschen erzählen. (I: ja) Hab ich von mir?/ja, fachlich hab ich bis in die heutige Zeit erzählt, beruflich, politisch, ja jetzt kommen mal die Söhne dran (I: mmh). Also der Michael ist 1952 jeboren, Gert 1955. Michael is äh sehr intelligent, äh, hat auch Mathe und Physik studiert, wat so in

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meiner Familie ((stockend)) so irjendwie scheinbar so bisschen Begabung liegt, hat n Doktor mit 22 schon jemacht (I: mmh) äh, und äh, dann hat er .. doch sich zu viel/äh, wo hat er da zuerst jearbeitet, warte mal.. 22, 52, 74, äh.. irjendwie so am mathematischen Institut oder so, der Uni, und dann hat er immer zu viel politisch den Mund aufjemacht, ja? (I: mhm). Irjendwas äh nicht richtig jefunden und so. Äh, keene großen Aktivitäten oder/aber irjendwie haben se ihn dann so.. mehr oder wenijer

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rausgeschmissen, was eigentlich nicht so oft vorkam in der DDR, denn Arbeitslosigkeit so richtig gab s ja nicht (I: mmh) in der DDR. Aber es war dann doch so, dass mein Mann ihm helfen mußte, die nächste Arbeitstelle zu finden (I: mhm). Und irjendwie bei den Mathematikern hatte sich det so

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

rumjesprochen dat er n bisschen zu viel die Lippe riskiert und dann hat mein Mann ihn unterbringen können, in der Humboldt-Forschung, was ja also eigentlich mit Mathematik kaum was zu tun/so gut wie nüscht zu tun hat, aber vielleicht kannte mein Mann da welche. Äh, also im äh, das war glaube ich an der Akademie der Wissenschaften so ne Arbeitsstelle, die sich mit Alexander von Humboldt befasste.

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Und äh mein Sohn Michael hat dann da äh äh be-besonders.. Humboldts Russlandreise bearbeitet (I: aha). Äh, weil er n bisschen Russisch jelernt hatte und weil det grade jemacht werden mußte oder so, ich weiß nicht so. Und da hat er so n paar Jahre mit zujebracht. Warte mal, wat war da noch?.. Ja, und dann/((leiser, überlegt)) aber eigentlich ist dat doch erst .. 84 erst, aus der DDR, wat war denn da noch dazwischen? War da noch ne zweete Ar/dritte Arbeitsstelle? Ein Jahr hat er auch mal nicht jearbeitet,

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dat hat aber nüscht mit Politik zu tun jehabt, als er äh n Sohn jekriegt hat (I: mhm), da hat er ein Jahr Hausmann jemacht, ja? (I: mhm) Das war in der DDR möglich (I: mhm), entweder Frau oder Mann, ja? Und die Frau wollte nicht und er wollte (I: mhm), und da haben wir ihm natürlich äh bisschen zuje/äh geben und so, so weit ich weiß hat er da kein Geld jekriegt, war/blieb aber Anjestellter, ja (I: ja), so wars wohl, ja. Er blieb anjestellt, rausschmeißen durften se ihn wohl nicht deswegen, aber äh, aber äh

15

zu dritt war det ff..äh von seiner Frau nicht jenug Geld. Äh, ich weiß jetzt nicht, irjend so ne Arbeitsstelle war noch, ich glaube mein Mann musste zweimal helfen, ist mir aber jetzt bisschen entfallen (I: mhm), auch irjend so wat was nüscht mit Mathematik zu tun hatte, (I: mhm). Äh, und äh.. und er hat wohl sich/das hat er mir erst später erzählt, doch dann so n bisschen organisiert gegen, gegen DDR Regierung, also det hat/er hat wohl Angst jehabt ich petze oder so. (I: mhm): Äh, und äh dann äh..

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ja, und und und äh irjendwie im Rahmen seiner, seiner Humboldtforschung war er auch mal in Moskau irjendwie ne kurze Zeit, äh aber.. das hat keene so ne große Rolle jespielt (I: mhm). Äh und dann seine andere Entwicklung, er äh, durch dieses (gegen) war er/gegen DDR, also gegen nicht DDR als ganzes aber so gegen bestimmte politische Dinge äh sein, hat er, hat er beschlossen fromm zu werden. Und zwar fromm jüdisch. Was ja bei mir/meine Mutter war schon ausjetreten, ich hatte nie wat mit

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Frommsein zu tun (I: mhm) äh und äh, mein Mann war ja evangelischer He/war auch ausjetreten, war auch Atheist, äh und äh, ich hab mal jefragt, wie biste denn bloß dazu jekommen? Und da hat er mir erklärt, ja irgendwo muss man ja dazugehören, also ich hatte den Eindruck, dadurch, dass er son bisschen verfolgt wurde, nicht richtig einjesperrt oder so, äh äh hat er sich son bisschen ausjestoßen jefühlt und wollte irjendwo dazujehören, ja? (I: mhm) Das war so seine Erklärung damals, warum er

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nun fromm jeworden ist. Und dann hat er sich auch sehr viel so in frommen Sachen engagiert hier und hat dann den Antrag gestellt, auszureisen und hat dann wohl ne janze Weile gebraucht, is aber legal ausjewiesen/äh ausje/wahrscheinlich, äh äh, damals wollte er Rabbiner werden (I: mhm) und ich hab den Eindruck, dass die DDR keene Lust hatte, dass dat irjendwo in der Welt an die große Glocke jehängt wird, dat jemand der Rabbiner, was ja in der DDR unmöglich war, nicht gelassen wurde, ja? (I:

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mhm). Ich glaub das ist der Grund warum se die Erlaubnis jegeben haben, ja? Auszuwandern. Das war 1984. Ähm.. äh, warte mal, das war so seine politische und religiöse Entwicklung, und dann, ach so, äh, seine persönliche hier.. Er hat erst eine äh Nichtjüdin jeheiratet, äh und er war ja auch erst Atheist

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

((räuspert sich)), war erst gar keen Problem, äh und hat da auch een Sohn jekriegt, ähm.. Tim, 1978 jeboren, äh, und dann, als er so fromm wurde, die Frau wollte nicht fromme Jüdin werden, erstens hatten die Eltern nüscht/so vom Hintergrund nicht und war Athe/sie war auch Atheistin und die Eltern waren sogar noch in der Kirche und so, und da äh, haben se sich dann so halbwegs friedlich jetrennt (I:

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mhm), äh, weil es nicht mehr passte, so unjefähr, ja? Äh, und äh, dann hat er ziemlich schnell ne andere kennenjelernt, äh und die äh auch aus m Emigranten äh Haus stammte, Gabriele Goldstein. Haben Se von der mal jehört? Die ist Schriftstellerin. I: (…) ja ja. Ja. E: Deren Eltern waren wohl in England und waren auch so.. gegen die ganze DDR-Entwicklung, obwohl

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se ursprünglich Kommunisten waren und wohl auch noch waren bis zum Schluss, aber eben.. diese Entwicklung nicht - gern wollten, und äh insofern passte det zusammen, ja, dass sie ooch/sie wollte ooch ganz gern wieder so n bisschen fromm/und als Frau alleene, im Judentum, die sind so n bisschen/also meiner Ansicht nach sind die Frauen da n bisschen diskriminiert, der Michael, mein Sohn wird dat natürlich bestreiten, nicht? (I: mhm). Also, weil alle frommen Sachen machen doch bloß die

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Männer und so, nicht? Äh, ich hab sie mal gefragt, ob sie sich da nicht je/nöö, sagt se, na, wenn die det so, dat is eben so einjerichtet, also, hat sich damit abjefunden so (I: mh), findet das nicht ganz so schlimm. Sie ist auch nicht so fromm wie er. ((Schnell)) Also, wenigstens, die beiden haben sich zusammenjetan, äh und äh, das war schon/ das war in der DDR-Zeit noch, ja? (I: mhm). Also er ist ja erst 84 ausjereist und der Sohn ist schon 78 jeboren wann jenau, warte mal, der andere, von der ersten

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Frau ist 76, ((murmelnd)) Moment mal, jetzt muss ich mal nachdenken.. der/nee, der Tim ist, der Tim ist 78 jeboren, von der ersten Frau, ja so war es, ja. (I: mhm). Äh also, det war so vielleicht 1980 oder so oder 1981 oder so, als er da die - zweite dann äh kennen lernte. Und die hat aber dann auch Bedingungen jestellt. Also erstens mal, äh, sie hatte schon einen Sohn, einen unehelichen Sohn, nur wenn er, wenn er, wenn er sie heiratet und wenn er den adoptiert. (I: mhm). Also, sie wollte nicht so ne

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unsicheren Sachen, hatte se scheinbar schon so einige hinter sich oder so äh, sie wollte vor allen Dingen mit dem Auswandern und so wollte sie dann, dat das irjendwie so seine - legale Basis/und er hatte nischt dagegen, er war ja auch geschieden inzwischen, äh, und da hat er den adoptiert. Der war aber 76 jeboren, ja so war es, ja, der Sohn von der - Gabriele, von der Eli, nennen wir sie immer. Äh. Ja, dann haben die jeheiratet, dat war äh auch son Drama hier, es war überhaupt son Drama mit Michael

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Jüdischwerden und meinem Mann (I: mhm). Also, mein Mann konnte das überhaupt nicht vertragen. Ich stand immer auf dem Standpunkt, jeder soll äh auf seine Art glücklich werden. Ich war zwar nie fromm und bin s auch heut nicht, aber wenn er det unbedingt will, soll er det machen. Aber mein Mann sa/äh stand auf m anderen Standpunkt. Er fand das also völlig unangebracht, dass/bei der Erziehung und dem Hintergrund, dass man dann plötzlich fromm w/er war ihm ganz ganz böse. Und äh n paar/unjefähr

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drei vier Jahre haben die also kaum was miteinander zu tun jehabt, äh, da hat Michael ihm n Brief jeschrieben, und dann, wenn da dann Goldstein druffstand, also er hat den/ihren Namen anjenommen (I: ach so, mhm), ja, weil äh, erstens mal wollte er, weil mein Mann so dagegen war, wollte er deswegen

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den Namen nicht mehr haben und dann weil sie schon n bisschen bekannt war als Schriftstellerin, wollte sie den Namen nicht abjeben (I: mhm), und so verschiedene so ne Grün/weil sich Goldstein mehr jüdisch anhört, wollte er so, ((sehr schnell)) aus verschiedenen solchen Gründen ha/is/hat er sich Goldstein/das war in der DDR auch, also sie hatten so einige so ne fortschrittlichen Gesetze in der

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DDR, manche hatten se sogar – vor Westdeutschland, ja? Zum Beispiel mit den hom*osexuellen und so ja? (I: mh) Da waren se früher dran, dass se irjend wat nicht mehr als illegal erklärten und so. Es gab mehrere Gesetze hab ich beobachtet, die erst in der DDR, so fortschrittliche Gesetze, äh, die erst in der DDR und n paar Jahre später in Westdeutschland, weil die nicht schlecht dastehen wollten sozusagen (I: mh) beim Vergleich, nicht? Äh, also er nannte sich dann Goldstein, und wenn dann so n Brief mit

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Goldstein hier ankam, dann wurde mein Mann so wütend, dass er also gar nicht jeantwortet, den hat er zurückjeschickt oder, äh ..also äh also ich wusste/dann hab ich mal versucht zu vermitteln, erst wollte mein Mann jar nicht, dass ich mit ihm n Kontakt hab, ich sag, nee, dat kannste mir nicht verbieten. Dat äh.. dat jeht weiter. Und irjendwie zum Schluss äh waren wohl noch so n paar Kontakte, aber so richtig ins Lot is dat nie mehr jekommen. Das konnte mein Mann nicht – verkraften (I: mhm), und ich bin

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eijentlich froh, dass meine Mutter es nicht mehr erlebt hat, die hätte es wahrscheinlich ooch nicht verkraftet. Wer sich selber so losjesagt hat und, und so mit Überzeugung Kommunist jeworden ist, so, und dann soll alles plötzlich wieder rückwärts gehen? So haben die des empfunden, nicht? (I: mhm) Ich, ich ooch n bisschen, aber, aber, ich sag wenn er det so will, wenn er das glücklich ist, soll er s so machen. Äh, also irjendwie hat det meinen Mann und ihn so n bisschen entzweit dann zum Schluss, ja,

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(I: mhm), die letzten Jahre. Äh, mein Mann hat den Enkel auch nur ein einziges Mal jesehen, irjendwie bevor Michael dann abjereist ist und so (I: mh), ist er hier noch einmal/ist er mit dem kleinen jekommen, äh.. so. ((leiser, überlegend)) Ach nee, warte mal, nee dat war der.. na jetzt bring ich wat durcheinander, dat war der (zweete), dat war der Sohn von Gabriele und Michael, den er nur einmal jesehen hat, den anderen, der, der, der äh ..78 jeboren ist, den hat er doch einije/da war er ja noch, noch mit der/wie heißt

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se jetzt noch mal? Christiane war die erste Frau, ja (I: mhm). Die, äh, mit der hat er sich sehr gut vertragen, und die waren ja dann auch - aufm Grundstück/ach davon hab ich gar nicht erzählt, dass wir n Grundstück hatten, ja. Äh, wo war ich n jetzt? Ach bei Michaels Entwicklung, ja. (I: mhm). Also er ist dann.. erst hier in die Jüdische Gemeinde gegangen, hat dann Eli kennengelernt und so hat das immer weiter entwickelt, wurde er immer frommer und frommer, und am Ende wollt er also nun noch

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Rabbiner werden. Ich hab ihm sehr davon abjeraten, nicht weil ich gegen äh.. ich bin ja n bisschen gegen die jüdische Religion, ich hab ihm gesagt, det schaffste nicht mehr, wenn du jetzt schon als Erwachsener erst damit anfängst, wat andere von Kindesbeinen an so intus haben, ja? (I: mhm) Äh, und er ist es dann auch nicht jeworden, ich weiß nicht ob mein Rat wat je/oder ob einfach die Umstände so waren, äh, und äh.. äh, ja. Und die Jüdische Gemeinde hat ihm überhaupt nicht jeholfen, bei der Aus äh

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Ausreise. Die haben ihm zur Antwort jegeben, wir sind doch keene.. Reise äh agentur. Also, das fand ich ja auch ganz schön frech ((I lacht)), anstatt dass se ihm irjend so ne Empfehlung schreiben oder irgend wat geben, ja? (I: mhm) Hätten se doch machen können, der will Rabbiner werden, lasst ihn raus

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(I: mhm), haben se nicht den Mut jehabt, ja, obwohl se wahrscheinlich im Innersten det nicht so schlecht fanden, nicht? Aber haben se nicht den Mut jehabt. Und ick äh, so wie ich das sehe, ist er eigentlich deswegen ((getragen)) ohne.. große Probleme rausjekommen, ohne Jefängnis oder irgendwas, weil se eben Angst vor der Weltöffentlichkeit, das ist meine persönliche Meinung, ja, hatten, so, och

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Gott da will eener, die, die lassen ihn nicht wegen der Mauer, und so, nicht? (I: mhm). Ja, und da hat er sie also jeheiratet, das muß so 82 oder so jewesen sein, und 83 ist dann ein Sohn von den beiden, also er hat zwei - leibliche Söhne, ja? (I. mhm). Den einen hier mit der Christiane vorher, die nicht jüdisch/die ist Musiklehrerin (I: mhm), isse bis heute noch, ja? (I: mhm). Hat wieder eenen Freund schon ewig, nicht verheiratet, sehr viele Leute heiraten nicht hier. Und det nimmt zu, auch im Westen (I: mhm), aber

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hier sinds noch mehr. Und die haben ooch wieder n Kind zusammen, also ooch glücklich jeworden und so äh, aber äh, und die haben dann noch mal einen, der heißt Ruben. Der ist 83 jeboren, ja (I: mhm). Äh, also noch hier jeboren (I: mhm). Während der Tim, der ist hier geblieben, bei seiner Mutter, bei der Christiane, ja, bei der, von der er jeschieden ist, ne, äh und äh, erst hat er mir auch immer erzählt, n paar Jahre lang, dat ist gar nicht mein Sohn. Sage ich, wat is n dat für, für ne verrückte Sache, weißt doch

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jenau, dass s dein/ja, es würde so, wenn de Mutter auch jüdisch ist und irjend so, aber irjendwie von diesem ganz Fanatischen ist er inzwischen n bisschen abjekommen (I: lacht).. ((amüsiert)) und ist sein naturwissenschaftliches Denken wieder/hat wieder die Oberhand jewonnen, ja (I: mhm), trifft sich regelmäßig mit dem wenn er auch mal hier zu tun hat und so (I: mhm). Dat war so die erste Zeit (I: mhm), da hat er s n bisschen sehr übertrieben. Äh, aber er hat sich nie vor igendwelchen

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Unterstützungen gedrückt oder, oder so, ja, hat auch sogar, wenn er in die DDR kam in der Zeit, hat er immer bei denen jewohnt sogar, ja, bei Christiane (I: mhm) und deren neuen Freund und so. Weil der war ja noch n Kind damals, n kleines Kind zuerst, nicht?& Die ersten Jahre durfte er nicht. Wenn man äh äh raus –ging (I: mhm), dann durfte man Jahre (I: ja)/ich weiß nicht genau, ob dat fünf Jahre/so ne bestimmte Jahreszahl, die hab ich nicht so im Kopf, wie viel Jahre das waren. Aber es war noch äh, er

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ist ja 84 raus, und äh irjendwie war det glaube ich noch vor der Wende, dass er hier, äh dass er hier einige Male war und dann immer da schlief statt hier (I: mhm), weil er mit meinem Mann verkracht war, nicht, aber wir haben uns dann jetroffen und ich bin auch mal da hin jefahren und so. Also mit der Christiane und so, so halbwegs friedlich. Zuerst war wohl n bisschen/ war se natürlich jekränkt und dies und jenes. Aber. Dann, als jeder n wieder neuen Partner hatte (I: mhm), dann äh, wurde das friedlicher

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(I: mhm). Äh und äh finanziell hat er sich nie jedrückt, also dat war so seine religiöse Meinung, aber er wusste natürlich, was er als Staatsbürger für Pflichten hatte, da hat er nicht s Schlechtes jetan. Äh.. ja, und dann hat er/durfte er also 84 ausreisen. Mit - der Eli, mit der Gabriele Goldstein und mit dem Ruben, ja, (I: mhm) mit dem gemeinsamen Sohn. Weiß ich noch, wie ich se da zur Grenze/ich durft se nicht zum Zug bringen, nur bis sozusagen bis vor de Kontrolle, war so ein, ein Jahr alt, ne (I: ja), der

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Kleene, ne. So, und dann in äh waren se erst einije Monate in Frankfurt, mussten se wohl noch einijes regeln, äh, äh sein Ziel war Straßburg (I: mhm), da ist er auch gelandet, weil da so eine spezielle Jeshiwa war, Jeshiwa ist so eine fromme jüdische Schule, ja? (I: mhm) Normalerweise gehen die/alles,

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beinah alles nur für Jungs, ja? Äh, gehen die Jungs da ich glaub so ab dreizehn oder so hin. Äh, da lernen se dann soweit ich weiß allgemeinbildende Sachen und - janz viel Religion (I: mmh). Und da hatten se ne spezielle Jeshiwa die für Leute die erst im Erwachsenenalter zum Judentum (I: ach ja) entweder zurückjekehrt oder überjetreten sind oder so, ja? (I: mmh) Und das hatte er/da hatte sogar die

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Tante Marie noch geholfen. Äh irjendwie/ich konnte auch nicht helfen, ich kannte die ganzen Leute nicht und wollte es auch nicht so besonders, ich dacht vielleicht, wenn ich nicht helfe, vielleicht kommt er doch noch davon ab oder so. Da hat er mal an die Marie jeschrieben, also meine Tante in Israel (I: mmh), und die kannte da son paar Leute die da wieder jemanden kannten und so hat sie n bisschen geholfen obwohl sie schon sehr alt war, äh.. da, dass er da an diese Jeshiwa in in Straßburg kam, ja? (I:

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mmh) weil er ja erst als Erwachsener fromm wurde und er hatte doch - viel zu lernen, ne? Und äh, da ist er dann, also 84 waren se noch einije Monate in Frankfurt mehr so organisatorisch so, Frankfurt am Main und sind dann nach Straßburg und da wurde ihnen dann auch allerhand jeholfen so mit Wohnung finden und so denn man muss ja Bürge haben für/hat er mir erzählt und, und sie hatten keenen nicht, äh Eltern oder sonst wen der da bürgen, nicht da hat wohl äh die Jeshiwa jebürgt oder so. Dass se auch ihre

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Miete zahlen, ja? (I: mhm) Äh und äh .. da hat er dann jahrelang da studiert und een Stipendium nachm andern sich irgendwo organisiert. (I: mhm) Und äh dann hab ich mal zu ihm jesacht, weißte, musst aber langsam auch mal dran denken, ne feste Stelle, du kannst ja nicht dein Leben lang äh, wirste gar nicht schaffen, immer Stipendium und vor allen Dingen Familie und so weiter nicht, äh hat er dann auch einjesehen und schein/und wahrscheinlich reichte das auch erst mal zum Nachholen. Was er da jelernt

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hat, und dann hat er ne Arbeitsstelle jekriegt, bei der ist er seitdem, seit wann issen das unjefähr? Ich glaub erst 91 oder so, also viele Jahre war er da hauptsächlich Student an der Jeshiwa, und hat mal n Artikel jeschrieben, mal dies und jenes dazuverdient, aber hauptsächlich von Stipendien und von wat Eli son bisschen verdient hat. Übermäßig viel ist das glaube ich nicht aber alles zusammen hat wohl jereicht. Äh, äh und äh, so ungefähr seit 91 ist er .. der Leiter des Archivs für *Name* in - Karlsruhe (I:

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mhm). Äh hört sich groß an, Leiter, aber es sind nur wenige Anjestellte da (I:mhm). Äh, also die sammeln so alle diese Unterlagen von den Gemeinden und und (I: ja) n Archiv eben nicht? (I: mhm). Obwohl er ja von Archivwesen direkt nicht so - Ahnung hatte, aber er hat ja viel immer geforscht bei den verschiedensten Dingen die er jemacht hat und von meinem Mann kannte er das n bisschen und hat n kluges Köpfchen und. Und vor allen Dingen viel Auswahl hatten die ja auch nicht. Die wollten

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unbedingt n Juden haben, dat engt schon mal die .. Auswahl ein, dann sollte er natürlich Deutsch können, da können se auch nicht unbedingt so (allerhand) Amerikaner nehmen oder so: Äh und er sollte ((leichter Singsang)) nicht zu jung, nicht zu alt, und alle möglichen Bedingungen und er erfüllte die alle, während andere äh andere vielleicht n Archivstudium aber, aber hatten alle möglichen anderen Dinge nicht und deswegen haben se ihn jenommen, nicht? Äh und äh, seitdem ist er da und ist auch halbwegs

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zufrieden, obwohl er hätte, er hätte auch sone wissenschaftliche Laufbahn machen können, Wenn er nicht so fromm jeworden wär, ja? (I: mhm) Also vom Köpfchen her, ne? So haben sowohl mein äh Halbbruder wie auch mein Sohn, obwohl se beide wirklich sehr schlaue Köpfe haben, irjendwie sich dat

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n bisschen selber verpfuscht so, wat zu werden, ja? (I: mhm) Also was Großes zu werden. Aber er ist zufrieden damit, das einzig Schwierige ist, dat die Familie in Straßburg lebt. Äh also da sind dann äh da hat er ja den Adop/hat Elis Sohn von vor der Ehe, und dann n gemeinsamen Sohn, hatten se also die zwei Söhne und die sind dann da äh zur Schule jegangen, auf so ne Schule wo man auch Judentum lernt

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aber auch alljemeine Fächer (I: mmhm), dis, in Frankreich gibt’s das mehr als hier, ja, weil da auch viel mehr Juden leben, nicht, und sie wollten eben beide, er und Eli, dass se auf so ne Schule gehen, obwolh se dafür bezahlen müssen, ja, is so, ich weeß nicht ob das so halbprivat, so ganz jenau weeß ich das nicht, ich glaub es wird auch n bisschen von der Staat unterstützt. Äh also da haben dann beide so ihre Schulzeit absolviert, nicht, äh, und als er dann diese Stelle kriegte, da war also der, der Sebastian von

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der Eli der Sohn, der war 1976 jeboren war also schon 15, der war natürlich völlig verwurzelt da, war mit (I: mhm), war mit ihr 1984 hinjekommen, wat hab ich jesacht, 76, 84, also war er so ungefähr acht als er wegging und war dann 15, hat er ganz wichtige Jahre da jelebt, er konnte zwar Deutsch, weil se immer Deutsch zuhause jesprochen haben, und auch die Oma, Elis Mutter, die sprach mit ihm Deutsch, wenn er sie mal besuchte, äh, aber er war natürlich - im Grunde jenommen war er Franzose jeworden (I:

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mhm), Und der Kleine natürlich noch mehr, der ist schon mit einem Jahr hinjekommen, nicht? (I: mhm) Da müssen se sich sogar Mühe geben dat er noch äh bisschen dat Deutsch kann, nicht? Äh also das ist so ein äh der wichtigste Grund warum die nicht mit nach Karlsruhe gezogen sind, nicht? (I: mhm) Und dann hat er da ne kleine Wohnung in Karlsruhe seitdem und pendelt seitdem immer hin und her. Äh Wochenendehe sozusagen. Aber er konnte es organisieren äh dass äh.. äh äh dass er den Freitag auch

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frei kriegt (I: mhm). Weil er doch so fromm ist und da muss man doch den Freitag, ab wenn’s dunkel ist und so weiter, ne (I: ja klar) Äh und äh das/und äh dann arbeitet er in der Woche immer so bis acht Uhr abends oder so, er macht schon seine ganze Arbeit, die gemacht werden muss, äh aber er kommt, er ist dann Freitag Sonnabend Sonntag da & er fährt Donnerstag abend los von Karlsruhe ((leiser, überlegend)) äh ich glaube mit m Auto oder jetzt fährt er neuerdings/ ja, sie wollte wohl in letzter Zeit

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jetzt das Auto haben, ich glaub jetzt fährt er mit dem Zug. Er fährt auch nicht so gern Auto. Fährt er mit dem Zug nach Straßburg und dann ist er Donnerstag abends da äh äh und dann den ganzen Freitag, Freitag macht er den ganzen Großeinkauf für de Familie. Äh, also er muss sehr ran, ja? Schon immer, seine beiden Frauen haben ihn immer alles machen lassen, ja? (I: mh). Ist nicht so n altmodischer Mann wie mein Mann und Josef Berkiewitsch und diese ganzen Generationen (I: mhm). Äh und dann eben

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dat janze fromme da, Freitag und so, und lernt er Talmud mit mit de/mit irjendwelchen Leuten äh und alle solche Sachen macht er da. Und inzwischen sind die Enkel also erwachsen, äh der Sebastian äh hat, wat er n studiert? So irjendwat mit Kultur und so. Der lebt inzwischen, der ist ja inzwischen schon 27, lebt in Paris und macht da Übersetzungen und Filmfestivals und so, hat mit Deutschland kaum mehr was zu tun, außer das er vielleicht mit den Eltern noch Deutsch spricht. Und der is auch nicht so fromm

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jeworden, Ich glaube, das hängt damit zusammen, erstens dass Eli nicht so wirklich fromm ist und zweitens dass er mit der Oma noch n bisschen mehr zu tun hatte und die überhaupt nicht fromm war, das war auch ne Kommunistin, Elis Mutter, nicht? Und auch Elis Vater, äh, während der Kleine son

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bisschen frommer ist & ich seh die ja sehr selten, die laden mich wenig ein, äh wenn Michael hier in Berlin ist kommt er besuchen aber, aber da .. äh zu diesen großen Feiern war ich einjeladen, äh äh wie heißt dat noch mal? Bar Mizwah (I: mhm), ja. So mit dreizehn, ja (I: mhm), da haben se mich jeweils einjeladen, aber - eigentlich ziemlich wenig so. Und äh der Ruben der ist 83 jeboren und ist inzwischen

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schon 20 &Abitur und so und dann äh dann äh wollte der auch auf so ne Jeshiwa gehen. Aber nicht in Straßburg, die wa/zur Wahl stand Israel oder USA (I: (mhm). Äh und ich hab ihm dringend zu USA geraten, weil in Israel doch so viel geschossen wird und so, nicht? (I: mhm) Er woll/er ist aber nach Israel gegangen, weil seine janzen Schulfreunde da hin, dat is scheinbar so üblich in diesen – frommen Kreisen, dat man zwischen Schule und Beruf dann irjendwie so einije Jahre dann auf der Jeshiwa

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verbringt. Aber er ist aber nach einem halben Jahr schon wieder zurückjekommen, weil so viel jeschossen wird. Also hat ihm doch nicht jefallen (I: hmh). Und nun ist er in Straßburg und studiert erst Psychologie und jetzt Geschichte. Michael sagte neulich am Telefon & hat er mich neulich anjerufen, ja hoffentlich.. bringt er das zu Ende. Also irjendwie ist der noch nicht so ganz reif oder so obwohl.. ich weiß nicht, also, irjendwie, aber wird schon was aus ihm werden. Also das ist so die ganze Story. Und

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Eli äh, sie schreibt, sie malt auch, ja? (I: mhm) Und.. so. Wo waren wir jetzt? Dat war Michael, jetzt kommt Gert noch n bisschen dran, also der is. ssehr erfolglos kann ich nur sagen. Ähm, er hat äh Schule bis zur elften Klasse und es war dann doch, wär wohl erlaubt jewesen, Abitur, aber es war ihm doch zu schwer, ((leicht gequält)) er musste so ackern um seine Zweien und so zu kriegen, auch hier und da mal ne Drei, und da hat er/haben wir alle zusammen konferiert und dann ist er dann auf die, mh wie nannte

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sich das noch mal? Irgendwie Institut für Lehrerbildung. Er wollte Unterstufenlehrer und Erzieher und so was werden (I: ah ja). Da hat er die theoretischen Fächer zwar geschafft, aber is so n ähnlicher Typ wie mein Mann, er konnte sich bei den Kindern nicht durchsetzen. Die haben immer dann, wenn er son Praktikum und so in den Lehrstunden und so, (da) auf den Tischen rumjesprungen und so, er war so, hat überhaupt nicht jetaugt für die Praxis ja? (I: mhm). Und da hat er denn auch keene Arbeitsstelle

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jefunden weil dat ja nicht der Sinn der Sache ist äh und äh dass die Kinder nicht tun m´wat man sagt und da hat er dann bei Volk und Wissen Verlag so.. ((langsam)) äh jearbeitet, so.. im Büro so.. technische Arbeiten ((räuspert sich)) und überall waren se unzufrieden mit ihm. Er hat/war zu langsam ((I: hm)). Äh irjendwie, er wollte auch immer alles so ähnlich wie ich so allet gründlich und jut machen und det war, hat immer ewig jedauert ((I: hm) . Und dann wollten se ihn da nicht mehr haben und dann

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kam er an ((überlegend)) IPW.. Institut für .. ich weeß nich mehr jenau irgend son Wirtschaftsinstitut, wat so bisschen politisch anjebunden war auch so ne/ah da hat er wohl im Archiv jearbeitet. Hat dann noch Archivassistenz, son Lehrberuf nachjemacht, hat ihm aber auch ganz schön Mühe jema/kostet, hats aber jeschafft, und dann wollten die ihn ooch nicht mehr haben. Weil er zu langsam und.. nicht selbständig genug und. Alle möglichen Dinge hatten se an ihm auszusetzen. Und da wussten se gar

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nicht mehr wat mit ihm anfangen. Und dann haben se jesach/äh haben se ihn jetestet äh und haben ihn dann äh erwerbsunfähig geschrieben (I: mhm). Ähm ((schluckt)) er ist äh zwei Jahre lang haben se ihn jetestet, musste er immer da n Test machen und da ne Probearbeitszeit und und dann alle möglichen

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handwerklichen Sachen die hat er auch immer zu langsam und zu unjeschickt gemacht und und die theoretischen Sachen und und ((stammelnd)) irjendwie all war wat auszusetzen & und sie hatten in der DDR ne Regel, wenn jemand nicht ein Drittel von dem schaftt, was n Durchschnittsmensch schafft, dann muss man ihn Invalide schreiben (I: mhm). Und det war bei ihm der Fall, ja? (I. mhm) Obwohl,

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meiner Ansicht nach, also er nicht superintelligent, so wie Michael oder Rainer oder so aber äh irjendwie auch nich, irjendwie besonders doof oder so, aber er hat/ ist all diesen Anforderungen des Lebens nicht jewachsen, ja? (I: mhm). Woher das nun kommt weiß ich nicht, vielleicht daher, dass mein Mann so alt war, vielleicht liegt s einfach an seinen - Natur oder so. Keene Ahnung, woher er das hat, ja? Aber er wurde dann erwerbsunfähig jeschrieben und isses seitdem. Das war 1986. Da war er 31

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so ja, ehe se durch, diese janzen Arbeitsstellen und alles absolviert haben, muss alle paar Jahre da mal & prüfen se mal wieder ob sich’s jebessert hat oder so da muss er zu irjendso nem Nervenarzt und der fragt ihn dies und jenes so und schreibt immer wieder. Aber, wat er nu jenau hat, dat ham wir nie rausjekriegt ja? (I: mhm, hat er nicht erzählt?) Wird aber auch mit dem Alltagsleben schlecht fertig, ja? Wenn da die Nachbarn/er hat ne eigene Wohnung, ((aufgeregt)) wenn die Nachbarn an ihm

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rummeckern, ja wat soll er da sagen dat se nicht böse sind oder wenn n Handwerker kommt und äh, so die ganzen Beziehungen zu anderen Menschen machen ihm irgenwie furchtbare Schwierigkeiten (I: mhm). Mein Mann war da ja auch nicht besonders gut, aber besser als Gert. Äh na ja, und der lebt einfach so ja, macht seine Wohnung, dann geht er viel zu jüdischen Sachen, er ist nicht fromm, aber er geht zu den jüdi/zur jüdischen Gemeinde, weil er äh, erstens weil Michael (det), und er will ja nicht so

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die Beziehung zu Michael verlieren und dann vor allen Dingen weil er ja nicht nur zu Hause sitzen kann, da wird man ja verrückt (I: ja), wenn man nur zu Hause sitzt, nicht? (I: ja) Das ist dann immer so ein Ziel mal n Vortrag bei, in der jüdischen Gemeinde mal n Fest, oder, oder irjendso was ja? (I: mhm) Und dann einmal im Monat kommt er in letzter Zeit her um mir also irjendwelche Sachen die mir bisschen schwer sind äh zu machen & einkaufen - lass ich mir so bringen (I: ja), da muss er nicht

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regelmäßig kommen, ja, dann muss er mal zum Arzt mal zum Friseur, so dies und jenes, also äh, seitdem arbeitet er nicht mehr, ja, seit 86 schon. Er ist sehr unglücklich darüber und er hat auch keenen Erfolg bei den Frauen, weil die ooch immer ((hustet)) hat er jahrelang versucht, alles Mögliche, auch so Anzeigen und alles, hat keinen Erfolg bei den Frauen. Im Gegensatz zu Michael, um den haben se sich immer jerissen. Weil die Frauen, die wollen immer jemanden der erfolgreich ist, ja? ((I lacht kurz)). Er

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kann nicht Auto fahren, er kann nicht handwerken, so n bisschen so ähnlich wie mein Mann und er kann keene tollen – Reden schwingen und. Er ist n netter Mensch und wird mit Mühe so mit dem Alltag fertig, aber mehr auch nicht, ja? (I. mhm). Er hat gute Ideen manchmal, macht auch mal Vorschläge oder so aber ne Frau will eben mehr ne (I: mh), und dadurch wollen se ihn nicht. Also er ist sozusagen wie man so sagt ein Versager und ist sehr unglücklich da drüber. So das waren die Söhne, bis wohin

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war ich mit mir jekommen & wollen wir nicht mal wat essen? Bis wohin waren wir? I:

Ja, gerne, Sie haben ja vielleicht auch Durst oder so.

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E: Ja. Äh, bis wohin waren wir mit mir jekommen? Mit der Arbeit waren wir bis zum Ende jekommen, mit dem politischen, vielleicht dann n bisschen dat Alltagsleben noch so, ja? I: Ja, vielleicht könnten wir dann einfach noch mal ein bisschen zurückgehen, dass Sie noch mal so sagen, wie sie verschiedene Sachen so erlebt haben einfach. So.

5

E: jaja, also so mein mein Familien- und Alltagsleben mit meinem Mann, so, diese Sachen haben wir noch nicht, aber sonst haben wir det. Ich glaube es, ist bisschen spät schon, nicht? Wird Zeit, dass wir n bisschen was essen. I: Ja machen wir ne Pause, gern. E: Gut. Machen wir ne kleene Pause, ja.

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[Gerät aus] I: Also, ja, wie war das denn da? E: I:

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In Holland? Ja, können Se sich da noch so n bisschen dran erinnern?

E: Also, die Sache mit den Fahrrädern hab ich schon erzählt, wa? I: Nein. E: Haben Se vergessen. Hab ich das nicht erzählt? Dat da, dat da so ne Werkstatt war wo die Jungs so aus drei alten Fahrrädern zwei jebastelt haben? I: Nee.

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E: Weil se ja nicht jenug Geld hatten für alle Schüler, es sollte ja jeder Schüler n Rad haben (I: mh). Und dann haben wir immer so abjesteckt, wo wir hin wollten ja? (I: mhm) Holland is ja ziemlich flach, und nicht so sehr groß und dann haben wir so überlegt wo wir mal hinwollen, mal nach Hilversum oder mal an de Küste und so und dann kam da son Fähnchen und dann wurden die ganzen Vorbereitungsabeiten jemacht. Dat wichtigste woran ich mich erinnern kann is dat jeder sein Rad hatte. Und dann haben se, in

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Holland wird ja sehr viel Rad jefahren, haben se irjendwelche ollen Räder einjesammelt und so und haben dann in der Werkstatt so/an dem war det Rad noch jut, an dem war die Klingel noch jut und an dem war dat Jestell noch jut und haben se so eben äh welche zusammenjebastelt, die gut fuhren. Und dann sind wir da zusammen mit dem Lehrer so ne ganze Klasse jefahren. So von Ort zu Ort, ne und irjendwo in Jugenherbergen geschlafen und so, haben die Landschaft kennejelernt und die Leute und

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die Geographie n bisschen (I: mhm) und so. Und äh det war so einmal im Jahr oder vielleicht auch zweimal, weiß ich nicht mehr so genau. Dat war so eine Tätigkeit. Dann kann ich mich an diese, an diese Töpferwerkstatt erinnern, dat hab ich so gerne jemacht ja. Also da, da hat man so als als so, wie so ne Arbeitsgemeinschaft oder so (I: mhm), ja, so nachmittags konnte man dann da hingehen und unter Anleitung ne Vase basteln oder so. Und äh gegessen habne wir glaube ich in dem Schloß, unten waren

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da so ne großen Räume äh.. mit großen Tischen und so~ An die Einzelheiten des Essens kann ich micht nicht erinnern (I: mhm), ich weiß bloß dass irjendwie ich zufrieden war. Und geschlafen haben wir in diesen .. ziemlich einfachen Häusern äh die früher so für die Dienstboten waren vielleicht auch für die -

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

Tiere, weiß ich nicht genau, die waren so in dem Schlossvorplatz links und rechts, und äh, ja da hatten wir so unsere Erzieher und am Ende des Gangs waren also Bad und Dusche, aber so äh.. warte mal, wat war noch? Fußball haben wir viel jespielt, ich war immer Torwart, also da haben wir det, hab ich dat Frauenfußball schon mal fuffzig - oder sechzig Jahre vorgezogen (I: ja, lacht) (oder 76) äh hat mich

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nicht jestört dat irjendwelche sagten, das ist nur was für Jungs. Ich habs jemacht. Ich hab immer son bisschen alles anders gemacht als andere Leute. Immer so wie ich det für richtig hielt. Zum Beispiel äh was ich so an Geld noch übrig hab, dat wer ich alles dem Gert hinterlassen (I: mhm). Viele Leute meinen ja, es ist gerecht, äh hä jedem Kind gleich viel zu geben, ich find es aber gerechter, wenn der der es nötiger hat, das kriegt, ne? Michael wird sich immer irjendwie über Wasser halten können und

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Gert nicht, und so ne? Also ich mach dat sozusagen immer, oder auch mit der Religion ja? Äh wenn s auch nicht meine Überzeugung ist, ich ich mache immer so was ich denke, ist richtig, ne? (I: mhm) Und dadurch hff ecke ich natürlich auch manchmal an und werd zum Beispiel in keen Heim richtig reinpassen weil da alles nach Norm geht, ne, also das is meine größte Angst, dass ich in irgend so nem fürchterlichen, fürchterlichen Heim lande und.. da mehr leide..

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I: Ja, das kann ich mir vorstellen. E: Denn ich war jetzt grad mal im Krankenhaus wegen dieser Rückensache, haben se irgend ne Spritzkur mit mir jemacht und da bin ich in so nem Vierbettzimmer jelandet. Weil die Einbettzimmer die warn mir zu teuer, die Zweibettzimmer warn alle voll und da hatte ich dat Pech dat da sone Mobbingfrau drin war. Die hat jede Sache die ich jetan und jedacht und, nich jetan habe – bemeckert, also zz nach sechs

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Tagen war ich da fertig, da musst ich mich zu Hause wochenlang erholen ((I schnaubt)) von diesen fürchterlichen - Meckereien und so (I: mhm). Für n Rest meines Lebens in so nem Zweibettzimmer im Heim wat se ja noch öfters haben also dat könnte ich nicht aushalten da würde ich mir wahrscheinlich eher s Leben nehmen. Aber ich vermute, wenn ich mich jetzt so, Schritt für Schritt erkundige, werde ich das schon schaffen dass ich was halbwegs Gutes finde, ((lauter)) oder ich hab das Glück wie viele

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meiner Anjehörigen so plötzlich an Herzinfarkt zu sterben, s wär noch besser. So. Was (heißt) die nächste Frage? Ach so ja erinnern da.. ((atmet aus)) Nee also irjendwie an, ich weeß nicht ob mein Gedächtnis oder/ ich kann mich da nur an so einzelne Dinge erinnern (I: ja). Vor allen Dingen draußen, ich war wohl sehr viel draußen. (I: ja) An den Raum mmm sind kaum Erinnerungen. Irjendwie wohnten da so zwei drei Kinder oder so im Zimmer und, und äh.. ach ja in dem Schloss, ja dat ist mir Erinnerung

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geblieben. Da gabs ja ooch manchmal Versa äh Versammlungen im Schloss (I: mhm), ich weeß nicht ob das vom Wetter abhing oder ob das ne andere Art von, Zusammenkunft war, äh und dann saßen wir da alle, soviel Stühle hatten se wohl nicht, da saßen wir meistens auf der Erde und rundrum waren so wundervolle Bilder, so äh ich glaube, äh ist dat von Micheleangelo oder so? Mit so nem Engel der so laang seine Arme (I: mhm, ja)? Das kennen Se sicher, (I: ja, ja) is ganz berühmt ja? Dat war bestimmt

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nicht dat Original, ja. Und solche Sachen waren da so an der Wand. Also scheinbar haben se n Teil der Originalausstattung des Schlosses noch gehabt, nicht? I: mmhm, ja.

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

(…) I: Ja, und Sie sagten ja, Sie waren ja mit Ihrem Bruder dann – dort und/ E:

Ja. A/den habe ich nur ab und zu gesehen, so. Und kann ich mich nicht an

besondere Ereignisse so erinnern. Aber, ich glaub nicht dass der besonders unglücklich war. Also ich

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hab den Eindruck, meine Mutter hat mehr drunter jelitten, dass se ihre Kinder nicht sehen durfte, na und nu vor allen Dingen einjesperrt so, nicht? Als wir da und dass sie/ obwohl es kann natürlich sein, dadurch dass ich in diesem Heim und in Amerika wieder in nem Heim war, insjesamt war ich von 34 bis 37 in dem Heim in Holland und von 37 bis 39 also insgesamt fünf Jahre, doch sehr wichtige Jahre, äh äh in Heimen, es kann sein dass dat meine Beziehung zu meiner Mutter so n bisschen jelockert hat

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(I:mhm). Denn soo eng waren wir nie und sie war auch immer so mit ihrem Beruf, und sie hat dann auch noch studiert, hab ich ganz vergessen zu erzählen (I: mhm). Sie hat äh hat dann noch studiert, also en äh nach der Arbeit, da war se schon in den Fünfzijern, hat ihr Diplom so, glaube war se sechzig oder so, hat a/ und dann hat se noch für Sepp getippt und dann hatte se noch allerhand hohe Funktionen im deu/demokratischen Frauenbund, die hat sich halb tot jemacht, und bei jedem Arbeitseinsatz war se

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dabei, also eigentlich müssten Se mehr über meine Mutter - schreiben, det se/ lohnt sich mehr als über mich. Die war auch erfolgreicher und und und mutiger und alles. Ähm, äh, wat wollt ich n grad erzählen? Ach so, und mit sechzig hat se dann ihren Abschluss jemacht. Wie nannte sich dat? Politikwissenschaft oder so (I: aha). Si wohnten da in Potsdam, das war direkt neben dieser WalterUlbricht-Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften (I: aha), nannte sich dat wohl, ja? Äh und da

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hat se n Fernstudium jemacht oder Abendstudium, ((schnell)) oder ich weeß nich mehr ob das Fern oder Abendstudium, wenichstens jahrelang is se dann, hat se dann andauernd da äh Studien aufäh/ so richtich als Fernstudentin. Wie die Jüngeren auch, ja, ((I: mhm) sie war natürlich die Älteste, aber sie wollte unbedingt nachholen wat se in ihrer Jugend - nich durfte, ja, und eigentlich ja konnte. (I: mhm) Aber sie hat sich eben so überanstrengt und zusammen mit ihrer - Kettenraucherei und diese

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Superanstrengung und was se alles so durchjemacht hatte is se dann mit 61 am Herzinfarkt jestorben. Ganz plötzlich, also hätte wenn se det, vor allen Dingen dat mit dem Rauchen, ich weiß gar nicht ma ob det mit dem Arbeiten det Dollste war ((schluckt, atmet aus)).. Aber wie sind wer n jetzt drauf jekommen? I:

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Oder wonach hatten Sie jefragt? Ich hatte

Ähm, ich war noch bei, bei der

E:

Ach bei Holland, ja?

I: Bei, bei Holland, ja. Und Sie sagten E.

Ach so, dass ich nicht so jelitten hab wie sie, doch so sind wir drauf

gekommen. Ja ((murmelt)) (was hab ich denn da) I:

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Ja, so wars. Wie war denn das, als die Mutter dann äh kam? Als Sie sie wiedergesehen haben, als sie nach Holland kam.

E: Also ehrlich jesacht kann ich mich nicht so an Einzelheiten erinnern. (I: mhm) Also ich glaub schon, dass ich mich jefreut hab. Äh.. Aber für mich war dat nicht so, ((getragen/#leicht theatralisch)) diese

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Fahrt übern Ozean, war nich so wie für n Erwachsenen, ja? (I: Mhm) (Mehr) so, man fährt eben irjendwo hin, ich hab dat alles gar nicht kapiert, was das alles für ne Bedeutung hat (I: mhm) und so. Äh in äh der/ da an eins kann ich mich erinnern, in Hamburg, ich wusste ja noch nich mal dass ich jüdisch war. Äh, mein Bruder wollte se/ in die Hitlerjugend. Weil meine Mutter doch ganz unreligiös und

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(irjendwie) Thema Judentum war nie zu Hause, ja? (I:mhm). Sie hat jearbeitet und das und das jemacht, die Elt/ Großeltern waren auch nich mehr fromm~. Sie waren noch drin und zwar, das hatt ich vorhin so nebenbei erwähnt, der Großvater meines Großvaters, also mein Großvater war Harald Weiss und sein Großvater war Adalbert Weiss. Das war ein Historiker, der Mitte des 19. Jahrhunderts so gelebt hat (I: mhm) und der einer der Mitbegründer der Berliner jüdischen Gemeinde war, ja? (I: mhm) Und da war

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mein Großvater sehr stolz drauf, und obwohl er selber gar nich mehr fromm war, äh war das mit einer der Gründe, warum er nich ausjetreten ist. Erstens mal, so wat macht man nich, man lässt nich seine Leute im Stich und so weiter, aber ganz besonders auch wegen des Großvaters nich, ja? (I: mhm) Wat hätte der denn jedacht, er gründet die Gemeinde und ich tret aus oder so, nich? (I: mhm). Äh, aber jetzt hab ich wieder vergessen wie wer darauf jekommen sind. ((leiser)) Äh, Adalbert Weiss, wie sind wer n

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jetzt da drauf jekommen? Ich verlier manchmal den Faden, dat is n Zeichen des Alters. (I: mhm) Äh, wie sind wir jetzt auf auf Weiss und und Adalbert und so weiter? I: Sie sagten, dass Sie gar nicht gewusst hätten, dass Sie äh, jüdisch waren. E:

Nee, nee also als Kind, äh, ja, ja. Also ich weiß

diese eine Episode noch, dass mein Bruder inne Hitlerjugend wollte, ((imitiert naiven Tonfall)) schöne

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Uniform, schöne Lieder singen, Treffen und so, und meine Mutter ihm das mühselig erklären musste, dass es erstens gar nich ging und zweitens ne schlechte Sache sei und und, und det war sehr schwer in seinen Kopf/ ich weiß nich ob er s damals schon ver/hinterher hat er s natürlich verstanden. Äh er war da, das muß so 33 jewesen sein. Äh da war er schon neun Jahre alt, ja? (I: mhm) Also eigentlich hätt er det schon kapieren müssen aber, wie man so als Kind is, ne, wat die anderen machen, will ma ooch

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machen, und äh mh äh ich glaub det ham wir erst hinterher so erfahren, dass wir jüdisch sind, weil wir da erst anjefangen haben so n bisschen zu leiden. Äh, an eine Sache, das weiß ich aber nur, dass meine Mutter/ weil meine Mutter mich dran erinnert hat, dass ich einmal jeschlagen wurde in der Schule, in äh in Hamburg noch, ja? Und meine Mutter hat mir später mal erzählt weil ich jüdisch war. War ihre Meinung. Die ei/ich weiß aber nich die Einzelheiten, ja? Schlagen war da ja (neunzijer) glaub ich noch

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erlaubt in der Schule, also ich weiß nich, war wahrscheinlich gar nicht die einzigste, aber irjendwie war ihre Meinung, dieses Mal da wo ich jeschlagen wurde, ich wär sonst immer brav jewesen, hätte alles richtich jemacht, und det müsste die Ursache jewesen sein. Aber ich selber kann mich an keen Leiden erinnern. Auch in der Emigration so, da obwohl wir ganz arm waren, ich hab (so det) als natürlich empfunden, ich kannte ja nischt anderes, & so Heim, im Heim hatte ich ja nischt mit Geld zu tun, ne?

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Hab mein Essen jekricht und meine Aktivitäten, und vor dem Heim, da war ich ja ganz klein, und ich hab gedacht, so is det & das is ja immer so, nich, so wie heute jemand sich nich vorstellen kann, dat, dass es irjendwann mal n Menschen ohne Computer oder ohne Telefon oder Strom ausjehalten haben,

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nich? (I: mh) Was man so kennt so, dat find man selbstverständlich. Und jehungert ham wir ja nich in New York. (I: mhm) Meine Mutter hat immer sehr viel Wert drauf jelegt, sie hatte sehr wenig Geld, dat wurde aber praktisch nur für Miete und Essen ausjegegeben. Und wenn’s unbedingt nötig war, mal so n Fahrgeld, nech? Aber zum Beispiel, Kleidung hat se nie gekauft. Das hat se von diesen Organisationen

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da, da wurde viel so abjegeben (I: ja), Benutztes, und da hat hat se immer mal n Stück für uns mitjebracht. Und dann die Großmutter, die Sophie Weiss, als mein Großvater dann jestorben, der is schon 38 jestorben (I: ja), und da is se dann nach New York gezogen. Weil det ihr da zu einsam und zu fremd so unter all den/ sie war ja schon ne-äh Frau in jesetzten Alter als se hinkam, und dann da so ihre letzten Jahre verbringen unter lauter Amerikanern, da wollt se dann doch lieber nach New York wo ja

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Sohn und Tochter waren, nich? (I: mhm) Äh, und da hat se dann im Altersheim jelebt, aber jetzt weiß ich nicht mehr wie ich da drauf jekommen bin, da wollt ich doch irjendwat erzählen, so von/ wie bin ich denn da drauf gekommen jetzt auf die Großmutter? I: Sie sagten gerade, dass Sie, äh, dass es Ihnen ja/ also, dass Sie zwar wenig Geld hatten, aber dass E:

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((lebhaft)) ach so, ja, also

I: (Sie nich) E: die Großmutter lebte dann, äh im Altersheim, aber scheinbar hatte sie n bisschen mehr Geld als meine Mutter (I: ja), wahrscheinlich, entweder hat se/vielleicht hat se ne Professorenwitwenrente jekricht, das kann ja ooch sein, von dieser Dow #-University wo mein Großvater war, ja? Äh, Oder dass se doch n bisschen noch/ das warn ja/ sie sind ja in den allerersten Jahren raus, da konnten die noch n bisschen

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wat rausnehmen, dass se davon noch was hatte. Also, irjendwie war se wenigstens in der Lage, uns ab und zu was zu schenken. Und da meine Mutter niemals jenuch Geld hatte, und auch det nich wichtich jenuch fand, Kleider für uns zu kaufen, da hat sie uns einmal im Jahr, meinem Bruder und mir, n Paar Schuhe jekauft. Neue. Denn sie war der Meinung, von jetragenen Schuhen kricht man schlechte Füße. Ob det stimmt weiß ich nicht, äh, äh, aber des war so ihre Meinung (I: mhm), und sie wollte nicht dass

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wir schlechte Füße kriegen, und deswegen, wa-weil wir ja nun noch wachsen/ im Wachstumsalter waren, hat se uns jedes Jahr einmal hab ich also n paar neue Schuhe jekricht & ((schnell)) aber sonst nie neue Kleider, aber Essen, dat hat meine Mutter immer, obwohl se mir natürlich immer einje/ ((schnell)) ich hab immer einjekauft und so weil sie ja so viel jearbeitet hat. Hat ja gar keene Zeit dafür jehabt. Ähm, und da hab ich immer auf m Nachhauseweg einjekauft und so. Und da hat se mir immer

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einejeschärft, die ganz billigen Sachen, und dann hab ich nur einen Dollar am Tag jehabt. Für, äh, fürs Einkaufen, für die ganze Familie ja? War damals natürlich mehr wert, aber irjendwelche Sprünge konnte man damit ooch nicht machen (I: mhm), nur so det Nötigste. Aber, so richtig jehungert haben wir da nie. Das war ihr doch wichtig, sie wusste ja wie wichtig des is wenn man wächst ((nuschelnd)) dass man auch ordentlich wat zu Essen krichte, nich? (I: mhm) Und äh sonst, wir haben auch keene

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Reisen machen können und so. Die erste Reise, die ich eigen/ ne richtiche Reise, die mehr als so fuffzig Kilometer von New York weg war, äh hab ich mit meinem Mann zusammen jemacht. Haben wir so ne

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Art Hochzeitsreise (I: mhm) an den äh, äh, warte mal, wie hieß der noch mal da, zwischen, zwischen New York und Kanada? Sie wissens sicher besser als ich. ((ausatmend)) Äh, jetzt hab ich’s vergessen. I: (Meinen Sie) n großen See? E: Das ist n See, der der äh New York und Kanada trennt. Äh, an der Nordostküste.

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I:

Der Eriesee oder?

Ist das der Eriesee?

E: Ja, könnte sein, Erie/ oder ist der Eriesee nich einer, einer von denen, äh im Mittelwesten? I: Nee, der is/ E:

Nee, Erie, nee Erie, ist der nicht da im Mittelwesten, Chicago, (oder so), nee?

I:

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nee, der is (uv.)

E: Der is da im Norden von New York, ja? Ich habs jetzt n bisschen vergessen. Also wenigstens war, war das sozusagen an der kanadischen Grenze, wo diese – wundervollen großen Fälle sind, Niagara I: Niagarafälle, mhm E: Fälle. Da sind meine Mann und ich hinjefahren auf Hochzeitsreise, mit n Fahrrad. Ja? (I: hmh). Und haben dann Jugendherbergen, also das hat auch kaum was jekostet. Fahrräder haben wir uns irjendwo

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jeborgt oder so, hatten keene eigenen. Also, dat war die erste Reise, die ich machen konnte, so n bisschen weiter von New York weg, ja? Also, Mittelwesten und Westen, da, da hatten wir ja keen Geld zu. (I: mhm) Insofern könnte man sagen, daß ich jelitten hab, aber ich hab det ja gar nich, ich hab det nich jemerkt, mich hat det nich jestört und is eben so, und wie man so als Kind is, nich, als junger Mensch, nech… Ja. Wat is ne weitere Frage?

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I: Ähm/ E:

Also die haben schon n bisschen recht wenn se da, wenn se da sagen ((stotternd)) we-in-in-ähm bei

der Holocaust Stiftung, dass ich nich jenuch gelitten habe, ja? Ich war in keinem Konzentrationslager, ich wurde äh nich misshandelt, oder oder so etwas, ja, aber ich würde sagen, n bisschen, die Seele hat doch n bisschen gelitten, indem ich so kein richtiges Heimatland habe. (I: mhm) Das is mir im Laufe

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der Jahrzehnte erst - bewusst jeworden, ja? Ich bin weder richtije Amerikanerin noch richtije Deutsche (I: mhm). Also ich fühl mich immer noch fremd hier. Zum Beispiel wenn ich so im Krankenhaus bin, ich mach immer allet anders als die Leute, ja? Äh äh irjendwie hab ich mir dann nich lang genuch die Zähne jeputzt wie die – Nachbarin meint, wie ich müsste oder äh, oder äh oder ich gehe äh-äh-äh im Bademantel auf n Flur, und ‚nee, dat macht man nich, man muss sich richtig anziehen’& irjendwat

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mach ich immer - falsch. Mein ganzes Leben seitdem ich hier bin, is so dass ich immer irjend was mache, wat die andern nich jut finden. (I: mhm). Und und äh insofern war ich ne lange Zeit der Meinung, dass ich so amerikanisch bin, aber meine Nicht hat mir dann erklärt, nee, eigentlich Amerikanerin biste ooch nich. Also ich/ das is sozusagen dat Ergebnis der ganzen, äh Sache in meiner Jugend ja, dies, dass ich sozusagen kein richtiges Heimatland habe. (I: mhm) Von jedem, n bisschen, ja,

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hier bin ich so jewohnt zu leben, so die letzten ((gedehnt, überlegend)) äh, siebenundfuffzig Jahre, äh äh aber, aufjewachsen bin ich da, so dass ich sozusagen da doch irjendwie sehr viele Eigenschaften

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

doch so mehr habe, wie se da/ dieses gesunde Essen und/ is zum Beispiel sehr viel üblicher in den USA, so, lauter so Anjewohnheiten, ja? I: Mhm, mhm.. Ja, Sie haben das ja vorhin schon, schon auch mal angedeutet, dass Sie sagten, „als wir dann zurückgegangen sind“/ also für Sie war es ja kein Zurück.

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E: Ja, ja. Nee, nee, für mich war dat so wat Neues, ja? Und wenn die sagen, ich wer schon da überleben, ich war hauptsächlich eben, ich hab meinen Mann jeliebt und wenn er meint er muß da/ die waren alle der Meinung, sie müssen unbedingt zurück, und Deutschland aufbauen. Naja, wer ich eben auch machen. So. Also, ich hätt jenauso jut wie mein Bruder da/ wenn ich zufällig n Amerikaner jeheiratet hätte, wär ich dajeblieben, wär ich heute ooch hundertprozentige Amerikanerin, ne?

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I: Mhm, mhm. Und wie war das, als Sie sich in ihren Mann verliebt haben? E: Äh, wie meinen Sie, wie war das? I: Ja, so, können Sie mal so n bisschen - erzählen, E:

Ja, wat, wat soll ich n da erzählen?

I:

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Ja, wie Sie, wie Sie ihn äh getroffen haben oder wo er ihnen das erste Mal begegnet ist oder

E:

Naja, ich hab ihn beim German American getroffen. Und dann bin ich mal bei ihm,

äh waren wir, einije Male uns jetroffen, der war ja so n Einsiedler, ja? (I: mhm) Der war, der hatte immer sehr unter seinem Asthma zu leiden, und seine Mutter war auch sehr, weil se immer so ((leicht theatralisch)) furchtbar viel Sorge um ihn hatte mit der Jesundheit, da/ is manchmal so, wenn, wenn det

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Kind sehr viel krank ist und so, dat die Mütter dann n noch, noch (I: mhm) einnehmenderes Wesen haben als andere Mütter, nich? Und wenn er wirklich mal irjendwie Ansätze machte, irjend n Mädchen anzugucken, dann hat sie das immer abjewehrt. So dass er in Deutschland überhaupt keene Freundin hatte, obwohl er schon, äh, 33, er war schon 28, ja? (I: ja) In fra/ Frankreich hat er mir dann erzählt, hat er so die ersten Freundinnen jehabt, aber er war sehr schüchtern und so und irjendwie äh, also. So n

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bisschen ähnlich wie mein Gert, ja? (I: mhm) Die sind sich in vielen Dingen sehr ähnlich. Äh, bloß dass mein Mann dat Glück jehabt hat, dass dat noch andere Zeiten waren, er hat irjendwie, doch wenigstens ein äh/ hier und da mal ne Freundin jehabt und so, nech? Na, und da hab ich eben, weil ich dat so spürte, hab ich eben die Initiative ergriffen, ne, da hab ich äh, bin ich mal ((schnell)) bei ihm vorbei(jeguckt) „is grad auf meinem Weg“ und sacht er „aber is doch gar nicht auf deinem Weg“ und so, ne? Äh, was

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war sonst, gibt’s nich viel zu erzählen, is doch überall det selbe, zwischen Leuten, die sich lieben. Also ich/ er hat ne ganze Weile jebraucht, weil er ja nu schon, da war er schon, als er nach Amerika war, 36 ja? (I: hmh) Und äh hat irjendwie noch gar nich dran gedacht, irjendwann zu heiraten, er war immer so beschäftigt, mit Revolution machen umd allem, ja, also irjendwie äh war dat noch gar nich so in seinen Sinn jekommen, ja. Und, vielleicht wenn ich ihn da nich aufjefordert hätte, dann wäre er sein Leben

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lang, so, so wie der Gert bis heute noch allein. Der hat nich det Glück jehabt, dat, ne Frau sich an ihn ranmacht, ne? Heute wolln se überall, stelln se Forderungen, müssen Geld haben und und, mein Mann hatte so jut wie jar keen Geld, nech, aber die (Mädel) aber heute sind se alle so verwöhnt heute. Und er

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hat ne Weile lang hat er, hatte er es drauf weil er nun so untüchtig ist, hat er jedacht, na, wenn ich ne Behinderte nehme, wenn ich mal anzeige/is wat abjelaufen, dat Band? I: Nee, ich gucke. E: Äh hat er so anjezeigt, ja? Äh Behinderte, auch, o.k. so, ja, mein Sohn, ja? (I: ja) Und dann ham die

5

sich jemeldet, äh und dann ham die ooch immer tausend Forderungen gestellt, ja? Dann musst er immer nur rackern und rackern und Forderungen erfüllen, die er zum Teil gar nich konnte, und und wenn er dann nicht Auto fahren konnte und alles Mögliche, dann ham se ihn fallenlassen, Also, irjendwie, der hat mehr Pech. Während der Josef Berkiewitsch, der war ein ganz armer Kerl und der hat Glück gehabt weil alle ham sich um ihn je/ äh äh wollten ihn haben und mein Mann hat da n bisschen Glück jehabt

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und, aber heutzutage is dat scheinbar, es gibt auch mehr junge Männer jetzt, als junge Frauen, ne, weil ja immer/ es wern/ wissen Se, dass immer mehr jeboren werden, immer so ungefähr 106 Jungs auf 100 Mädchen? I: Aha. E: Früher hat sich das ausjeglichen, weil die Jungs eher jestorben sind und äh dann mit mehr

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Motorradunfälle & is ja wohl heute ooch noch so, aber heute äh überleben doch mehr, so dass äh, ähm das doch mehr junge Männer - sind. Naja, und wenn man dann noch schüchtern und untüchtig ist, dann hat man - keine Chance. Du, er tut mir richtig leid. Naja ((schnalzt)). Ja, aber sonst kann ich von dem Verlieben eben/ eben nur dass es n bisschen umjekehrt war als sonst, ne? (I: mhm, mhm). Weil er hätte so von sich aus wahrscheinlich nie wat anjefangen, nich?

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I: Mhm.. Und so, Sie sagten ja auch, dass es da son mmh Konflikt, also weiß ich nicht, müssten Sie vielleicht noch mal erzählen, wie das, wie das war, wie sich das entwickelt hat, mit ihrer Mutter, E: ((sehr leise))

(was denn?)

I: also Ihre Mutter sei nicht so sehr einverstanden/ E:

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gewesen

Nein, sie war nicht einverstanden, weil er erstens 20 Jahre älter war, zweitens

immer diese schlimmen Asthmaanfälle jehabt hat, da hat se Angst jehabt, dass ich’s schwer hab im Leben und so, drittens, war noch ne dritte Sache, die mir jetzt einfällt, der Josef Berkiewitsch hat erzählt, in Paris ging mal n Gerücht, dass der Hans Brückner irjendwie, irjendwat politisch falsch gemacht hat, aber da gingen furchtbar viele Gerüchte, ja? (I: hmhm) Das er irjendwie so ne Art Verräter der Kommunisten war. War aber nie der Fall, dat sind, is inner Emigration so, wenn so, wenn so

30

Cliquen sich bilden und Gerüchte, des is häufig, ja? (I: mhm mhm) Und des war gar nich der Fall, aber scheinbar hat meine Mutter zu dem Zeitpunkt noch da dran jeglaubt. Sie hat sich e-erst im Laufe der Jahre so eben dran jewöhnt, ja, ((ausatmend)) äh, is eben so, ne? Und und nu hat se dann auch einjesehen, trotz der Krankheit hat er, äh kommt er zurecht und dann die Enkel und so~. Und so sehr lange war s ja dann auch nich, sie is ja 61 schon gestorben, nich? (I: mhm) Da waren die/ meine Kinder

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ja noch ganz klein. (7) Ja, aber ick sag ja, äh ich hab eben in den letzten Jahren so festgestellt, dass das eigentlich - der Hauptnachteil is, den ich von der ganzen Emigration hatte. Dass ich sozusagen nirgends richtig hinjehöre, ja? Sonst is/ des hab ich nich so/ es hat ja auch Vorteile, das ich wat kennenlerne und

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so, nech? Äh, nach der Wende, bin ich einije Male hinjefahren, aus Sehnsucht so, ne? (I: mhm). Hab mir dann auch Mittelwesten und Westen anjeguckt was ich damals nich konnte, und den Gert hab ich ooch mitjenommen, dass er dat mal kennenlernt. Äh, der traut sich so ne Reisen nich alleine zu machen. Und ich hab mich natürlich jefreut, da hat er de Koffer jeschleppt und dann gibt’s immer

5

Zweibettzimmer und und so, also es war auch, in gewisser Hinsicht bisschen leichter für mich und für ihn wars ne Freude, konnt er n biss/ und wir machen auch immer viel Englischübungen~. Er hat n bisschen innner Schule jelernt, Englisch, und, und da bei den äh jüdische Gemeinde da kommen furchtbar viel Amerikaner und so ne Leute hin, da möchte er auch n bisschen mitreden können, und jedes Mal wenn wa telefonieren, dann machen wir Englischübungen, vor allen Dingen die Aussprache

10

is so, verschieden, vom Englischen, nich? (I: ja) Hier, hier lernt man nur das englische Englisch (I: ja), ich weiß gar nich warum. Denn dat spielt doch/ is doch keene Weltmacht mehr, warum nun unbedingt Englisch alles sein muss, eigentlich müsstes nach der Situation der Welt heute mehr Amerikanisch jelehrt werden, nech? (I: mhm) Vor allen Dingen die Aussprache, aber auch die/ der Wortschatz is auch bisschen unterschiedlich.. Ja.. Naja und dann mein Mann e-e-den hab ich da zum Schluß zwei Jahre

15

jepflegt, hier, dat war natürlich auch hart für mich (I: mhm), weil/für ihn nich, er hat det jar nich so jemerkt, ja? (I: mhm) Er wusst ja jar nich, dat dann im Kopp nich mehr & er dacht ja er arbeitet noch und so. Er hat dann immer so gesacht, da in seinem Bett jelegen, „ah ich muß mal jetzt die Mittagspause beenden, ich muß mal gleich wieder arbeiten.“ ((I schmunzelnd: hm)) Dabei hat er schon Jahre nich mehr am Schreibtisch jesessen und so, ja? Dat wusste er alles nich mehr. Oder von seiner

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Mutter, ich soll seine Mutter grüßen, so ne Sachen, ja? Aber Sie haben ja sicher schon gehört, von dementen Menschen, nech? (I: mhm).Und für mich wars insofern schwer, weil ich ja, keenen hatte, äh ich ich bin da äh ein, zwei Jahre lang nur mal ne Stunde zur Kaufhalle jerannt, und wieder zurück, hab ich abjeschlossen, dat er auch ja nich/ äh nee, zumindest die Küche hab ich abjeschlossen. Dass er nich ans Gas geht (I: ja) oder so, nich? (I: ja) und dann gesehen, dasss ich schnell wiederkomme, also das

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war für mich auch schwer, da konnt ich auch kaum unter Menschen und (I: Ja). Überhaupt, das is ne zweite Sache, die auch, auch bisschen mit Emigration zu tun hat. Also wir haben irjendwie doch n bisschen einsam jelebt hier. (I: mhm) Im Vergleich zu anderen Menschen, die viele Freunde haben & Erstens kommt’s durch meinen Mann/ äh kams durch meinen Mann, weil er äh von wegen seiner Krankheit immer so n bisschen Einsiedler war (I: mhm). Wenn die andern Jungs da mit schul/ Fußball

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rumtobten, da hat er so übern Büchern jesessen. Weil er ja gar nich so toben konnte mit dem Asthma, nich? (I: mhm) Äh und, und dadurch is er ooch son Einsiedler jeworden. Äh und dann wollte er später auch noch Rauch hat er nich vertragen, viele Leute rauchen, konnt ich die nich einladen, wenn meine Mutter wirklich mal kam, dann musst se auf n Balkon gehen oder so, ihre äh Zigarette rauchen, äh und äh alle so ne Sachen, haben uns äh und ich hatte keene Schulfreunde hier oder wat so andere haben (I:

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mmh) aus der, Kindheit und Jugend, nich? (I: mmh) erst dann im Studium hab ich so diese/und zum Beispiel diese gute Freundin die ich jetzt noch habe, ja, äh, das heißt aber nur aus der Ferne, äh, jetzt is se immer in Hamburg und ich hier. Ähm, aber so, oder, oder viele Verwandte, viele haben, äh viele

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haben, Verwandte, dann, Tanten, Onkel und so, die warn ja ooch alle, wenn se wirklich noch lebten, dann warn se in Israel oder sonst wo, nich, äh, also, insofern, hab ich mich doch ganz schön unterschieden von dem Durchschnitt hier. Und das hat dat Leben doch n bisschen schwerer jemacht. I: mhm.

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E: … Ja, mir fällt nischt mehr ein. Wenn Sie noch ne Frage haben~. I: Mh. Also das wäre, Sie haben das jetzt teilweise schon beantwortet, aber das wäre auch was, was mir noch ein/ noch mal eingefallen ist. Sie haben vorhin von Ihrem Sohn gesagt, dass der/ E:

Was?

Welcher

Sohn?

Der Ältere? Oder der Jüngere? Der Tüchtije oder der nich so Tüchtije?

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I: (lacht) in Anführungsstrichen der Tüchtige, der äh fromm geworden ist. (E: Ja). Dass der ja auch gesagt hätte, dass er, also dass ein Motiv so für ihn gewesen sei, irgendwo dazuzugehören. Und E:

Ja, aber det/

I: meine Frage/ E: Und wie, wie haben Sie das verstanden?

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I: Nee, ich will das gar nicht anders deuten, meine Frage wäre/ E:

nee, nee, wie haben Sie’s denn verstanden?

I: Ja, meine Frage wäre so äh, wie sich das für Sie so entwickelt hat, also, ob Sie sich hier zugehörig fühlten, also als Sie wieder hierhergekommen sind/ E:

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nee, aber das meinte er nich, er meinte nich, also als Jude hier nich zugehörig oder so (I: mh).

Er meinte, weil se ihn so rausje-ekelt haben, aus den Arbeitsstellen (I: mhm), sozusagen, da jehört er nicht dazu. Das hat doch ne große Rolle jespielt in der DDR, diese Betriebskollektive. Ich weiß nich, ob se dat schon mal jehört haben, ja? (I: mhm mhm). Sozusagen, wenn man dann raus ist, und se einen nich mehr haben wollen und so. Äh, und dann der Vater auch nich mehr von einem wissen will, weil man fromm jeworden/ ach nee, das war ja umjekehrt, erst/er is ja erst böse jewesen, nachdem er

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fromm/also dat stimmt nich, wat ich jetzt jesacht hab. Er hat mit diese ‚ich will da wo dazujehören’ hauptsächlich jemeint diese Arbeitssituation, so ja? Also irjendwo, wo se ihn akzeptieren, (I: mh) dass er fromm ist und dass er, politisch kritisch ist und so. So hat das jemeint, ja? (I: mhm). Ach so, und wie sich’s dann weiter entwickelt? Ja eigentlich, ich hab das von Anfang an akzeptiert, hab jesacht/ er wollte dann auch immer, dass ich fromm werde, hab ich jesacht, ‚nee, dat kannste von mir verlangen’,

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dat entspricht jar nich/bis heute noch. Neulich am Telefon, am Jeburtstag ham wer telefoniert, äh wollt er dass ich in n jüdisches Altersheim gehe hier, ja? (I: mh). Obwohl ich eben grad in der Zeitung gelesen hab, dat dat irjendwie generalüberholt werden muß, weil’s so altmodisch ist und und er hat ooch schon n bisschen Schlechtes davon jehört. Also eigentlich sollte er mir das nich empfehlen, ja? (I: mhm) Aber er will eben/äh und da müsste man jüdische Jemeindemitglied sein, ne, er will det jerne. Äh,

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also das is so’n bisschen Konflikt zwischen uns, aber inzwischen hat er kapiert, dass man n alten Baum nicht mehr verpflanzen kann, ja? Inzwischen sagt er nur noch selten solche Sachen. Ich hab von Anfang an akzeptiert, dass er so jeworden is, ich war nich glücklich drüber, ich hätt natürlich lieber jehabt,

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wenn er hier so Physiker oder Mathematiker mit Familie, wo ich dann ma hinkann und so weiter (I: mhm), wär natürlich für mich schöner jewesen, ja? Aber es is/ es geht nich immer so, wie man’s will. I: Mhm.. Und das ist der Ältere. E: Das is der Ältere, ja.

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I: Ja, mhm, ok. Der is neunzehnhundert, was sagten Sie, 52 geboren? E: 52 jeboren und 34 aus der d/äh 84 aus der DDR raus, ja. I: Ja. E: Und is heute, äh leitet er da dieses Archiv für *Name* in Karlsruhe und wohnt im Prinzip in Straßburg (I: mhm). Also er is äh von Montag früh bis Donnerstag abend da in in äh in Karlsruhe und von äh

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Donnerstag abend bis Montag ganz früh in Straßburg, so dass er da nur sozusagen mit/ bisschen später anfängt, nich, aber er schafft seine Arbeit in den anderen vier Tagen ((schnell) Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag, weil er eben überall dann so bis acht und so, also, äh-äh is nich, dass er dann wenijer arbeitet, ne. I: Mhm. Mhm.. Und wann is der jüngere Sohn geboren?

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E: 1955. I: Ah ja, mh. E: Ja, wir haben sehr engen Kontakt. Wir telefonieren zweimal die Woche, äh und dann immer stundenlang, und äh, er brauch auch immer viele Ratschläge so. Und, äh muß seine Sorgen n bißchen loswerden.. irjend eener da inner jüdischen Jemeinde hat, hat ihm irjend wat Freches jesacht oder/ is

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also hauptsächlich immer so Beziehungen zu Menschen (I: mhm) macht ihm große Probleme, ja? (I: mhm) Irjend wat is er dann leicht jekränkt und mit a/obwohl die anderen dat jar nicht so meinten, oder irjend ne bürokratische Sache, zum Beispiel Steuererklärung muß ich ihm immer - irjend welche Ratschläge geben, ja? Macht er aber alleine. Bloß wenn irjend wat Neues auftaucht, dann äh, dann muß er n Rat von mir haben. So, also.. äh, gibt man dat so an oder so und wat soll ich da schreiben, und.

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Wenn’s dann so nach Routine läuft, wie vorjes Jahr, dann macht ert alleine. Aber, also, wie jesacht, da mach ich mir Sorgen, wie der mal zurechtkommt, wenn ich nich mehr bin. Aber er is nich so, äh sagen wir mal so schlecht, dass er nu irjendwie, irjendwo in n Heim müsste oder so. Aber, am besten wäre für ihn er würde in ijend ne Familie integriert oder wenichstens eene, wo er dann ooch immer wat zu äh kriegen kann, wenn ich nich mehr bin, ja? (I: mhm). Hab aber noch nich jefunden, noch keinen

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jefunden der dazu bereit wäre. Auch der Michael, hab ich natürlich als ersten jebeten ja? Ob, ob er dann vielleicht da hinziehen könnte, würde würde Gert ohne weiteres machen, vielleicht nach Kehl, dat is ja die Nachbargemeinde (I: mhm), die deutsche Grenzstadt sozusagen von Straßburg auf der anderen Seite der Brücke oder so falls er Deutschland nicht verlassen will, weil Gert ja nicht Französisch kann und so~, äh, nee, äh da hat die Eli jesacht, ‚nö. Warum?’ Also, die is so’n bißchen egoistisch manchmal,

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warum, wat ham wir damit zu tun und so. Obwohl eigentlich, hab ich so jelesen inzwischen äh dass äh und Michael hat sich jefügt. Vielleicht hätt er sonst ja jesacht, weiß ich nich jenau. Ähm, obwohl eigentlich natürlich in der jüdischen jenau wie in anderen Religionen dat äh das Gebot is sich um den

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nächsten - Anjehörigen zu kümmern, ne? (I: mhm) Da war ich sehr enttäuscht, ja. Tja, so sind die Menschen. Das is so meine größte, meine größte Sorge der Gert und meine zweitgrößte is wie’s mir gehen wird, wenn ich mal. nich mehr alleene zurandekomm hier. (I: mhm). Also, zur Zeit lebe ich so, dass ich - eigentlich nur noch zu Ärzten rausgeh (I: mhm) äh wenn’s sein muß, so ich mach alle

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Vorsorgeuntersuchungen und so, also es is doch, mindestestens einmal im Monat muß ich irjendwo hin, machmal zwei. Zu verschiedenen Ärzten. Äh Und äh dann nehme ich immer dieses Hockerchen mit hier (I: mhm), so dass ich unterwegs mich mal hinsetzen kann (I: mhm), hab auch die meistens Ärzte hier in ne Nähe in ne Nähe verlegt, wo ich früher so viel kut/ immer rumkutschiert, war mir sonst zu viel Treppen (I: ja) und S-Bahn und so äh und äh dann laß ich mir vom Kaiser’s Lieferservice bringen

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(I: mhm), aber äh, die haben so’n komisches System, äh 15000 Sachen, äh verschiedene Sachen bieten se an in ihren Kaufhallen, und nur zweieinhalbtausend verschiedene liefern se. (I: Ach so). So dass sehr viele Dinge die ich gerne haben will se gar nich liefern (I: ach so). So zum Beispiel die fettarmen Sachen und alle möglichen Dinge die ich gerne, die, äh, die liefern se nich und irjend wie lohnts sich nicht macht zuviel Mühe oder. Und da hab ich so n Katalog, zweimal im Jahr schicken se mir n Katalog

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und dann setz ich mich ans Telefon und dann bestell ich. Und dann hab ich noch einen äh einen Taxifahrer den ich mal als ich mal irjendwo zu nem weiter entfernten Arzt mit m Taxi jefahren bin, hab ich den jefragt, wissen se jemanden der so n bisschen einkaufen würde für mich? Und dann hat er jesagt, ja, mach ich, und äh, ab und zu ruf ich den mal an, so einmal im Monat oder so (I: ah ja), und der kauft dann mal so Sachen, di die Kaisers äh nicht liefern, ja? Die se nur in ihrem Laden haben (I: ja), und

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dann kommt er her und dann hab ich ne Liste und geb ihm Geld und Tasche und alles und dann geht er hier in meine Nähe geht einkaufen und bringt mir das, da sind dann manchmal so Sachen dabei die ich gern esse und die se sonst nich liefern und wenn dann noch was fehlt, dann sag ich dem Gert Bescheid, der kommt einmal im Monat und dann bringt er mal ne Batterie oder ne Sp/oder ne Glühbirne oder irjend wat, wat nich, wat die gar nich liefern, ja? (I: mhm) Also, so komm ich zur Zeit über die Runden.

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Und dann hab ich mir jetzt vom Orthopäden so n Korsett-äh,verordnen lassen, äh-äh-äh det trag ich aber nur, wenn ich draußen bin, weil det sehr unjemütlich is (I: mhm, ja), dat stützt dann so bisschen den Rücken ab, ja? und da wird’s dann n bisschen wenijer schmerzhaft (I: ja), wenn ich zum Beispiel zur Orthopädin muß und dann da n bisschen laufen und so. Und det tut dann nicht ganz so weh. Also so komm ich zur Zeit über die Runden (I: mhm). Äh, mal sehen wie s weitergeht.

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I: Mhm E: Aber n bisschen einsam (I: ja), das Leben, ja. Weil jeder is so mit sich beschäftigt, dat zum Beispiel selbst der Rainer, ja, zum Beispiel, mein Halbbruder (I: mhm), ja, der könnt ja auch mal, der kann gut reparieren und machen, ‚joa’, der is nur, der is ziemlich egoistisch so. Und sonst hab ich ja eigentlich kaum & hier die alte Stiefmutter, die is zwar nett aber die is ja zu alt und kann nischt, die is ja zehn

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Jahre älter als ich, äh.. sonst hab ich eigentlich keenen, so der. Äh, Nachbarn sind ganz nett, hier zum Beispiel einer über, äh über mir, äh so n junger Bursche, so 20 oder so, 21, studiert, und der is so nett, jeden Tach äh meinen Briefkasten uffzuschließen, hab ihm n Schlüssel jegeben und äh dann steckt det

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er mir durch den Schlitz (I: mhm), dann brauch ich nich jeden Tag zum Briefkasten. (I: mhm) Und bei der Zeitung, hab ich anjerufen, und da warn se ooch so nett und stecken dat durch, ja? (I: ja). Aber trotzdem, irjend welche Probleme gibt’s immer. Jetzt hatt ich zum Beispiel die Wochenzeitungen, das sind so ne - Anzeigen-zeitungen ja? (I: mhm) Die sind furchtbar zäh (I: ja), die, denen hab ich schon,

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die hab ich schon zweimal anjerufen, dass ich dat nicht haben will, ich hab jesagt, det macht mir Beschwerden, immer treppauf treppab und dann is der Briefkasten immer voll und die Briefe haben keenen Platz mehr, äh äh und dann haben se mal n paar Wochen nicht reinjesteckt und dann haben se wieder reinjesteckt. Und jetzt hab ich die Ombudsfrau von der Berliner Zeitung anjerufen (I: mhm), haben Se so wat mal jehört? Ombudsfrau?

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I: Ja E: Ja? Wissen se was is, ja? (I: Ja) Also, die hab ich anjerufen und hab der dat jeschildert und hab jesacht, also, Sie haben doch mehr Autorität als ich. Und da hat se det aufjenommen, und hat die anjerufen und äh und dann hab ich jetzt so ne rote Hand ich weeß nich, ob Se’s jesehen haben, unten I:

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Nee, hab ich nich gesehen

E: an meinem Briefkasten, da hat se jesagt, ich soll doch mal, so ne rote Hand dranhängen. (I: mhm) Also hab ich so ne Pappe jenommen und so abjezeichnet und rot ausjefüllt und dann ‚bitte bei Brückner keine Werbung einschließlich äh die und die Werbezeitungen’, ja? (I: Mhm) Mal sehen, wie viel Wochen dat hält, ob se nich/also man hat immer jegen irjend welche Bürokraten oder irjend wat hat ma immer – durchzufechten.. So. Jetzt ham wer glaub ich jenuch jequasselt, oder ham Se

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I:

(uv.)

E: immer noch Fragen da? I: Ach, ich hab noch ganz viele Fragen! E: Na, dann fragen Se, fragen Se! Is ja noch früh am Nachmittag. I: Also Sie haben ja ähm gesagt, dass Sie dann als Jugendliche dann auch bei dem German American

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geschrieben haben. Und äh (ca. 3 W uv.)/ E:

Ja. Da hab ich jetzt ooch den, äh, als ich den ganzen German American mit hinjegeben

habe, zum Exilarchiv (I: mhm), äh da hab ich sozusagen, hab ich auch überall so Zettel reinjelegt, äh wo sind die Artikel von meiner Mutter, wo sind die von Josef Berkiewitsch, wo sind meine, wo sind Karls, (I: mhm) also wir haben viel mitjearbeitet. Aber nich, dass Se denken, das es ne Familienzeitung

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war, da haben vielen Menschen mitjearbietet, ja? (I: mhm, mhm) Und da hab ich so jesehen, dass ich so zehn oder zwölf Artikel im Ganzen geschrieben hatte. Im Laufe der Zeit. Hat ich schon so n bisschen verjessen. I: Ach so. Ja, ich wollte eben fragen, ob Sie noch so Erinnerungen haben, wie sich das so entwickelt hat? Das, dass das so/ wie das so kam?

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E: Also ich denke doch, dass meine Mutter da ne Rolle jespielt hat, dass se mich in die Richtung dirigiert hat, ja, als ich da nach New York kam, so als vierzehnjähriges Mädchen, da hat se wahrscheinlich jesagt, na geh doch mal zu der Naturfreundejugend, das warn so ne, auch so andere junge Leute, die aus

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Deutschland einjewandert waren ja? (I: mhm) Äh und äh, antifaschistisch waren die, da hat se jedacht, da passt se hin, und äh da bin ich auch jahrelang hinjegangen, äh und äh dann haben se da, mal haben se Lieder jesungen, mal haben se irjendwelche politischen Sachen jemacht und, und dann hatten se auch so n Camp außerhalb New äh New York, da konnt man n Wochenende irjend wie janz billig mal

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hinfahren, mit m Bus und so, hab ich mal da n Wochenende verbracht und da hab ich sicher auch so ne Anregung jekricht, so ne politische Anregung, ja, ich denke, hauptsächlich von meiner Mutter kam des ((räuspert sich)), diese Entwicklung. I: Mhm. Wie war das denn, wenn Sie sagen, Sie waren einmal bei den Naturfreunden, das waren, waren ja auch andere deutsche Kinder oder Jugendliche, und andererseits waren Sie äh in dieser Schule, äh in

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diesem - Landschulheim, ne? E:

ner Schule? Ja.

Ach so, na das war ja vorher, äh, bis ich vierzehn war. Und die

Naturfreundejugend war in New York, ab vierzehn. I: Ja,ja, ach so, und dann waren Sie auf dieser Mädchenschule. Und äh/ E: ja, ja, die Mädchenschule war ooch ganz interessant, also zum Bei/ zum Beispiel weiß ich noch, äh äh,

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acht, äh achttausend Schülerinnen hatte die (I: aha), also äh ziemlich groß, ja? Und äh warte mal, was war denn da mit den Feiertagen? Die hatten dan auch so, nehm wer an, wenn jüdische Feiertage waren, dann durften die jüdischen Kinder/in New York gibt’s ja viele Juden, ne? (I: mhm) Auch bis heute noch. Und die durften dann zu Hause bleiben. Aber ich glaub ich bin nicht zu Hause jeblieben, ich wußt ja noch nicht mal wann die Feiertage sind, das hab ich erst von meinen Söhnen jelernt, ja? (I: ja) Weil ich

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nie in der Kindheit und Jugend und so damit zu tun hatte. Äh, äh, ja, und da waren auch viele Schwarze, und, wie se eben in New York so sind, Asiaten und so. Also, da hab ich eben jelernt, auch äh sozusagen, äh, äh, dat keener besser is als der andere und so nich? (I: mhm).. Also, is eijentlich schade, dass ich auf die Mädchenschule jegangen, vielleicht hätte ich, wenn ich auf so ne gemischte Schule, da schon n sehr netten Jungen kennejelernt und wär da jeblieben. Is sogar wahrscheinlich, nich?

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I: Mhm. E: ((10 sec)) Also, irjendwie, ne große Leidensstory können se eigentlich nich aus mir machen, finde ich, nich? I: Das will ich auch gar nich. Also das, das wollte ich vorhin schon/ Nee, Moment/ E: Ja.

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Ja, ja. Also eigentlich haben die, haben diese

Holocaust-Leute recht, wenn se/ich war zwar damals n bisschen enttäuscht, erst, nu sagen, äh redet man mir zu, ich soll mich melden und dann wollen se mich gar nicht haben und so, obwohl eigentlich, um en richtiges Bild zu geben, müssten Se auch solche Leute dabei haben, sonst denken ja die Leute, dass alle Menschen wer weiß wie jelitten haben, die vertrieben wurden (I: ja), und so ist es ja eigentlich nich,ne? Besonders, wenn man so jung war. Oder nach Amerika kam, weil in

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I:

Ja. Nehm ich mal an, also

E: England hatten se’s ja schwerer.

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I: Ja, ich will, ich will das noch mal deutlich machen, also das is vielleicht was, wo, wo’s miss-verstanden wurde (E: ja), die ganze Zeit, also ähm, das ist nicht der Punkt, ich will nicht wissen, wie Sie gelitten haben, also ich setz das nicht voraus (E: ja), sondern ich will einfach nur wissen, wie Sie die Zeit erlebt haben. Ob Sie gelitten haben oder nicht, das, das äh, sagen Sie ja, ne. So, das ist

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E:

ja

ja, ja

I: wirklich nicht der Punkt. E: Äh also die meisten Menschen haben natürlich gelitten unter den Nazis. Nicht, dass Sie denken, dass ich nun - so tun will als wenn alle (I: ja) so gut jelebt haben wie ich (I: ja, ja). Vor allen Dingen die in diesen fürchterlichen Lagern waren und so (I: ja). Und auch die, die als Erwachsene (I: ja) auswandern

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mussten, haben ooch mehr jelitten, weil se äh äh Sprache und alles ändern mussten, nich? (I: ja)… Also Josef Berkiewitsch zum Beispiel, der hat janz schön drunter jelitten, de äh schon wieder ne neue Sprache in Frankreich, schon wieder ne neue Sprache in Amerika (I: mhm) und, dann war er überall so sozusagen jar nischt, wo schon gerade n bisschen angefangen hatte, in Deutschland so sich n bisschen n Namen zu machen und so, nich, das is natürlich ooch schwer für den Menschen (I: mhm). Äh, da kann

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ich so ne kleene Episode von ihm erzählen, äh, äh also äh, er saß dann beinah immer zu Hause inner Wohnung, also meine Mutter ging arbeiten, er saß zu Hause, erstens mal, weil er es noch schwerer hatte Arbeit zu finden und zweitens weil er unbedingt wollte und sie auch unbedingt wollte, dass er - seine Bücher schreibt, ja? (I: ja) Äh und, da hat er das Buch ‚meine Jugend’ geschrieben (I: ja), da in der New Yorker Wohnung. Is eigentlich eins seiner besten Bücher, wo er eben über seine Jugend schreibt, nich.

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Äh und dann kam ich nach Hause, mein Bruder war noch auf Arbeit, meine Mutter war noch auf Arbeit und ((räuspert sich)) und ich kam dann nach Hause, (sag ma) so mit fuffzehn, sechzehn oder so, und da hat er immer jerufen ((imitiert Befehlston)) ‚Esther, koch mir n Kaffee!’. Und da hab ich jesacht, ‚koch dir doch deinen Kaffee alleine’ ((I lacht)) ‚bin doch nicht dein Dienstmädchen’. Er war dat so jewohnt (I: ja), die Frauen machen die Arbeit zu Hause, da in Polen, ja, (meine) Frau zu Hause, er war

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Bergmann und und dann ooch diese katholische fromme Frau, also er hatte das bisher immer so kennenjelernt, ne, und äh da musste ich ihn erst mal n bisschen umerziehen, ne, (I: mhm, mhm) äh bis er det kapiert hatte.. Und. Und auch selbst meine Mutter hatte so kleine Anwandlungen, kann mich noch erinnern, dass wir nich jenuch Geld hatten, um so riesije Mengen Fleisch da uffn - Teller zu tun, und da hat se ihm immer so n bisschen größeres Stück jegeben. Da sag ich ‚warum denn? Wir wachsen

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doch noch, warum muß er n größeres Stück kriegen?’ (I: mhm) Ja, also, erst hat se jesacht weil er n Mann is, sag ich, ja, warum das is doch keen Argument, also sie hatte ooch, obwohl se doch so fortschrittlich war, irjend wat noch von dieser alten - Einstellung und Erziehung, ja? (I: mhm). Is wahrscheinlich schwer so wat, wat man immer so jehört hat, so ganz loszuwerden, nich? (I: mhm, mhm) (11 sec). Aber ich weiß jetzt nich mehr von wat für n Punkt wir da wieder jelandet/ich lande immer janz

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I:

das war/

E: woanders wo wer anje/, von wo wir anjefangen haben. I: Ja, das macht ja nichts. ((lacht kurz)) Das war ähm.. Es ging um die Schule, eigentlich zuerst.

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E:

Ach so, um die Schule, ja. Also

äh, das is ja wahrscheinlich gar nicht interessant, irjendwie zum Turnunterricht musste man immer, immer, irjendwie so, so wat äh, je/bestimmte jestärkte Bluse anziehen, aber das is ja völlig uninteressant. Ich weiß, des is mir so in Erinnerung geblieben, weil ich weder vorher noch nachher

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jemals so ne Uniform tragen musste (I: mhm) und so und mich dann immer da drum kümmern sollte und so. Selber büjeln sollte, wat ich jar nich wollte und. Aber das is ja völlig, das kann jenauso in jedem anderen Land zu jeder anderen Zeit passieren, nich (I: mhm), is nichts Typisches oder so. Ööh s war eben, dass es ne Mädchenschule, wa-war nich so gut für mich glaube ich. Aber - wat soll’s. I: Also, würden Sie das jetzt im Nachhinein sagen oder haben Sie das damals schon so/

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E:

Im Nachhinein (I: ja. Ja).

Damals hat’s mich nich jestört, nee. Ich würd’s höchstens im Nachhinein, also is doch irjend wie ne natürlichere Entwicklung wenn man ooch mit Jungs in eener Schule. Finde ich. (I: mhm) Ne? Finden Se nich? I: Ja

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E: Obwohl heute schon manchmal Stimmen laut werden die wieder - wollen, dass wieder jetrennt wird (I: mhm), dass die Mädchen besser äh in Mathe sind, weil se sich mehr trauen oder irjend so was. Aber ich find’s besser, wenn zusammen erzogen wird (I: mh). Das habe ich aber damals nich empfunden (I: mhm). Bin hinjegangen, Lernen hat mir Spaß jemacht, hab jute Noten gekricht, hab meine Pflichten sozusagen, die meine Mutter mir aufjetragen hat, erfüllt und so. Ah, ich war eigentlich so n ziemlich

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braves Mädchen, n bisschen frech manchmal, aber sonst n ziemlich braves Mädchen. (8 sec) I: Wie war denn das eigentlich, wie war denn so der Kontakt, ähm zu Ihrem Vater, beziehungsweise, Sie haben ja äh vorhin gesagt, er hat Ihnen dann geholfen, als Sie zurückkamen. Wie kam das, dass E:

ja, jaja. Also er hat überlebt,

I: der wieder/

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E: und zwar, und zwar hat er/ äh meine Mutter hatte ja nu schon lange vorher glaube ich keenen Kontakt mehr zu ihm (I: mhm), sie hatte auch drauf verzichtet auf Unterhalt, äh, weil er erstens, weil er dann schnell wieder neue Familie hatte und dann wa/ hatte sie ihren Stolz und sie hatte ihn ja verlassen und lauter so ne Gründe, nich, hatte sie und die Eltern, u-und die Eltern haben/ihre Eltern haben wahrscheinlich ooch n bisschen jeholfen so dass se det konnte und Arbeit hatte äh-ah und ich glaube sie

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hatte so gut wie keenen Kontakt mehr zu ihm also lange Jahre als wir da in Hamburg lebten. Äh und in Holland ooch nich, äh er konnte ja ooch nich so frei äh det Land wechseln und so. Äh, also, ich hab ihn praktisch gar nich jekannt. Anderthalb Jahre alt war ich als meine Mutter ihn verließ (I: mhm), und dann war kaum, oder ich kann mich wenigstens an keen Kontakt erinnern, wahrscheinlich war kaum Kontakt, weil meine Mutter ihm auch sehr böse war. Er hat eine ganz böse Sache jemacht, äh, sie

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musste seine Erlaubnis haben, um uns ins Ausland zu bringen. Obwohl se geschieden war, und obwohl wir bei ihr lebten, aber det war damals so, der Mann, der Vater muß äh, sagen, ja, o.k. Und er hat sich erst lange jeweigert. Er hat jemeint, och, wenn de dich richtig verhältst, dann kommste ooch mit den

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Nazis aus, ja? Äh, war so seine Lebensphilosophie, äh und äh er konnte das nich verstehen wie ma/ erst mal dass man Kommunistin wird, und, und die Kinder dann noch in n anderes Land schaffen und sie war natürlich ganz böse drüber. Und endlich hat se’s dann doch jeschafft ihn zu überzeugen, dass dat so, dass er uns damit retten würde, und das hat se ihm nie verziehen, dass wir sozusagen beinah

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umjekommen wären. Deswegen. Weil er so stur war, ne? (I: mhm) Äh.. aber wie sind wir’n jetzt drauf wieder jekommen? Das weeß ich nich mehr ((schnell)) I:

(Ich hab gefragt), wie der, Kontakt sich entwickelt hat

E: Ach so, mein Vater, wie ich den kennenjelernt hab, also mit anderen Worten, ich kannte ihn eigentlich

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überhaupt nicht. (I: ja) Und dann, äh äh und dann hat er anjefangen, das/gleich nach m Krieg, war det ja gar nich so einfach, hier überall hinzuschreiben. Und so ja, gab ja keene diplomatischen Beziehungen (I: mhm) und nischt und. Und äh, er hat das dann scheinbar erst 1946 geschafft, rauszukriegen, wo wer sind und und dat wir noch leben und und was unsere Adresse ist und so und und nur kurz bevor wir da abfuhren, erreichte uns ein Brief von ihm. (I: mhm) Also, dass er überlebt hat und, also, scheinbar hat er

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so lang jebraucht, denn ich seh sonst keen Grund, ich glaube schon, dass er – äh Interesse dran hatte. Äh, äh, so dass ich dann seine Adresse wusste, ja? (I: mhm) Und hab mich dann bei ihm jemeldet, äh, war ja sonst hier ooch keener, den ich so kannte, meine Mutter, die is äh, die is nicht auf dem selben Schiff zurückjekommen (I: ach so), äh, nein, äh äh irjendwie gab’s wohl bestimmte Schwierigkeiten, ich weeß nich, äh, ob dat wegen dem Heiraten oder ir-irjendwie äh hat das nich jeklappt, dass sie gleich

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mit diesem/ach ja, jetzt weiß ich noch, was der Grund war. Äh, man musste sagen wo man hinwollte (I. mhm). Und, die ganzen äh Kommunisten hatten immer Berlin anjegeben, weil se - dachten, da is die Zentrale und die wern einem schon sagen, wat wer zu tun haben und so, und der Sepp, also äh äh, Josef Berkiewitsch, von meiner Mutter der Mann, der wollte unbedingt nach Stuttgart, wo er doch den Sohn hatte, ja? Wollte den mal wieder sehen. Und der hat dann Stuttgart anjegeben, als Ziel in Deutschland (I:

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mhm). Und dadurch glaube ich, sind se nich mit uns jefahren, sondern sind dann äh äh kurz hinterher, einige Monate hinterher, übern äh äh Atlantik und dann Bremerhaven sind se jelandet (I: mhm). Und sind dann tatsächlich nach Stuttgart jefarhen und haben da zuerst jelebt, aber det hat natürlich gar nich jeklappt, so mit der ersten Frau und der nächsten oder übernächsten, ((schnell)) ich weeß nich mehr jenau, (die) wievielte war dat noch mal? Äh, ja, war wohl die nächste Frau, ja. Dat hat natürlich nich

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jeklappt auf die Dauer, nich (I: mhm). Und außerdem wollte meine Mutter unbedingt ((Stimme tiefer)) hier, wo .. dann Kommunisten und alles so, ((schnell)) also sie wollten eigentlich ooch, sie warn nicht so sehr lang da, wie lang weiß ich nicht mehr, n Jahr oder, oder anderthalb, äh, so ähnlich & also ziemlich kurze Zeit waren se dann da in Stuttgart, aber jetzt weiß ich nicht mehr, wie wir, wie ich dahin jekommen bin. Wonach hatten Se jetzt gefragt?

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I: Wie der Kontakt zum Vater wieder zustande gekommen ist. E: Ach so, ja, also als wir hier ankamen, hatte ich. War meine Mutter auch nicht da (I: ja). Und mein Bruder war in Amerika (I: ja). Und die Tante war in England. Und der Onkel war noch in Amerika (I:

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mhm), der is wohl n bisschen später nach, ((schnell)) der hatte dann ne österreichische Frau, der is nach Österreich – zurückjekehrt. Und die Großeltern waren tot. Und ich hatte hier so keenen und dadurch & nu hatte ich seinen Brief und seine Adresse und, und mein Mann hatte auch keine Verwandten hier und da dachte ich, na, kann man sich ja mal melden, auch wenn man ihn nich kennt.

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Nech? (I: mhm) Und dann hab ich da, bin ich da hinjefahren und wurde da mit offenen Armen uffjenommen und mein Vater war immer sehr kinderlieb, am liebsten hätter er, insjesamt hat er ja sechs Kinder jehabt (I: mhm), zwei mit der ersten Frau, zwei mit der zweiten und zwei mit der dritten – Frau, äh, ich war bei der ersten, ne, äh, mein Bruder und ich (I:mhm), äh und also lieber, am liebsten, hätte er ja noch mehr jehabt, äh und er war sehr froh, und äh er hatte ja ooch immer so gerne junge Menschen

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um sich jehabt. Um die zu beeinflussen, so (I: mhm). Dass alle so werden wie er und er hat sich sehr so im Mittelpunkt, als wichtige Person empfunden, also er hat sich sehr jefreut und da hatte er auch noch keene Kinder, das war Weihnachten 46, die äh meine, da äh die Stiefschwester, nee, nicht Stief, Halbschwester is 47 jeboren (I: mhm), und da saßen wir dann, mit dem alten Nazi, und seiner Frau am Tisch, ja? Die Eltern von der Edith, und dann mein, mein Vater und und die Edith und Hans und ich (I:

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mhm) und haben dann Weihnachten jefeiert. (I: mhm). Äh, das war so dat erste, ((schnell)) wat ich/(wie ich) ihn kennenlernte im Grunde jenommen, ja? (I: mhm) Und äh, na ja, dann haben wir so einige Jahre lang, er war dann Oberschullehrer in in Reinickendorf, äh äh hauptsächlich Latein und Griechisch (I:mhm), ich weeß nich ob auch Philosophie, ich weeß gar nich, lernt man das eigentlich an ner Oberschule? Nicht so, nech?

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I: Also, äh, jetzt - nicht, also (natürlich, aber) als eigenes Fach nicht. E:

(uv) nee, ((schnell)) ich glaub, Philosophie, er war dann, er war dann

später auch Professor, das hat er glaube ich an der Uni dann gelehrt, Philosophie, an der Schule hat er da äh äh Griechisch und Latein, äh und dann äh haben wir ja ne Weile in Reinickendorf jewohnt, so dass wir doch mal besuchten und so. Äh aber dann äh wurde es doch langsam schwieriger, erst mal hab

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ich so jesehen, wat er so fürn Mensch is & sehr schwierig mit auszukommen, und dann vor allen Dingen, als meine Mutter kam, äh, da hat se, da hat se jesagt, also entweder der oder ich. So, ja? Also sie war ihm noch so böse, also sie wollte jar nich dass ich noch mit ihm verkehre, das war dann schwierig, ne Weile lang hab ich so n bisschen heimlich, beide und so, (I: ja) äh und dann äh, hat er, ((langsam, leiser)) ja, warte mal, wat hat er dann jemacht? Äh.. Er is immer so überall dagegen und so,

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äh.. wo war er da grade gegen? Äh.. Ja, er wurde dann rausjeschmissen, aber det hat wohl einije Jahre jedauert (I: mh), warte mal, er war so n paar Ja/ich weiß nich mehr so genau, einije Jahre später wurde er da rausgeschmissen, weil er irjend wat in Ost-Berlin jemacht hatte, wat die nun wieder nich wollten (I: mhm) oder so. Äh, äh/ I:

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Von der Schule, wo er war?

E: Ja, ja, irjend wat Politisches hat er, nich, dass er Kommunist war oder so, aber, irjend was, wat denen nich in nen Kram jepaßt hat, ((schnell)) hab jetzt vergessen, steht in seiner Biographie (I: mhm), ähm

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äh und die haben ihn dann rausgeschmissen, und dann hat er in Dresden ne Professur jekricht (I: mhm), und dann is er mit der janzen Familie nach Dresden, das hat a/das is aber ooch nich lange gutjegangen, ooch höchstens n paar Jahre, weil er da sich jeweigert hat, an ner Maidemonstration teilzunehmen, dat wollten die nun wieder nich tolerieren. Ham ihn ooch wieder rausjeschmissen. Ob dat nun so richtig

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rausschmeißen oder rausekeln war weiß ich nich mehr (I: mhm), auf alle Fälle~. Und da is er wieder nach West-Berlin und dann wurde er da wieder Lehrer und dann äh, irjendwie, also andauernd, andauernd hat er irjendwo anjeeckt und so. Er wollte immer so, war weder für, für West noch für Ost, er war für Walter Pelzmann dat war, also für sich so, ja? (I: mhm) Er - war die Hauptperson, so ungefähr, und alle sollten’s so machen wie er, äh wollte. Und dann äh war er, hat er dann äh in West-

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Berlin wieder jewohnt äh und ähm äh und und dann wurde, hat er ne Professur an der HumboldtUniversität jekricht (I: mhm). Äh, das war glaube ich 1960. Ähm, da hat er so Philosophie und alte Sprachen gelehrt. Und dann kam äh..61, so ((leiser, langsam)) äh na ich bring jetzt bisschen wat durcheinander. Ja. Wann war dat mit der Mauer? 61, 61, nich? I:

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61, ja, ja.

E: Ja. Äh, ja und dat war nun schwierig, also, weil er ja im o/ im Westen lebte (I: mhm) und im Osten arbeitete, und da wurden die vor de W/vor die Alternative jestellt (I. mhm). Äh entweder musste er na/ in Osten ziehen und seine Arbeit behalten, oder im Westen wieder so Lehrer werden oder irjend so was, ja (I: mhm). Und da hat, hat natürlich/war natürlich gern Professor, aber andererseits wollte er eigentlich nich in Osten ((schnell) dann is er aber nach n os/ is dann nach Ost-Berlin jezogen, ja?

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(I:mmhm, mhm) Wat seine Frau gar nich gerne, also die war doch so, war sehr unglücklich, ist aber mitjekommen. Diese, die jetzt mir die Blumen jebracht hat (I: mhm), die jetzt 88 is, ja? Ähm.. ((leiser)) Mensch, hätt ich nicht jedacht, dat die dat noch schafft, so rumzurennen. ((ausatmend)) Äh - ja, jeder hat n anderes Leiden. Ähm, äh, wo waren wir denn gerade? Mit Vater, ach Vater kennenlernen, ja (I: mhm). Also damals war er noch in Berlin, ham wer allerhand mitnander, und als er dann in Dresden

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war, und dann da rausjeschmissen, also da war et ja nun janz aus mit meiner Mutter, also irjend wie so wat konnt se jar nicht vertragen, sich mit den DDR-Oberen verkrachen und so, also es war immer sehr schwierig so mit den beiden, ja? Ein einzijes Mal haben se sich - noch mal wiederjesehen, auf irjend so nem Empfang von der Uni (I:mhm), da war er als ordentlicher Professor, und Josef Berkiewitsch krichte die Ehrendoktorwürde (I: aha). Und so waren se zufällig auf derselben Veranstaltung (I: ja).

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Und da weiß ich noch, da hab ich wieder n Fauxpas jemacht, hab ich zweimal jesacht, det is mein Vater, ja? Also, irjendwie bei Josef Berkiewitsch, irjend jemandem vorjestellt, det is mein Vater und und und da war er ganz böse drüber & is doch nich dein Vater, ich bin doch dein Vater und irjendwie gabs da ooch Kra/ also irjendwie gabs immer irjendwelchen Krach mit ihm. Es war schwierig. Und dann, mit Hans, mit dem Hans hat er sich ooch nich so jut vertragen, aber ich wollte, so bisschen friedlich und äh

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e-er hats ja auch nich böse jemeint, er war einfach so, sozusagen von/übrigens war’s n Studienfreund von dem Albert Weiss (I: mhm), ich weeß nich, ob ich das schon erzählt hab, ja, (I: mhm), so haben

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sich meine Mutter und mein Vater auch kennenjelernt. Der Albert Weiss, (uv) Philosoph und so, hat auch da in Karlsruhe studiert, I:

jaja, (das haben Sie vorhin erzählt)

E: mein Vater auch, Albert Weiss war 1902 jeboren, mein Vater 1900, also sie waren so ungefähr

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gleichaltrig und selbe Uni und selbet Fach, haben sich da kennenjelernt und ist der, ist der äh Rudi äh, na, warte mal, einmal zu Besuch jekommen. (I. mhm) Seinen Studienfreund besuchen äh und da hat erdann meine Mu/war Günther und da hat er dann meine Mutter, seine/ Schwester von Günther, so haben se sich kennenjelernt, nich? (I. mhm). Äh, ja, also ich kann nur sagen, die ganzen Jahre war irjendwie n bisschen Kontakt, meine Mutter is ja dann 61 schon jestorben, danach wars n bisschen

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einfacher, aber es war immer schwierig, der Hans hatte immer keene Lust, hinzugehen, weil, weil, äh da war immer, gegen irjendwat war er immer und musste immer anjeben, und es war n bisschen schwierig (I. mhm) mit meinem Vater, ja? Und Hans war so n bisschen friedlich und ruhig und und, hat dann ooch nich jefallen dass er immer so jegen den Kommunismus wetterte, also irjendwie sind wer so über de Runden jekommen, so, nich besonders jut vertragen, aber, bisschen Kontakt jehalten. So, könnt

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ich das mal beantworten. (I: mhm) Und dadurch hab ich natürlich auch seine letzten Kinder, also von, von der dritten Ehe nich so gut kennenjelernt wie ich sonst hätte, wenn die Beziehung besser jewesen wäre, ne? (I: mhm). Und die Irene, meine Sti/Halbschwester, die kann mir det ooch nich verzeihen, dass ich, nich so, sie is, sie bewundert ihn heute noch, ihren Vater, ja? Wat er fürn/er war ooch n kluger Kopf eigentlich, bloß irjendwie n bisschen verdreht so, immer so allet so wie er will und äh, und sie is

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mir heut noch böse, dass ich ihn nicht so bewundert hab wie sie (I: mhm). So. Das ist alles was ich über die Beziehung sagen kann. (I: mhm)… Und jetzt sind se alle tot oder weg oder. Jetzt is keener mehr da. Außer Gert. Und ich bin janz alleine im Alter (I: mhm). Nich so leicht (I: mhm). Bis jetz manage ich noch alles, aber, weiß nich wie lange noch… I: Und Ihr Bruder ist ja schon - vor längerer Zeit gestorben, nicht?

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E: Äh, der in Amerika da, der richtije Bruder, ja? Ja, der ist leider 1989 plötzlich an nem Hirnschlag gestorben, ja? (I: ja). Ich hatte ihn noch ei/äh n paar Mal besucht, 1981 durfte ich zum ersten Mal – raus (I: mhm), ich durfte bei diesen vielen Reisen, die mein Mann machte, durfte ich nie mit. (I: ach) Die haben immer die Frauen als Pfand hierbehalten, ja? (I: ah ja) Dass se auch wiederkommen, die Leute (I: ja), nich? Äh, also da durfte ich nie mit, ich durfte höchstens mal mit, wenn er in Moskau auf m

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Kongreß war oder so, ja, aber nich Westdeutschland. Äh und ich durfte erst, in den Westen reisen, als ich alt war - in Anführungsstrichen (I: mh). Und alt war ich schon mit 55 ((I lacht kurz)). Und zwar, weil in der DDR Männer mit 65 und Frauen mit 60 (I: mhm) in Altersrente gingen, und äh und alle ver äh Verfolgten des Naziregimes fünf Jahre früher in Altersrente gehen durften (I: ja), so dass ich mit 55 als - Altersrentnerin galt, ja? Äh, und das war so mein Glück, also ich bin 1980 im Herbst 55 jeworden,

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und da konnt ich dann he/hab ich 1981 zum ersten Mal meinen Bruder besucht (I: mhm), vorher is er in größeren Abständen mal herjekommen, haben wir uns mal jesehen, mal fünf Jahre, mal zehn Jahre oder so (I: mhm) äh, also, so dass wir uns nicht so ganz aus den Augen verloren haben. Und er is auch

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eigentlich der einzigste, dem ich schreiben durfte, die haben doch furchtbar zensiert alles, ja? Und wenn ich so sagen wer mal irjend ner Jugendfreundin jeschrieben habe, dann is dat jar nich anjekommen und so (I: mhm). Das hat’s auch schwer jemacht, dadurch habe ich dann alle meine - Jugendbekanntschaften verloren (I: mhm), wenn ich mit denen ständig hätte te/schreiben können, wär det vielleicht ooch

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erhalten jeblieben (I: mhm), aber wenn jemand Jahrzehnte nischt von einem hört, denn is der natürlich verloren, als - Freund oder Freundin, nich (I: mhm). Aber det mit dem Bruder dat haben se, haben se irjendwie jestattet. Scheinbar. Denn er hat die Briefe immer jekricht. Äh und äh, da hab ich also 81 ihn zum ersten Mal besuchen können und äh der war sehr gut im Organisieren, äh da hat er also erst mal New York, haben wir ne Woche in New York verbracht, äh er war, hat da schon nich mehr in New

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York jelebt, er hat von 37 bis 78 in New York gelebt (I: mhm) und dann is er umjezogen, läufts noch? (I: ja), Dann is er umjezogen äh, is er überall rumkutschiert in den USA, um zu gucken, wo man besser leben kann (I: mhm) als in New York. Da wars ihm zu dreckig, zu viel Kriminalität, zu kalt, also er wollte da nicht mehr leben, äh, war er aber nicht der einzigste, viele Menschen so äh, sind da weggezogen, nich, die’s sich irgend leisten könnten (I: mhm). Und da hat er Seattle ausjesucht (I: mhm)

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an der Nordwest äh Nordwesten der USa, ja? Äh, w-son Berg in der Nähe und – das Meer in der Nähe und immer so ne halbwegs erträgliche Temperatur, nicht zu heiß, nicht zu kalt, das einzigste is, dass es n bisschen viel regnet da, also, er hat das ausjesucht. Und dann sind se 78 da hinjezogen. Äh Und äh, dann is auch der der Sohn da, Portland, wat ja nich so weit ist, da in das Portland Symphony Orchester jekommen, und 81 lebte er also nich mehr in New York, als ich zum ersten Mal da wieder war. Da hat

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er also sich bei Freunden ein//sich und mich bei Freunden einquartiert und ne Woche is er da rumkutschiert mit mir in New York, (denn) meine alte Schule besucht in New York und so weiter (I: mhm), alles anjeguckt, nich, und dann sind wir jeflogen äh zu der Janie, zu seiner Tochter, die lebte zu der Zeit in San Francisco, da sind wer da ne Woche jeblieben, und dann hat sie uns rumkutschiert und alles jezeigt und dann sind wer nach Seattle, wo seine Frau war, äh, jefahren und da war ich noch vier

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Wochen, also das erste Mal war ich sechs Wochen da, ja? (I: mhm) Und hatte aber überhaupt keen Geld, ne, denn DDR, da konnte man - 15 D-Mark tauschen, ja? Also, es hätte vielleicht, für ne Taxifahrt jereicht (I: ja), aber sonst nischt, ja? (I: ja) Man musste also unbedingt jemand haben, der ein alles spendiert, ja? (I: mhm) Wat natürlich auch die Beziehung zu meinem Bruder nicht leichter jemacht hat, denn er hat mich dann erst wieder 89 einjeladen, war ihm wahrscheinlich zu teuer, da jedes Jahr

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jemanden wochenlang aushalten, er mußte ja die Kinder äh lange unterstützen und so, ne, und die Frau hat wenig verdient~. Äh, also, ich denke, wenn ich dat hätte selber zahlen können, wär ich n bisschen häufiger schon in der DDR-Zeit, und dann bin ich 89, hat er mich noch mal einjeladen, da wurde er, warte mal, wat? Sechze/65, ja (I: mhm). Zu seinem 65. Jeburtstag hat er mich noch mal einjeladen, war ich ooch wieder n paar Wochen, weiß nich mehr jenau, drei oder vier Wochen da, äh und dann is er, äh,

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kurz drauf is er plötzlich jestorben, äh und danach bin ich dann noch einije Male jefahren, einmal war ich mit Gert in Miami Beach, so einfach als Tourist (I: mhm). Ja? (I: mhm) Da kannt ich keenen, aber ich war noch nie im Süden und so, äh, und einmal hab ich ne janz interessante Tour jemacht, hab ich

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hier in so ner in so ner Werbezeitung gelesen, damals war ich noch nicht so gegen Werbezeitungen, weil ich ja noch besser treppauf treppab gehen konnte (I: mhm), ähm, da stand, äh dass eine Gruppe von Trabant–Fans eine, eine Reise durch Amerika macht, entlang der Route 66. Haben Se von der schon mal jehört? (I: Ja) Hört man doch oft von, ne? (I: jaja). Die geht von Chicago nach Los Angeles

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(I: ja). Und die feierte grade 70. Jeburtstag, die Route 66. Und der Trabant äh Club, der wollte unbedingt, der wollte ooch irjendwie feiern, ich weeß nich, ob se n bestimmten Jeburtstag oder ob se nur- so (I: mhm), auf jeden Fall haben se alle als Fan-Club von Trabant, hatten natürlich ooch jeder n Trabant, äh sind se die janze Strecke jefahren (I: mhm). Und suchten Leute, die mitfahren. Eigentlich wollten se ja Leute, die ooch n Trabant haben und ooch fahren, ich hab mich aber jemeldet, frech, wie

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ich immer so bin, und hab jesacht, ich möchte jern mitfahrn, hab keen Auto, kann auch nich fahrn, so gut wie jar nich, hab’s mal jelernt, aber, is nicht viel draus jeworden, äh, ich könnte aber anbieten, erstens dolmetschen, wenn jemand nicht Englisch kann (I: mhm) und zweitens kann ich auf Kinder aufpassen oder irjendwat reparieren oder so (I: ja), verschiedene Sachen, die ich so kann, hab ich anjeboten, und die haben sofort ja jesacht (I: aha). Und dann bin ich dann 1996 äh mit diesen Club da

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rüber jefahrn, äh, das war janz schwer zu organisieren, aber ich mußtes ja nicht organisieren (I: mh), zum Beispiel, diese Erlaubnis zu kriegen, mit diesen Zweitaktern. Is ja gar nicht mehr erlaubt in den USA mit so furchtbaren Abgu/Aus-uffgasen und so (I: mhm). Haben se Sondererlaubnis jekricht, und dann sind wer jeden Tach, das war ganz schön anstrengend, deswegen konnte auch Gert, Gert hält so wat nicht so aus, psychisch schon nicht, andauernd woanders und, und so, also, sind wer jeden Tach im

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Durchschnitt 12 Stunden jefahren, mal 10 mal 14 Stunden, also die meiste Zeit warn wer unterwegs. Aber mich hat das natürlich interessiert, ich war nie im Mittelwesten jewesen und ich war immer nur in so großen Städten (I: ja), ob dat nun New York oder damals San Francisco oder so, und da haben wir dann immer in irjend welchen kleenen Orten jehalte,n und und dann so haben die Leute, ((betont)) aach, haben sich jefreut, endlich mal Abwechslung in dem langweiligen Leben, und so, und dann haben se

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immer alle behauptet sie wärn Deutsche.. ((lauter)) I’m a German, too! Und dann hab ich versucht Deutsch zu sprechen, hatten natürlich keene Ahnung von Deutsch. Irjendwelche Eltern oder Großeltern waren mal aus Deutschland jekommen und um uns ne Freude zu machen, oder vielleicht auch um sich selber ne Freude zu machen ((I lacht leise)), haben se dann behauptet, se wärn Deutsche, ja? (I: mh) Äh und äh also wussten nischt mehr von Deutschland, weder die Sprache noch sonst wat. Ja? Haben bloß

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so in Erinnerung gehabt, irjendwie war Großvater von Deutschland jekommen oder so (I: mhm). Äh, aber war interessant, so mal so, so Landvolk kennenzulernen, ne? (I: ja) So kleine Städte, ich hab dann immer abends Fernsehen jeguckt natürlich, ja, weil dat ooch ganz/ denn als wir da waren gabs ja noch keen Fernsehen und, und, naja auf diesen Reisen hab ich ooch nich so viel Gelegenheit jehabt. Und det war natürlich ganz interessant, wurde immer groß angekündigt, ((lauter, betont)) wir haben eine

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deutsche Gruppe hier in der Stadt und und so, war n großes Ereignis (I: mhm), ja? Is sonst nich so viel los in so nem kleenen - Ort und so, ne? (I: mhm) Aber für mich war das ooch interessant. Anstrengend war des schon jeden Tag immer so viel Stunden & und der Mann der am Steuer saß, der konnte

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tatsächlich keen Wort Englisch, konnte ihm helfen, des war so n Automechaniker (I: mhm), der hatte zwee - Trabanthälften zusammenjebastelt (I: is ja witzig) ja? So dass es im Grunde jenommen n janz langes großes Auto war, ja? (I: mhm) Und äh, er saß dann mit seiner Frau vorne und ich konnte hinten öh jemütlich die Beine ausstrecken, was mans sonst im Trabant jar nich so kann, ne? (I. mhm) Und also

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für mich war das n sehr großes Erlebnis. Waren wir ungefähr sechs Wochen unterwegs. Immer so von Ort zu Ort, und äh mal hier jehalten, mal n Museum anjeguckt oder, das hatte alles der Reiseleiter organisiert. Dat war ooch schön für mich, dass ich mal nich alles, so sagen wer mal, bei Miami Beach oder wenn irgend so ne Fahrt war, da musste ich ooch immer viel organisieren, ja? (I: ja) Aber da brauchte ich nur mich bei dem melden und bezahlen und alles andere haben die jemacht, ne? (I: mhm).

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Dat war schön, ja. Aber ich weeß jetz nicht mehr, wie ich da drauf jekommen bin. Ach, so, mit USA und Bruder wieder sehen (I: genau). Also einije Male, mindestens fünf, sechs Mal oder vielleicht noch mehr, müsst ich jetzt scharf nachdenken, einmal war ich mit dem jüdischen Kulturverein in New York (I. aha). 1994. Die haben so ne Reise organisiert, zehn Tage New York, hat ooch eene vom Kulturverein, dat is nicht so ganz dat selbe wie jüdische Gemeinde, ja? (I: mhm) Äh, hat ooch allet

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organisiert, man musste dann bloß mitfahren und die hat allet jemacht, ich bin dann aber hinterher noch ne Woche – zusätzlich jeblieben, weil die von ta/früh bis abends immer volles Programm hatte und ich wollte doch noch n bisschen äh ansehen wo ich jearbeitet hab und wo ich jewohnt hab (I: ja) und, und da hab ich jesacht, ich war da noch n bißschen besser zusammen, beisammen als jetzt, ne (I: mhm), ich schaff det ooch alleine, wenn sie det oranisiert, dass ich.. irjendwie äh-äh Paß, mit m Paß gings wohl,

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irjendwie musste die Unterkunft, hat se mir jeholfen, und äh ich musste dann nur eben sehen, dass ich dann an der Stelle war, wo det Flugzeug abflog äh nach ner Woche (I: mhm), also det hab ich, hab ich dann ne Woche allein da verbracht. Und so waren so einije Male, wo ich nach, seit dem Krieg, äh letzte Mal war ich am 11. September 2001 da. In US, in USA (I: tatsächlich). Ja. Da waren Gert und ich in San Francisco (I: aha), das is ja zum Glück nich da (I: ja), wo äh-äh jebombt wurde oder (I: ja) oder äh

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äh einjefa/einjeflogen wurde.Ich hab das auch erst erfahren als ich hier zu Hause war, ja? (I: ja) Wir sind da irjendwie äh janz früh abje/ und der Zeitunterschied und alles, also, ich hab erst als ich hier de Wohnung betrat und sofort Nachrichten hörte, da hab ich erst jehört von diesem Ereignis (I: mhm). Aber es war der 11. September, als ich abflog, äh und äh, seitdem is ja alles auch schwieriger jeworden, ne? (I: mhm). Nicht nur mit mir und mit der Jesundheit, sondern auch da (I: mhm), sind so furchtbar

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fanatisch und patriotisch jeworden, und und tausend Sicherheitsbestimmungen und, also, is richtig n bisschen schwieri-jer so mit dem Fahren jetzt, nich? (I: ja) Geben Se doch zu, nich? (I: ja isses in der Tat, ja). Na und aus all diesen Gründen bin ich seit, also 2001 war das letzte Mal und vielleicht war’s für immer das letzte Mal. (I: mhm) Wenn die Ärzte mir nicht irjendwie wat zaubern können mit meinem Rücken (I: mhm) So, das is, wat war dat? Mit meinem Bruder die Beziehungen (I: ja), ja. Also,

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wir haben uns eigentlich immer gut vertragen, bloß - er war eben da und ich war hier und dadurch, war et nicht so’n enges Verhältnis wie’s sonst vielleicht jewesen wär (I: ja). Ihre Eltern waren übrigens, von äh von seiner Frau, die waren äh aus, wat war dat Rumänien oder da ich weeß nicht, irjendwo da,

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irjendwat so im Osten, waren die einjewandert (I: mhm). Aber sie war schon selber in den USA jeboren (I: aha). Ja? Waren ooch jüdische Einwanderer (I: ja) (11 sec) I: mhm E: Na, haben wir doch alles durchjekaspert, oder haben Se immer noch Fragen? (I lacht/schmunzelt kurz).

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Ich hab nischt dagegen. Ich denk bloß, ich fall Ihnen langsam auf n Wecker mit meinem vielen Reden. I: Nee, nee-nee, aber ich/ E:

Nee? Is besser wir machen’s heute, ich möchte nicht, dass Se noch mal kommen müssen,

weil ich so viel zu erledigen habe, ja? (I: ja, ja) Und is doch n bisschen strapaziös (I: ja), also ich möchte det abjehakt haben (I: genau), außer dieser kleenen Aufgabe die ich noch habe hier.

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I: Ja, jaja, ich muß nur grad n bisschen gucken, wo ich hier in meinen/ ((Papierrascheln)) E:

Ja, überlegen, ja

ja, was Se noch aufjeschrieben

haben, was Se noch fragen wollten. I: ja, genau E: Läuft das Ding ooch immer noch, dass ich nicht wieder umsonst jequatscht hab?

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I: Nee, das läuft immer noch. E: Letztes Mal haben wir acht Stunden insjesamt jeredet. Diesmal is ja noch nicht so lang. I: Ja ((Papierrascheln)) (6 sec) I: (Können Sie sich/)

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E: Schade, dass Se nich n bisschen mehr über meine Mutter so. Aber so furchtbar viel weiß ich ja auch gar nicht über sie, ich glaube, ich hab dat meiste was ich weiß erzählt. Mir wäre so am Herzen gelegen wenn se n bisschen mehr nachträglich noch geehrt wurde. Die war immer so bescheiden. Zum Beispiel, hat se ganz viel, ja das wird Sie vielleicht interessieren, dem Josef Berkiewitsch jeholfen bei seinem Schreiben (I: aha) äh, äh äh-i haben zum Beispiel jeden Abend da jesessen, sie nach ihrer Arbeit, und er

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nach seinem Tag Schreiben, äh und äh er wollte ja nun in die Weltliteratur. &Er hatte doch nischt jelernt in der Schule, nich? (I: mhm) Und und und äh, wollte, hat schon n bisschen in Frankreich damit anjefangen und, kennenlernen. Aber konnte ja nun keen Englisch (I: mhm). Und da hat meine Mutter dann immer Bücher aus der Bücherei jeholt, Tolstoi, Gorki, wat weiß ich (I: mhm), alle möglichen, Sachen, die se meinte, wärn jut für ihn. Für de Bildung, so nich? Und für als Schriftsteller und so weiter.

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Und dann hat die da immer ((Stimme gehoben)) fließend vorjelesen. Und da hab ich dann mal jefragt, ‚ja woher kriegste denn hier deutsche Bücher?’ Da sagt se ((Stimme gehoben)) ‚die sind nicht auf Deutsch, die sind auf Englisch’ (I: mhm). Aber sie hat sozusagen, als wenn det so da in Deutsch stehen würde, hat se ihm dat, ins Deutsche übersetzt, weil er ja sonst det nicht, ne, und so hat er bisschen seine Bildung verkomm/vervollkommnet, und seine Manuskripte hat se ooch immer durchjesehen, also die

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hat sich/hat wirklich furchtbar viel jearbeitet. Und äh, als ich dann in der Akademie der Künste das Findbuch las (I: mhm), äh, dann hat se überall so verbessert, stilistisch, sie war ja besser, hat ja mehr Bildung gehabt, ne? (I:mhm) Hat dann immer ihm jesagt, na, musste so ausdrücken oder so ausdrücken

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und so, hat ihm immer geholfen dabei, und äh und, das war oft in den Manuskripten zu sehen, die dann in der Akademie der Künste landeten (I: mhm). Und da haben die doch geschrieben, äh, ((lauter, betont)) Kommentare von unbekannter Hand. Und da hab ich aber protestiert und hab Ihnen schwarz auf weiß ((I: lacht)) mit Schriftproben und allem möglichen (I: ja) hab ich gesagt ((schnell) dat hat

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meine Mut/dat is keene unbekannte Hand, sondern das ist die Hand meine/Schrift meiner Mutter, ja? (I: ja) So war die immer, sich immer zu zurückhalten und so, ja, ja nicht irjendwo groß glänzen, nur immer Jutes tun und so, aber, aber sonst, braucht keener wissen, so ungefähr, nich (I: mhm). Aber ich fand, dat brauchen Leute wissen, nech und deswegen wo ich nur konnte, waren ja nich viele Möglichkeiten, aber zum Beispiel war da so eine Möglichkeit wo ich ihr dann wenigstens nachträglich noch n bisschen, zu n

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kleen bisschen Ehre verhelfen konnte, nich (I: mhm). Nun steht eben da drin äh, dass sie die Kommentare jeschrieben hat, ne? (I: mhm).. Er hat auch dann nach ihrem Tod nischt mehr jeschrieben. Irjendwie/ja, ich weiß noch seinen Kommentar als sie starb. Bin ich natürlich sofort hinjefahren, er hat noch n Weilchen jelebt, sie ist 61 jestorben und er ist 65 jestorben, da hat er jesacht ((langsam, hohe Tonlage)) ‚Was wird denn nun aus unseren Büchern?’ Also, dieses unseren, dat hat mich beeindruckt

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so. (I: ja). Also er hat das so als Jemeinschaftswerk empfunden (I: ah ja, mhm) aber, andere Leute nich ja, die öäh, irgendso’n Schema, wa, äh Josef Berkiewitsch, ne. (I: mhm) Und det, janz ejal wie die Wirklichkeit ist, mmh, det Schema wird beibehalten, ne? (I: mhm) Beibehalten. Er hat dann auch nicht mehr jeschrieben. Ob dat nur Kummer war oder ob des daran lag, dat sie nicht da, irjendwie doch n bisschen zurechtjeschliffen hat, wahrscheinlich ne Kombination von beidem & er war ja inzwischen

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auch schon alt, er ist mit 75 dann jestorben (I: mhm). (6 sec) ((Leise)) Ja, so könnt ich so allerhand Anekdoten erzählen (I: ja gerne), aber alle fallen mir vielleicht doch nicht mehr ein, wa. Wenn se so irjendwie bestimmte Frage stellen, dann fällt mir immer die eine oder andere Anekdote dann ein (I:mhm). I: Ja, jetzt ist das so (ca. 2W. uv)

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E

Aber von dem ganzen Umfeld haben Se so n Eindruck gekriegt, wa?

I: ja, ja E: ja, und wat wollen se nu, wollen Se von zwei äh Kindern von äh äh äh von Verfolgten wollen Sie ne Doktorarbeit schreiben? I: Nein nein

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E: Da muß doch noch n bisschen mehr I: Nein, also E: Was wollen Se n noch machen? I: Ähm es gibt noch andere Interviews (E: ja), die ich noch/also die ich nicht geführt habe, sondern die vorher schon geführt worden sind, auch mit Kindern,

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E:

in den USA. von den Emigranten

ach, in den

USA? I: Genau.

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

E: Die da jeblieben sind, so wie mein Bruder oder so, ja? I: Genau, die dageblieben sind, mhm. E: Ah, das ist gut, denn das sind ja wirklich die meisten. I: Ja.

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E: Und insofern wär es unfair, so zu tun als wenn die alle zurückjekommen wären. I: Ja, wobei das nicht äh so die Frage ist, also, ob das, mh, mh, ja, also in Anführungsstrichen repräsentativ ist oder so, ja? Weil, es gibt eben, also Sie sind ja eine von vielen, und Sie sind eben zurückgekommen (E:ja), andere sind nicht zurückgekommen, es gibt die unterschiedlichsten Fälle (E: ja, ja), und äh, man kann, man kann dann natürlich gucken, also was ist anders gewesen, aber es geht

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um/ E: Ja, ja, einmal war so n Punkt da hat mein Bruder in Erwägung gekommen zurückzuziehen, das war in dieser Mc Carthy oder kurz nach der Mc Carthy Zeit, genau weiß ich’s nicht mehr, (I: ja) da wollten se ihn nicht haben hier. Da waren se, äh da hatten se Angst, dass er als ((stark betont)) Spion kommt (I: hm). Also da wollten se ihn nicht mehr haben, ja? Da war zu spät (I: mhm), so, unjefähr. Er, wär noch

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so, so was Ähnliches wie n Flüchtling vor’m Mc Carthyismus jewesen oder so. Also, det fand ich ja nun ooch nicht sehr nett, aber ob er dat nun wirklich ernsthaft wollte, irjendwie hab ich’s so mal mitjekriegt. I: und wie war das für Sie? Also, die Entscheidung, mit hierherzugehen, war das äh was, was Sie mal irgendwie.. ((atmet aus)) bereut haben, oder, oder

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E: Ja, ja also ich muss sagen, in den letzten Jahren hab ich’s n bisschen bereut. Am Anfang bin ich überhaupt nicht dazu jekommen nachzudenken. Immer hatte ich viel zu tun, studieren, und Kinder und Krankheit und tausend Dinge, bin ich überhaupt nicht dazu jekommen, über so was nachzudenken, aber so im Laufe der Jahre und Jahrzehnte, hab ich zu mir jesacht, ((hohe Stimme, betont)) eigentlich war dat nicht so besonders klug. Eigentlich wär ich besser dran jewesen es so zu machen wie mein Bruder,

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da zu bleiben, n Amerikaner zu heiraten, äh dann hätte ich wahrscheinlich nicht so viele Schwierigkeiten, so, mit allen Leuten auskommen und so wat alles jehabt, ja? (I: mhm) Also, äh n winzijes bisschen hab ich s be/nicht so wirklich, ich hab doch hier gut jelebt, ach von dem Grundstück hab ich - noch nischt erzählt (I: mhm), wir hatten n Grundstück, 1957 haben wir’s jekauft ((räuspert sich)) und mit sehr sehr viel Mühe hab ich’s nach dem Tod meines Mannes verkauft. Äh weil, äh,

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haben Se schon mal von jehört, wie schwer dat war, allet, mit diesen DDR-Grundstücken? (I: mhm, ja). Jahre dauert das, (I: ja) bis, bis man dann äh & irjendwie nachjewiesen hat, dass da keen, anderer n Anspruch hat, und, also ich hab 92 anjefangen damit, und äh war 99 war ich erst fertig damit, da war erst der Vertrag fertig und so, ja? (I: mhm) War sehr schwierige bürokratische Arbeit (I:mhm), ja? (I: mhm). Aber ich wollte das machen, so, äh um dat Jeld dem Gert zukommen zu lassen, ja, für später (I:

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mhm) so, weil er ja nur seine äh ziemlich niedrige äh Erwerbsunfähigkeitsrente hat (I: mhm), ja? (I: ja) Und deswegen gebe ich mir Mühe mit allen möglichen Sachen so für ihn, hier noch Geld zu scheffeln, dass er, später, wenn er schon sonstwie benachteiligt ist, wenigstens keene Geldsorgen hat, ne (I: mhm).

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

Und deswegen hab ich mir da so viel Mühe jegeben, des hätt er auch nicht so alleine jeschafft, mu/äh, ((schnell)) auch eines von den vielen Projekten, die ich vor meinem Tod schaffen musste, und hab det sozusagen, das ist jetzt über de Runden, ne, seit einijen Jahren. Äh, aber das war sehr schön, mein Mann war doch so’n Naturfreund, ja? (I: mhm) und da sind wir jahrelang jedes Wochenende

5

rausjefahrn (I: hm) Und da war er so glücklich, hat er dann so unter den Birken gesessen und dann so seine Manuskripte da jehabt und – alles andere musste ich machen, so, ja? (I: mhm), Äh, die janze Zäune bauen und wat wat weiß ich alles, wat da, die Kinder beaufsichtigen und so weiter, nich? Da war er sehr glücklich. Aber zum Schluss hab ich mich dann äh jeweigert, weil, er wollte dann auch immer im ganzen Winter noch rausfahren (I: mhm), und da gabs keene richtije Heizung, war ihm alles egal.

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Hauptsache er war in der Natur, auch wenn’s da null Grad war, da hat er sich unter ne Decke verkrochen oder so, und dann die letzten Jahre hab ich dann jesagt, na dann fahr alleine. (I: ja) Al/ich geb ihm Essen mit und und alles wat er brauchte, und da ist er dann zwar nicht mehr ganz so lang geblieben, aber dann is er dann eben alleine jefahren, so (I: mhm). Aber sonst, jahrzehntelang, also siebenundfünfzig haben wir’s jekauft und ähäh, wie jesagt, neunundneunzig waren wir erst janz fertig

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mit dem Verkauf & aber nach seinem Tod (sind wir nur noch wenig, weil Gert) und ich beide nicht so recht Autofahren und mit der Bahn war’s mühevoll und, ich sah ooch keenen Sinn mehr drin, da äh, da immer mich abzumühen und so ne (I: mhm, mhm). Äh, aber war, für die Kinder war’s schön, als Kind/für meinen Mann war’s sehr schön, für mich war’s ne janz schöne Belastung. ((Leiser und undeutlich)) Weil er det immer so ganz selbstverständlich nahm, dat ich alles, ich alles regel und er so

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schön so sein, so seine Manuskripte so. So ooch wie bei dem Josef Berkiewitsch, der hat sich auch immer von der Frau allet/zwar nich handwerken lassen aber, aber, sonst auch so. Manche Menschen sind so f/ sind so .. Na ja kam wahrscheinlich auch durch seine Krankheit dass er so immer dat alles nicht konnte nich? (I: mhm) .. Hat mich nich jestört. Nun später als er dann älter wurde, wur/ ging’s mir ein bisschen auf den Wecker, jedet Wochenende rausfahren, egal was für Wetter und so nich, na war

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mir doch dann zu la/ anstrengend da hab ich jesagt … aber wie sind wir denn darauf wieder jekommen .. ach so ob ich’s bereut hab ja I:

30

ich muss selbst grad überlegen (Sie sagten dass Sie)

E:

also ich will nich äh ich hab ja .. janz jut jelebt ja so

finanziell (I. hmhm) .. am Anfang war’s ein bisschen schwierig so ne hat er nur ne, kle Stipendium jekriegt, und so, aber dat hat uns auch weiter nich jestört, dann hatten wir, wie jesagt keene großen Bedürfnisse und so, äh und später hatten wir dann eigentlich jenug Geld um, mal äh, da ha/ sind wir mal nach ((Stimme senkend)) Bulgarien jefahren im Sommer und, hatten das Grundstück äh und

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mussten nicht unbedingt irgendwie, auf wichtige Dinge verzichten oder so, waren mit der Wohnung natürlich auch ein bisschen, besser, dran und Telefon als andre Leute wegen dieser janzen VDN Jesetze (I: hm), also die Verfolgten wurden hier sehr bevorzugt (I: hm) & ich hab gar nich mal alle Vorzüge &

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Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

die hab ich erst im Nachhinein alle rausjekriegt, wenn man sogar eher mit nem Auto dran war als andere, das hab ich jar nich jewusst weil mein Mann hat sich um so was jar nich jekümmert (I: ja) den hat das alles nich, haben immer nur seine Bücher und so interessiert, und dadurch hab ich manches erst hinterher erfahren was ich vielleicht hätte, ooch an Vorteilen noch haben können nich, (I: hmhm) aber,

5

aber wir hatten immer zum Beispiel die zentral jeheizte Wohnung hier & sind wir einjezogen neunzehnhundertdreiundfunfzig .. (I: ach so) also schon funfzig Jahre leb ich hier drin ja, äh und dann äh ein Auto und Grundstück und, und so und den Kummer mit dem Gert da konnte ja auch keen sozusagen keen anderer mitfühlen nich, also materiell ist es mir ((Stimme gehoben)) wahrscheinlich hier genauso jut jegangen wie in Amerika aber so, so seelenmäßig hab ich hier nich so reinjepasst (I:

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hm) und hat jar nicht so mit Jüdisch zu tun glaub ich sondern, äh sondern so eben dass ich in Amerika aufjewachsen bin und alles anders machte als andere Leute so. Das hat äh, ist mir aber erst im Lauf der Jahrzehnte klar jeworden (I: hm) und da konnt ich nich mehr zurück & ich hab mit meinem Bruder als ich ihn das letzte Mal sah neunzehnhundertneunundachtzig, einige Monate vor seinem Tod, da haben wir mal da drüber jesprochen, äh ich hab zu ihm gesagt weißt du wenn der Antisemitismus mal sehr

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zunimmt in in (I: hm) Deutschland, äh sa/da hab ich so immer in Erwägung gezogen ob ich dann wieder nach USA fahr, und da hat er mir sehr abjeraten davon er meinte, äh so ob dat dat Richtige ist nachdem du so lang weg warst, das hat sich alles so verändert hier wärst du genauso fremd, (I: hm) das war so sein, Rat an mich ja, und da hat er wahrscheinlich Recht gehabt. Wenn ich da so als ältere Frau hinjekommen wär, äh, ((Stimme leiser)) hätt ich ehm, wees nich, ob ich mich da noch, besser hätte

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eingliedern können als hier, (I: hm) … aber Sie haben da so ein paar andere Leute ja die schon a/, in der USA interviewt wurden und, haben Sie nich jesagt einen anderen haben Sie auch ((Stimme gehoben)) hier interviewt in Deutschland? I: äh nicht in Deutschland .. E: in Deutschland noch gar nich, (I: nee) ach da können wir mal kurz drüber reden wo Sie noch Leute

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finden können oder haben Sie keen Interesse I: ja doch E: also dieser eine Rat haben Sie den schon notiert mit der VDN Stelle I:

VDN, ja da hab ich schon nachgekuckt

E:

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haben Sie’s ((Stimme gehoben)) gefunden?

I: es gibt so also jedenfalls hab ich im Internet ( ) E:

das heißt jetzt n bisschen anders, was haben Sie denn

gefunden I: ich hab schon äh .. ( ) E:

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wie nennt sich’s denn jetzt

I: das heißt schon VDN E: heißt (I: ja) immer noch VDN (I: ja ja) ja (I: ja ja) .. aha, ich dachte weil sie alles anders nennen jetzt dass sie das auch umbenannt haben

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I: nee .. E: ich hab auch nach der Wende mal von denen noch irgendwelche Unterlagen anjefordert, ja ich glaub für meine Rente, das war so, als sie äh (I: ja) ja gleich kuck ich’s an erst erzähl ich’s noch zu Ende (I:

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ja klar), äh äh äh wir mussten doch die Rente, beantragen, noch mal mein Mann hatte schon längst Rente gekriegt äh ja schon seit neunzehnhundertsiebzig und trotzdem musste ich nach der Wende noch mal alles von vorne nachweisen über ihn (I: hmhm) ja, eigentlich verrückt (I: ja) siebzig Jahre zurück und so, ich musste, alles nachweisen ab seinem sechzehnten Lebensjahr, ja, und dat war natürlich nicht leicht er war schon lange tot, und und und äh hat auch unterwegs allerhand, Dokumente in der ganz/

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von Land zu Land äh verloren und so (I: hm), äh und äh da hat ich viele Monate war ich voll beschäftigt damit dat alles zu organisieren, und eine von den vielen Dingen war, an diese VDN Stelle zu schreiben (I: hmhm) dass sie mir alles schicken Kopien von allem schicken also dort gab’s ja dann schon Kopien so eher für Durchschnittsmenschen, äh, von allem schicken was sie so hatten und das haben sie auch jemacht ja, äh also von dem ((Stimme senkend)) Antrag den wir gestellt haben damals

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als wir ankamen (I: hmhm) und äh wer ihn empfohlen und wer ihn aus der Emigration kannte, äh und ihn äh für ihn bürgte und alle möglichen so ne Dinge stand da (I: ja), und und äh deswegen kam ich, deswegen weiß ich dass es nach der Wende und Sie haben’s jetzt auch gefunden ja? I: Ja, ja. E: gibt’s noch, (I: ja) die Stelle wo ist die, Potsdamer Straße oder so irgendso was?

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I: Äh das hab ich, das weiß ich jetzt nicht E: I:

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äh, muss ich auch nicht, muss ich auch nicht wissen jetzt aber das gibt’s noch

E: ja also das is da haben se alle .. nicht nur alle Juden .. die ja automa/ mehr oder weniger automatisch äh als VDN & obwohl sie mussten das bisschen nachweisen, mein Vater zum Beispiel, äh erst war er zu stolz, (I: ja) wollte nicht, ((Stimme senkend, imitierend)) ja warum, ich hab’s ja nicht nötig ja und so weiter, wie er so war, aber nach ner Weile hat er’s doch eingesehen dass es ganz nützlich war sozusagen, man hat ja da auch, Altersrente von denen noch zusätzlich jekriegt und so (I: hm), ehm ..

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jetzt hab ich wieder nen Faden verloren äh ach so, dass ich da äh also dass se noch existierten (I: ja) und, und äh äh und auch die Nichtjüdischen habens auch, so wie mein Mann ja, wenn sie in der Migration waren und dann zurückgekommen sind, ((bestimmt)) dann stehn die alle da, natürlich nicht, sämtliche Dinge die sie später hier jemacht haben, sondern hauptsächlich die Anfangszeit aber das ist ja auch dat Interessanteste nich, so, auf alle Fälle wissen se dann wer hat überlebt und ist hier jelandet .. (I: hm) und

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dann können se ja weitersehen, und wenn se konkrete Fragen haben über ihn dann kann ich vielleicht sagen, ja der lebt noch oder der ist, gestorben oder so aber ((Stimme senkend)) alle kenn ich natürlich nicht, aber von diesem oder jenem & vor allen Dingen durch meine, Forschungen da die äh über

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hundert Interviews da hab ich ja auch, und von Gert hör ich manchmal wer da halt auftaucht in der jüdischen Gemeinde (I: hm), also so einije weiß ich wer inzwischen gestorben ist oder nicht (I: hm) oder so (I: hmhm) .. also das wär ein Hinweis, mal sehen, wo können se noch die Leute finden .. ja dann die jüdische Gemeinde, könnten Sie gehen .. und da könnte dieser oder jener sein der .. der nich bei

5

VDN der sozusagen hinterher geboren ist zum Beispiel ja, so die Kinder von welchen, ja, sind ne ganze, Reihe die hier überlebt haben, äh ich ((Stimme leiser, zweifelnd)) weeß nich jenau ob die dann, als, könnte sein dass sie noch als Verfolgte aber, ich weeß nich jenau ich glaub man muss gelebt haben in der Nazizeit um als Verfolgte gel/, ich gl/ich glaub nicht (I: hm) dass die Kinder (I: hm) dann als solche galten, die könnt man dann in der jüdischen Gemeinde finden (I: ja), welche die aus solchen Mischehen

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stammen ja I: ja mir geht’s ja auch um äh solche die also wirklich, die auch emigriert sind E: ach so I: hmhm E: ah ja, ja ja

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I:

das ist das ist schon

E:

ach so da wär vielleicht die jüdische Gemeinde nich, aber dieser oder jener

könnte doch dabei sein (I: ja), wo könnt es noch, ja dann könnte zum Beispiel, äh das zentrale SED Archiv, (I: hm) was ja bestimmt nicht zerstört ist sondern nur irgendwo anders jelandet is nich, wie ich meine, Deutschen kenne haben se doch dat nich in den Papierkorb (I: ja) jeworfen, ehm, äh also die

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haben ja äh alle SED Mitglieder, und so weit ich weiß waren beinah ((langsam, betont)) alle die aus der Emigration zurückgekehrt sind, ehm waren beinah alle Kommunisten. (I: hm) Denn die andern sind ja nach Westen. Wenn se zu/wenn se zurückkehren wollten & dann nach Westdeutschland jegangen (I: ja), oder Österreich oder sonst wohin nich (I: ja), äh also es könnte sein dass wenn se nach bestimmten Namen, oder oder dass die vielleicht sogar Abteilungen hatten oder Rubriken oder so, aus der

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Immigration zurückkehrten & oder waren ein oder, m, äh oder sagen wir wenn se alle durckucken die in äh sechsundvierzig siebenundvierzig eingetreten sind, das wär ne weitere Quelle .. (I: hm) und dann ist’s immer gut wenn man sich von, von Mensch zu Mensch durchfragt (I: hm) aber das ist sehr mühevoll das hab ich damals mit meinen hundert Interviews gemacht ja, aber da werden natürlich ((Stimme leiser)) schon viele tot sein ja fällt mir noch weiter wat ein wo se Leuten finden könnten … äh

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ja da haben ja viele Leute Bücher jeschrieben und haben da alle Möglichen erwähnt da könnte man auch mal kucken ne, (I: hm) wat steht da alles drin … einer der zum Beispiel auch überlebt hat ist der Sohn von der äh Margot Hirschfeld, ja (I: hm), der war einer von diesen vielen Halbjüdischen ne, (I: ja) äh der Vater is umjekommen und die Mutter hat überlebt und (I: ja) er war Halbjude und die wurden so, äh wurden zwar drangsaliert aber nich so richtig planmäßig umjebracht (I: hm) so weit ich das (I: hm),

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mitjekriecht hab (I: hm) ne … ja das sind so die Dinge die mir so jetzt einfallen wie se Leute noch finden können wenn se wollen ja (I: hm hm) .. müssten noch welche von Leben denn .. so wie ich in dem Alter sind ((Stimme leiser)) doch noch, sind doch noch einige am leben

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I: es gibt schon einige ja, ja .. E: oder wenn se bestimmte haben über die Sie fragen wollen, das äh lebt der noch oder oder haben se von dem wat jehört dann können se auch fragen. I: mhm. Nee im Moment

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E:

haben se nicht im Moment hab ich da nichts nee, nee. (…)

I: E:

haben se nich. Jut. Na schön, haben se noch Listen

& äh Fragen noch auf Ihrer Liste oder haben wir sie hin/ sind wir sie durch I: Nee, ich wol/ also was ich noch, mal fragen wollte, dann, das haben Sie eben noch mal angesprochen

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mit den Interviews, die Sie geführt haben E: ja I: wie das so, äh sich entwickelt hat, dass Sie das also, äh war das Ihre Idee oder? E: Ähm, das ist glaub ich von diesen äh, äh von diesen äh äh aus diesen Günterts äh äh, äh Sache entsprungen der wollte also über Josef Berkiewitsch ne Biographie schreiben hat er dann auch, (I: hm)

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und, äh war aber schon ziemlich alt und Kettenraucher, und auch nich wissenschaftlich jebildet oder irgendwas, also der, äh konnte nicht mehr so rumkutschieren & ich war ja damals noch jünger also das war so, fünfundsechzig oder so also kurz nachdem Josef Berkiewitsch gestorben is. Äh, äh war ich ja noch ziemlich jung, äh und äh also irgendwie hat der sich gefreut ich glaube ich hab selber die Hilfe anjeboten, (I: hm) äh über die e/ ich glaube das war die Ursache für diese Interviews dass ich ja nun die

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Leute, äh die mir was erzählen weil ich ja sein Leben nich i/ meistens nich miterlebt hab nich & als ich ihn kennenlernte in den USA war er schon über fünfzig nich, ich konnt natürlich auch Einiges aus der äh Erinnerung aber nur über seine letzten Jahrzehnte nich, äh und ich wusste wo er wo seine Station war hab dann so durchgefragt um, mein Hauptziel war so weit ich mich erinnere um da ( ) bei seiner äh Biographie und der war dann, da mit dem musst ich dann erst kämpfen der wollt mich überhaupt

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nicht erwähnen so ((gehoben, betont)) ist mein Leben lang ist mir dat so jegangen ja, dass die Leute immer, irgendwie so wat wollten und dann jar nischt jemacht haben (I: hm) für mich ne, und ich hab ihn dann doch äh so weit jekriegt dass er wenigstens am Ende des Buches irgendwie, so kurz erwähnt hat ((Stimme senkend)) dass er Materialien von Esther Brückner hat oder so nich (I: hm) äh und äh, äh das war glaub ich die Ursache & hat mich dann natürlich auch selber interessiert und war ne janz schön

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mühsame Sache & dann bin ich immer mit meinem, großen Koffer rumkutschiert, auch mit lauter Materialien um den Leuten, erinnerungsmäßig auf die Sprünge zu helfen & manchmal hab ich den German American mitgenommen oder irgend so was nich (I: hm), und die waren dann ((sehr gehoben)) immer der Meinung ich bin doch nicht interessant und, und das weiß doch jeder und ich musste immer sehr zu, bei den meisten, ((Stimme senkend)) einige waren natürlich die so bekannt waren die waren

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dat schon jewohnt . ( ) und so und wenn se sehr bekannt waren dann bin ich auch gar nich dann hab ich höchstens mal nen Brief von ihnen jekriegt ne … aber waren einige Interessante auch aus seiner Essener Zeit (I: hm) und und so dabei, das hat nicht unbedingt alles was mit Emigration zu tun nich

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sondern die Leute aus Essen sind wahrscheins zum großen Teil (I: ja) nicht emigriert ne (I: ja), aber das Meiste ((Stimme gehoben)) war wohl dann äh und seine Kindheit das hat ja auch nich viel mit Emigration zu tun, außer wenn man das Emigration nennen will dass er ja von Polen nach Deutschland gekommen ist das ist ja ne andere, (I: hm) das ist ja nicht die Emigration die Sie interessiert, aber dann,

5

so die ganzen hier ich hab das nach äh, äh nach Orten geordnet (I: hm) dann ja, wer wusste alles über Paris, da konnte ich meinen Mann ein bisschen fragen wer war denn da noch (I: ja) und, wenn kannst du empfehlen und weißt du ob der noch lebt und so .. New York wusst ich selber n bisschen was, Potsdam hab ich auch allerhand Leute aufjegabelt, wo se dann doch von da haben se gelebt von achtundvierzig bis einundsechzig & ach ne, der Josef ( ) war fünfundsechzig als er gestorben ist .. ja

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sein Haus hat er der Partei vermacht, (I: aha) da wollte er immer dass die ein Kinderheim draus machen ((imitierend, höher)) ich hör schon die, kleinen Kinderchen, trabbeln hier, hat er immer gesacht (I: lacht), aber et wurd nie das draus wat derjenije, die äh das Vermögen das is auch in den Besitz der Partei überjegangen und dat ist dann in den Besitz der Bundesrepublik überjegangen, (I: hm) was dann weiter draus jeworden is weiß ich nich ob da heute, äh ein Funktionär drin wohnt oder oder wat wei/ich

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bin da auch nie wieder hingekommen ja .. auf alle Fälle nich das was Josef Berkiewitsch sich erträumt hat … I: da hat er zusammen mit Ihrer Mutter gelebt E: I:

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ja ja ja hm

E: da haben se von achtundvierzig bis einundsechzig jelebt als sie dann jestorben ist und er hat dann noch bis fünfundsechzig da jelebt, da hat er äh ((lauter)) ist übrigens dann noch mal die äh, die die Frau aus Stuttgart aufjekreuzt als sie hörte dass meine Mutter jestorben ist und wollte noch mal hat se gedacht nun ist er frei nu k/ ist er ein berühmter Mann und hat Geld dann, äh nun wollt sie wieder mit ihm zusammen sein ja (I: lacht) und da hatte er keene Lust mehr, der Sohn war schon längst erwachsen und

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sie waren sich völlig fremd geworden, aber die ganz alte Frau aus, aus Essen da die hat glaub ich bis zu ihrem Lebensende nie erfahren dass er, nun geschieden und wieder verheiratet das haben sie immer verheimlicht vor ihr (I: ach so) weil die so, weil die so streng katholisch war ja die die, dat wär, äh unmöglich für sie gewesen dass er sich hat scheiden lassen & so dass er woanders ist, und lebt das konnt se noch vertragen (I: ja) aber, scheiden oder da haben se immer so äh äh, ach da haben se, äh da

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wurde mir mal ne Anekdote erzählt dass, dass Sepp mal mit meiner Mutter bei ((Stimme höher)) ihr war aus irgend einem Grunde, und da haben sie ihr erzählt das wär seine Sekretärin ((I: lacht)) .. dass sie nicht zu unglücklich ist darüber dass er nun ne andere Frau hatte und so, ((schnalzt)) ((leiser)) na ja, viele Anekdoten (I: hm) .. so, haben so noch wat auf Ihrer Liste I: nee ich glaub nich

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E: na, haben auch lange genug gequasselt (I: hm) … also ich hab hier nur die eine, Hausaufgabe ja, mit dem Foto I: ja .. ja ( )

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E: gut I: Ja, das wär nett. [Gerät ausgeschaltet] E: ( ) dann war zum Beispiel war eine Story dass hier jemand von der Staatssicherheit kam, und wollte

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dass ich über meinen ((Stimme senkend)) Nachbarn aussage (I: ja) .. die wollten eine Westreise machen, und ob die denn zuverlässig wären, ob die denn ooch zurückommen (I: ja) würden, ich hatte natürlich keene Ahnung ob die zuverlässig wa/ wir hatten über politische Dinge nie gesprochen, ich habe gesagt ((Stimme gesenkt)) ja ja, ich wollte denen doch nich ihre Reise verderben nich, (I: hm) also das war zum Beispiel so ein Beispiel hier, ((leise, nachdenklich)) und wat war da war doch noch

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irgend so ein krasses Beispiel, was war denn das … das war nach/ drei oder viermal kam ich mit denen in Kontakt … na mal überlegen I:

ja und wie ging das wie haben

E: was

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I: wie kamen die auf Sie zu E:

ja wa/ wa/ warten Sie mal warten Sie mal i/ ich muss mal überlegen ob mir

das noch einfällt Sie haben ja gesagt ich muss mich nich groß vorbereiten wenn ich so gewusst hätte einige Fragen vielleicht, hätte ich schon vorher in meinem Kopf kramen können äh, ((nachdenklich)) wat war denn noch da waren noch ein paar Sachen .. wo ich da was abgelehnt habe, nach ner, ach ja

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war zum Beispiel, war mal der, der Tim, mein Neffe, (I: hm) hier in Europa zu Besuch, ah da war er mal als er ein junger Bursche war so achtzehn oder so, warte mal äh einundfunfzig jeboren, neunundsechzig, äh da war er irgendwie bei meinem Vater hat er da ein paar Wochen gewohnt (I: hmhm) ja wollt mal seinen Großvater kennen lernen oder so & und . ((tiefe Stimme, imitierend) mein Vater war begeistert, von jungen Leuten denen er so allen imponieren konnte und so, und da kamen die

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dann zu mir, und und fragten ob ich den nich überzeugen könnte, dass er irgendwie, n/ irgend so ne Spitzelarbeit in Amerika macht, ( ) (I: hmhm) Einzelheiten weiß ich nich mehr dat sollt er rauskriegen oder den sollt er sprechen oder so, und da hab ich dann, nich einfach mich geweigert sondern hab so ne Ausrede erfunden und hab jesagt, äh erstens kann der ja keen Deutsch, und dann weiß er ja nich wie man so was macht, und vielleicht lehnt ers ab, und noch so, so zwei drei andere Dinge, hab ich

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irgendwie mir einfallen lassen (I: hm) war ja ein bisschen plötzlich und musste man gleich reagieren ja, (I: hm) also irgendwie haben se dann auch also irgendwie bestraft wurde ((sehr gehoben)) ich nie für so ne Antworten komischerweise ja (I: hm), und wat war noch irgend noch ene Sache so insjesamt so vier fünfmal waren irgend solche, solche kleine Sachen ja (I: hm) so so wo se wollten dat man irgendwat tut, ja äh und Verfolgung könnte man vielleicht nennen, zum Beispiel meinen Mann, der wurde dann, der

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kam ins Regierungskrankenhaus, äh ins Regierungskrankenhaus haben se Leute aufjenommen das heißt nicht nur wenn man krank war sondern so in die Betreuung ja, ((Stimme gesenkt)) Vorsorgeuntersuchungen und alles, äh wenn se irgendwie entweder, ((gesenkt, gedehnt)) besondere

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Verdienste im Staat hatten oder auch, ehm auch so wie mein Mann im ((Stimme gesenkt, langsam)) Widerstand gekämpft hatte und alles Mögliche & er kam aber erst sehr spät ich weiß nicht ob, wahrscheinlich zählte er nicht zu den wichtigen Leuten oder so, und wann ((Stimme gehoben)) kam er rein, neunundsiebzig glaub ich kam er, endlich da rein obwohl wir schon versch/ von Verschiedenen

5

jehört haben dat er eigentlich, dadrunter fallen würde und so, da haben sie aber nur ihn aufjenommen und nich mich, (I: hmhm), äh und zwar, obwohl sie sonst immer die Frau automatisch gleich mitaufjenommen haben ja, äh und auch die Kinder wenn sie noch minderjährig waren, äh und und zwar hab ich später rausjekriecht, wegen meinem Vater und wegen dem Michael (I: hmhm), also weil äh sie wussten dat äh dat äh, äh dass er äh schlechte Beziehungen zu meinem Vater hatte und wo/ we/ wer dat

10

wieder äh au/ erzählt hat weiß ich nicht, die hatten ja überall so ihre Spitzel nicht, äh und äh, äh und der Michael weil er eben zu kritisch war (I: hm) äh so draus aus der DDR war, insofern war ich, die Böse in der Mitte zwischen Vater und Sohn ja obwohl ich, nich so ((gesenkt)) besonders, ich hab mal hie und da in ner Parteiversammlung äh irgendwie ne kritische Frage jestellt aber, so doll aufjefallen wie Michael bin ich nich (I: hm), äh also an mir direkt haben se eigentlich nichts auszusetzen weil ich ja

15

noch, aber dat war ihnen zu riskant so jemand der so nen Vater hat, und so nen Sohn, da aufzunehmen, (I: hm) und äh irgendwie hat’s zwei Jahre dann jedauert wie dat am Ende zustande jekommen da waren se da waren sie dann endlich mal so gnädig, haben mich ((Stimme tief)) auch aufjenommen, also einundachtzig wurde ich dann auch aufjenommen, durfte ich dann zu Vorsorgeuntersuchungen oder irgendsolche Sachen gehen nich (I: hm), dat war manche/ war natürlich, manchmal ganz günstig zum

20

Beispiel hatten die schon Mammographie, während die Durchschnittsbevölkerung noch keene äh Zugang zur Mammographie hatten ja (I: hmhm), also manchmal wars sogar lebensrettend (I: ja) oder, oder vernichtend wenn mans so andersrum sehen will, ehm, ja dat war zum Beispiel so ne Sache wo ich das mal ein bisschen gespürt hab, äh, ((leise, nachdenklich)) und dann wat war dann noch mit Michael war mal so irgend wat war denn dat noch mal … äh ja also mir fällt jetzt nich ein ein (I: hm) oder zwei

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so ne kleenen Begebenheiten waren noch ja, (I: hm) äh aber das heißt nicht dass andere Leute nicht wirklich jelitten hatten ja (I: hm), äh äh denn es war ja so manchen, wenn die dat dann ablehnten, dann, durften sie nicht auf die erweiterte Oberschule oder durften nicht studieren oder, oder irgendwelche aber diese Repressalien die waren bei mir sozusagen, nicht mehr so anjebracht weil ich ja nich mehr im Berufsleben stand und sie wollten dem Hans auch ((Stimme gesenkt)) nicht zu sehr schaden der Hans

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ist ja auch so, Widerstandskämpfer und so weiter nicht (I: hm), also ich bin mit diesen Antworten so ganz jut davonjekommen hab eigentlich (I: hm) nicht, groß in/& ach ja eins war noch .. er wurde dann zur Kur geschickt vom Regierungskrankenhaus, die haben ihre Leute auch wenn sie nicht besonders krank waren so, äh beinah jedes Jahr besonders so die Älteren und so, beinah jedes Jahr zu so ner, äh nich so richtige Kur wie nennt man das noch mal so so ne, wo man sich allgemein erholt ohne akut

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krank zu sein ja I: also ich kenn eigentlich nur den Begriff Kur .. Kuraufenthalt

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E:

nee es gibt verschiedene Kuren auch jetzt noch, auch

jetzt noch (I: hm), verschiedene Kuren, Heilkur und dat andere nennt sich anders, es gibt auch jetzt noch verschiedene Kuren I:

5

vielleicht auch Erholungskur

E: ehm äh weil Sie mit Krankheiten wahrscheinlich noch nicht viel zu tun hatten nich werden Sie das nicht so wissen I: na ja . ((lacht)) E: doch, hatten Sie schon Krankheiten I: ja, ja

10

E: was denn I: ach Verschiedenes also E: ((sehr gehoben)) verschiedene Krankheiten schon mit dreißig I: ja, ja E: was denn

15

I: ach das sind so .. etwas äh E:

Herz Magen, Lunge

I:

((ca. 5 Silben uv.)), eher

E: na ja schön muss ich ja nich wissen I:

20

also ja

E: äh, also auf alle Fälle wurden da automatisch immer die f/ Ehefrauen mitgeschickt und ich durfte bis zu seinem Lebensende durfte ich nicht mit (I: hm), dat hat auch wahrscheinlich mit dieser Sache zu tun, er war da ziemlich unglücklich drüber er hätt mich lieber dabei jehabt ich hätte irgendwat, mehr ((gehoben, singend)) Geselligkeit und und irgendwie wat organisieren für ihn und irgendwas ja, also er war da ein bisschen unglücklich drüber (I: ja) … aber die hatten wirklich überall so ihre Leute, aber in

25

Amerika war das auch nicht anders mein Bruder hat mir mal erzählt, dass er sich zwar versteckt hat jahrelang, und eines Tages trat ein FBI-Agent an ihn heran und hat jesagt, wissen Sie, Mikl die nennen sich ja alle da beim Vornamen ja (I: hm), Sie brauchen sich nicht zu verstecken wir wissen längst wo Sie sind und wie Sie heißen, also, er hat sich immer einjebildet, die wissen nichts über ihn und dabei wissen die schon alles ja .. also da wars s/ och nich viel anders (I: hm) .. bloß er hat eben nich mehr so

30

doll und war keen großer, aktiver Kommunist oder so also, dann haben sie ihn nich ins Gefängnis jesteckt oder (I: ja) so & sondern haben gesagt Sie brauchen nich Sie können ruhig nach New York zurückkehren, äh und und Ihr a/ altes Leben weiter leben wir wissen sowieso, wer Sie sind (I: hm) und was Sie gemacht haben, also ich seh da nich so n, nen Riesenunterschied zwischen FBI und Stasi, obwohl äh und sie haben auch manchmal verboten den Leuten auszuwandern & (I: ja) zum Beispiel der

35

Paul (

), soweit ich mich entsinne durfte der in den letzten Jahren nicht mehr wohinfahren (I: hm),

oder sie sagten wenn er wohin fährt dürfte er nicht mehr in die USA zurückkehren, haben sie ab und zu auch mit den Leuten gemacht in den USA nich in solchen, Massen wie hier aber kam vor, (I: hm) oder

89

Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

zum Beispiel, durften die doch ewig nicht nach Kuba dürfen sie heut schon wieder ((etwas gehoben)) USA Bürger nach Kuba (I: hm) weiß ich nich (I: ja) ja, inzwischen dürfen sie ja (I: hm) aber ewig durften die nicht nach Kuba (I: hm) .. also so perfekt sind die da auch nich .. I: Wissen Sie .. eigentlich wie Ihre Mutter das so, gesehen hat .. zum Beispiel (E: äh) die, also Ihre

5

Haltung zum Beispiel gegenüber solchen, ehm ja Stasi, aktivitäten E:

also äh meine Mutter, äh erstens war

sie sehr fanatisch, (I: ja) das ist ja meistens so neue Besen kehren gut ja (I: hm) also sie ist ja, sozusagen aus dem Bürgertum, zu äh zur Kommunistin geworden da hat sie sehr drunter zu leiden gehabt auch in

10

ihrem, Buch da aus dem Gefängnis da schrei/ das Gefängnis schreibt sie drüber, äh und hat mir auch erzählt da haben sie zum Beispiel die Mitgefangenen, irgendeinen Putzeimer wenn sie da schrubbern musste und noch mal umjekippt, so dass sie extra noch mal, (war so ein Professorentöchtern so war sie immer am Arbeiten heißt) so in der Richtung ja, also, äh sie war, ((Stimme gesenkt)) janz janz eifrig ja, äh sie war so eifrig dass sie sogar einmal als sie die Gelegenheit, hatte, meinen Bruder zu sehen also

15

ihren Sohn, (I: hm) äh dat war irgendwie, äh ((langsam, nachdenklich)) wann war denn das, sie war dann in Prag da hat ( ) war mal für kurze Zeit Diplomat in Prag, so zu so in den Anfangszeiten haben se dann gern so nen alten Kämpfer jenommen für ja, äh weil die von den Völkern eher gelitten waren, die wollten nich irgend nen Durchschnittsdeutschen da als äh Diplomat haben ja (I: hm), und da war er da so ein paar Jahre Kulturattaché in Prag ja, äh und irgendwie, äh konnte mein Bruder mal dahinfahren

20

oder, äh äh irgendwie äh äh und es war ihr verboten, Westleute zu, zu treffen (I: hmhm) .. und da hat die tatsächlich auch nich versucht heimlich ihren Sohn zu sehen, obwohl sie ihn schon, zwei drei Jahre nich gesehen hatte ja, also so eifrig war sie, und diese ganzen Stasisachen, ((schluckt)) die sind ja eigentlich erst in den letzten Jahrzehnten sehr schlimm geworden .. ich glaube entweder war’s noch nich so schlimm (I: hm) damals (I: hm) oder sie hat es nich erfahren (I: hm) das kann sein also ich, äh

25

ich weiß nich wie sie (fuhr) ich vermute irgendwann wär auch bei ihr, ein Licht aufjegangen dass das nich richtig war (I: hm), äh .. kann ich nich sagen (I: hm), aber sie war eben sehr sehr eifrig aber dat waren ja sehr viele .. mein Mann am Anfang auch mehr als äh als später hat er dann auch so allerhand, Fehler jesehen die gemacht wurden da hats ihm auch nich mehr so gefallen, aber er hat nich mehr so die Kraft jehabt da ((Stimme senkend)) irgendwas zu unternehmen .. und ich war auch nich mutig jenug

30

muss ich sagen, also ich hab zwar in der Parteiversammlung mal so a/ als Frage gestellt ((tief)) warum habt Ihr dat so jemacht oder könnt man nich det machen aber aber mehr auch nich, also irgendwie war ich da wahrscheinlich auch nich mutig jenug, oder habs nich erkannt, weiß nich jenau also ich hab nich, zu den, Dissidenten wie man so sagt jehört (I: hm) … ich hab eine Bitte an Sie dass Sie mich nich weiter .. äh vermitteln dass Sie nich irgendwelchen Studienkollegen oder sonst wen Sie da treffen

35

I:

nein, nein das mach ich nicht

E:

, den Verlagen denn äh ich hab wie gesacht noch allerhand zu

erledigen eh ich sterbe, ich möchte nicht andauernd mit so wat zu tun haben

90

Interview mit Esther Brückner, 16.10.2003

I: nein E: äh äh obwohl eigentlich, vor allen Dingen, äh die Frau Lohfeld war ja mehr an meiner Mutter interessiert (I: ja) da war ich noch ein bisschen eher bereit aber da Sie so viel ( ) bin ich ja nicht so sehr begeistert aber, so sehr dagegen hab ich auch nichts, also irgendwie sind ein paar Sachen doch

5

wichtiger die ich noch zu erledigen habe (I: hm), äh und äh und deswegen möcht ich die erst mal schaffen weil ich ja nie wissen kann wann ich sterbe ne (I: hm) .. und ich hab da ne lange Liste und erst wenn die wichtigsten Dinge erledigt sind dann wär ich bereit, mal wieder irgendwas zu machen aber vielleicht bin ich dann auch schon zu alt (I: hm), äh und das i/ das ist ja auch ein Grund warum ich Sache/ äh die Sachen ins Exilarchiv gebe, so dass wenn dann Leute mal irgendwas schwarz auf weiß, (I:

10

hm) ist natürlich nicht ganz (

) im Kopf hat nicht (I: klar), äh äh äh dass die dann wenigstens dahin

gehen können (I: ja) ne (I: ja) … jetzt können Sie doch noch ein bisschen sich die Bücher ankucken, I: oh ja gerne, ja

15

E: ob Sie da irgendwas haben wollen ich (I: ja) sag dann ob das was ist also vorher sag ich schon mal alle Wörterbücher, Nachschlagebücher, alles wat juristisch, und medizinisch ist dat nicht (I: o.k.), aber so die Kunst da oben zum Beispiel da oben ist ne Etage und in den andern Zimmern ist auch noch ein bisschen wat aber nur, wenn Sie mir versprechen dass Sie nicht andern Leuten erzählen wie’s da aussieht

20

I: Frau Brückner, ich glaube (E: ja) das hatten wir auch geschrieben das äh, wird sowieso E:

ja haben Sie

I: nicht einfach irgendwas weitergegeben E: haben Sie am Tel/

ja haben Sie am Telefon schon gesagt dass

Sie

25

I:

also

E: aber die Leute sagen das und dann, fallen sie doch halb in Ohnmacht & nur meine ( ) die Nichte, die fand das alles spa/ äh (I: ja) die fand da/, hat Gert auch mal festgestellt der hat jesagt wenn du später mal hier, so ne Pflegerin brauchst oder so (I: ja) dann such dir bloß ne Ausländerin aus, äh denn die Deutschen die ( ) die würden deine Wohnung nicht akzeptieren (I: hm) .. war auch seine Meinung ja,

30

da hat er so seine Erfahrungen gemacht, mit .. die Deutschen die wollen immer dass ((sehr bestimmt)) alles so jemacht wird wie sie das grade haben wollen (I: ja), so also jetzt können Sie mal hier anfangen. [Gerät wird ausgeschaltet].

91

Interview G. Levi Interview mit Georg Levi bei ihm zu Hause in K-Stadt, April 1999 Transkriptionsregeln: .

Stimmsenkung

,

kurzes Absetzen

(2)

Pause mit Angabe der Dauer in Sekunden

(

)

unverständliche Äußerung, die Länge entspricht in etwa der Länge der Äußerung

(war ich)

schwer verständlich, vermuteter Wortlaut

war ich

Betonung

Redebeiträge, die sich überschneiden, werden in Partiturschreibweise dargestellt.

1

Interview G. Levi 1

(Gerät wird während der Anfangserläuterungen eingestellt.)

2 3

S: das müssen Sie machen, wie es Ihnen auch angenehm ist. In deutsch oder englisch oder so.

4

Was ich, was ich von (Räuspern) von Ihnen möchte, ist, ich hab keinen Katalog von Fragen

5

sondern ich bin mehr interessiert daran äh ob sie einmal ein Stück erzählen können, was Sie

6

an Erinnerungen haben ähm an Ihren Vater oder auch an Ihren Eltern insgesamt oder an Ihre

7

Familie oder ein Stück mir sozusagen Ihre Familiengeschichte erzählen zu können. Und wo

8

Sie da anfangen, das ähm das will ich Ihnen auch gerne überlassen. Und daß Sie, alles was Sie

9

wichtig finden

10 11

G: Ja und fragen und unterbrechen Sie mich und

12 13

S: Ja erstmal würd ich sie gar nicht so gerne unterbrechen. Wenn ich, ic ich stell meine

14

Fragen schon, aber (leises Lachen) so spät wie möglich würd ich das gerne tun. Daß Sie erst

15

mal einfach erzähln, was Ihnen einfällt und äh was sie, was sie wichtig finden und so. Auch

16

Ihre Familie ein Stück darzustellen. Und

17 18

G: Ja was ich so weiß. Ähm (1) ich weiß mehr auf meiners meines Vater's Seite. Ähm (1)

19 20

besonders von dessen Vaters Seite. Mutter's Seite weiß

21

ich auch nicht so viel. Aber auf seiner Vaters Seite äh Familie stamm aus ich glaub den ähm

22

(1) ungefähr sechzehn Jahrhundert im Rheinland und an der Mosel, gelebt. Soviel wir wissen.

23

Und hab immer da auch in der Nähe rumge, gelebt an der Mosel und am Rhein und so weiter.

24

Und äh meiner Mutters Seite weiß ich nur, daß ähm (1) auf ihrer Mutters Seite, ähm die

25

Familie im fünfzehnten Jahrhundert von den Spaniern raus äh mit der, mit Spanien entflohen

26 27

ist, unter Philipp dem Zweiten. Und in den

28

Norden gegangen sind. Die so kamen die nach nach Deutschland. (1) Ähm (1) meine, (1) die

29

Mutter meines Vaters ähm war aus, ihre Vorfahrn warn aus Ungarn. Und wie die nach

30

Ungarn kamen, das das weiß ich nicht. Und äh (1) von meinem (1) von Großvater weiß ich

31 32

nicht wo die her, meiner Mutters Seite weiß ich nicht wo die her sind. Da wurde

33

nie viel drüber gesprochen. Ich glaube, meine Mutter wußte auch nicht so genau. Auf der

34

Seite von meinem Vater waren die Leute immer nur interessiert in der V Vergangenheit, an

35

der Vergangenheit inte interes-

mh

mhm

mhm

mhm

2

Interview G. Levi 36

a ja

37

siert, und so hab ich dann mehr gewußt. Und irgendwo hier, ich weiß auch, konnt konnte

38

heute morgen nicht finden, da ist eine Cousine von mir, die jetzt nicht mehr lebt, hatte einen

39 40

großen Stammbaum gemacht und der ging ziemlich weit zurück. (1) Und äh jaja ich bin in (1)

41

meine Mutter war in Köln geborn, mein Vater war in A-Stadt geborn. Ähm (1) und äh sein

42

Vater war Metzger. Und äh die Familie war immer auch sehr begabt. Obschon sie vielleicht

43

Metzger warn haben sie auch gesungen, und waren Schauspieler zur selben Zeit, war immer

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alles so aufeinander. Und äh da waren viele Künstler. Und ein Vetter von ihnen mit dessen

45

Kindern und Kindeskinder, ich noch in Verbindung bin, das war äh ein berühmter äh

46

Physiker, der mit Einstein gearbeitet hat und den der Einstein auch rüber ge geholt hat. Und

47

äh (2) aaaoch (1) naja wie ich bin fünf vierundzwanzig geborn, in A-Stadt. Und äh bin da auf

48

die Volksschule und dann später aufs Gymnasium gegangn. Und dann äh (1) dreiunddreizig

49

kam natürlich der Hitler und dann wurde alles ziemlich schwierig. Und wir sind solange in A-

50

Stadt geblieben wie möglich, bis bis bis ganz am Ende. Dann achtunddreizig war natürlich äh

51 52

das das größte Problem, wie nennt man das auf deutsch? Ja Holocaust, neh, in im No-

53

vember. Und äh wir sind kurz vorher ähm aus der Stadt in die Vorstadt gezogen, weil es in

54

der Stadt zu gefährlich geworden war. Das hat uns das Leben gerettet, denn die Leute, die da

55

am (1) achtundzwanzigsten November, oder wann das auch immer war, äh kamen um mein

56

Vater abzuholen, ham uns dann nicht gefunden weil wir nicht in, nicht im Ort warn. Später

57

ham sie ihn gefunden und da war er auch (1) war, zeit weil in in Gefängnis. Rein und raus und

58

rein und raus. Und immer rausgelassen, weil er damals dann nur noch der einzig übrig

59 60

gebliebene, übrich gebliebene jüdische Arzt war, in der Stadt. Und die Juden durften ja

61 62

nicht zu christlichen Ärzten gehen und so weiter. Und so, das hat ihm

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wahrscheinlich das Leben gerettet, nich. Und äh, ja den Tag, den wir auswanderten in äh

64

neunzehnhundertneununddreizig, war er noch im Gefängnis. Und äh Mutti ging hin, und mit

65

ihm gesprochen. Er sagt: "Ihr müßt morgen gehn. Ob ich raus bin oder nicht." Und sie ham

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ihn denn ne halbe Stunde vorher rausgelassen und wir warn schon im Zug und da kam er an

67

Bahnhof und ist mit uns weg. Es war also sehr dramatisch (lachen). Kann man wohl sagen.

68 69

Und äh, ja aber die ganze Zeit, ich war so

70

lang wie möglich in der Schule, und dann hab ich dann privat studiert. und hab dann auch

71

englisch studiert, w weil wir vorhatten nach Amerika zu kommen. Und meine Mutter,

mhm

mhm

mhm

mhm

mh

mhm

3

Interview G. Levi 72

neunzehnhundertdreiunddreizig als der Hitler kam, hatte sie eine Ahnung, daß das alles sehr

73 74

schlimm wä

75 76

würde und hat uns eine Wartenummer für das amerikanische Visum

77 78

verschafft. Und mein Vater sagte: Du bist ja verrückt. Die Deutschen

79 80

machen mit dem Hitler das nicht mit die, das das tun sie nicht." Und sie

81

sagen: "Ja. Du hast glaube ich nicht recht, glaub leider tun sies doch." Sie hatte recht und er

82 83

hatte nicht recht. Aber wenn sie damals nicht diese

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Nummer für uns gekriegt hätte, wär ich, säß ich auch nich heute hier, nich. Denn fast alle von

85 86

meinen Verwandten, die da keine Nummer hat-

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ten, die sind alle umgekommen nachher, nich. Und es war zu spät für uns sie rauszukriegen,

88

denn hier, bei diese ganze Bürokratie, also enorm, das, nichts haben sie geändert, nich. Und

89

äh ham getan was wir konnten aber das is, ging einfach nich. Eine Cousine von mir (1), die

90

ham wir durchs Rote Kreuz gefunden, die war (1) die wurde von den Nazis irgendwo so in

91

den, wie so ich, Salz, wie sagt man Salzkämmern, Salz (1), saltmines. Wie sagt man da Salz?

92

S: In Minen.

93 94

G: Da hat sie gearbeitet während des Krieges und äh hats überlebt. Und

95

äh wir ham sie dann durchs Rote Kreu Rote Kreuz in äh Skandinavien gefunden und ham sie

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rübergebracht. Und ist jetzt auch schon in ihren siebziger Jahren und ist dann, sie wollte dann

97

ähm nurse wie sagt man auf deutsch?

98

S: Krankenschwester

99

G: Kranken Krankenschwester werden. Hat das studiert in A-Stadt und ist dann nach Israel,

mhm

ach ja

ja

mhm

mhm

mhm

mh

ja

ja

100 101

wo sie auch jetzt noch lebt. Zurückgezogen aber sie

102

lebt immer noch, in Israel aber ihre Eltern alle sind alle, alle weg, da damals umgekommen.

103

Ähm wir sind noch durch Holland aus gewandert, da die mittlere Schwester von meiner

104

Mutter da lebte, mit ihrem Mann. Und hab gesagt: "Mensch ihr müsst aus Holland raus, denn

105

der der Hitler wird da, auch ein (1) a auch auch übernehmen, nich." Ham se gesagt: "Nein, ihr

106

seid verrückt. Tut er nicht." Und natürlich hat er das doch getan und die sind umgekommen.

107

Wir ham alles versucht noch da, um sie rauszukriegen aber es, sie ham es einfach nicht

108

geglaubt, daß es so werden wird. Viele Leute ham das nich geglaubt. Als wir hier ankamen 4

mh

mhm

Interview G. Levi 109

natürlich in Amerika. Das Überraschende, das Schlimmste war, daß die Amerikaner keine

110

Ahnung hatten, was sich da in Europa abspielte, nich. Und so: "Naja, beruhigt euch schon nh

111

n." Ham wir gesagt: "Nein, das ist nich so. Das ist schrecklich sch schlimm. Ihr müßt was tun,

112

neh." Nah als dann der Krieg kam natürlich ham sies gemerkt. Aber das, nich nur die äh

113

Christen auch die jüdisch, die jüdischen Gemeinden, die jü, die Juden ham einfach nich soviel

114

davon gewußt. Sei denn sie wärn persönlich mit durch Verwandten und so weiter ähm davon

115

informiert, nich. Das das war nich, nicht so einfach. Ja ich bin dann hier auf die High School,

116 117

zwei Jahre. Und ich hatte, äh seitdem ich sechs Jahre alt war, das war Geige, studiert.

118 119

Mein Vater was Amateur äh Cellist. Und wir hatten jeden

120

Samstag Abend bei uns zu Hause Kammermusik, so lang es noch ging. Und äh (1) aber ich

121

hatte an für sich damals nich vor Musiker zu werden. Ich hatte immer vorgehabt Arzt zu

122

werden. Und dann das Komische war, es war nich so komisch sondern sehr tragisch. Als ich

123

dann hier an der High School fast fertig war hab ich mich an der Columbia Universität in

124 125

New York ähm beworben, weil ich da Medizin studiern wollte. Und

126 127

die hatten auch ne jüdische Quote. Da wußten nicht viele Leute was von.

128

Aber es war so, es war so. Und da wir kein Geld hatten, äh ich mußte irgendwo hingehn, wo

129

ich son äh scholarship, wie heißt das

130

S: Stipendium mhm

131

G: Stipendium. Von da bin ich dann an der B-School of Music, (1) beworben. Obwohl ich

132 133

spiel auf der Geige und ham mir dann nen vier, four years Scholarship gegeben.

134 135

Und so bin ich in die Musik (lachen).

136

Und äh (1) inzwischen brach denn der Krieg aus und da bin ich in die Armee eingezogen

137

worden. Und äh (1) ham sie mich als ähm Spion trainiert. (1) Ah und dann im letzten

138 139

Moment, ähm ham sie mich denn da raus gezogen, weil sie plötzlich Infantrie brauchten. Und

140

dann bin ich dann ins basing training or wie man das so nannte, a in Infantrie rein. Und (1) im

141

letzten Moment, äh bin ich dann sehr krank geworden. Und äh sonst säß ich nicht hier. Denn

142

die ganzen Leute, die mit mir in der Armee waren, sind alle umgekommen. In der Nähe von

143

(Lapodat) wo sie in bei Siena, beim beim Angriff, ging das nich mehr (

mhm

mhm

mhm

mhm

mh

mhm

(lachen)

mhm

5

). Und das hat

Interview G. Levi 144

mir das, (lautes Atmen) Leben gerettet. Und damals hatten die gesagt, hätt was Schlimmes am

145 146

Herz, was ich aber Gott sei Dank, nicht hatte aber irgendwas war, hatte da nicht gestimmt.

147

Und so bin ich da, ich hab ein halbes Jahr hier gearbeitet für das, für die Regierung während

148

des Krieges mit äh ähm (1) mußte die Briefe übersetzen von deutschen Gefangenen und so

149

weiter. Und dann bin ich wieder zurück an die Universität und hab zu Ende (1) Musik

150

studiert. Und dann bin ich von der Universität B nach C (Name Universität). Denn inzwischen

151 152

hatt ich mich

153

sehr an Komposition interessiert und der Lehmann war da. Großer deutscher Komponist. Und

154

äh (1) der hat mich dann angenommen. Und das war wunderbar und dann hab ich dann, noch

155 156

ein paar Jahre in B, studiert. (1) Und äh So, die Sommer über hab ich bei Müller studiert.

157

Der war damals Dirigent in äh D-Stadt, (1) D-Stadt Symphonie. Und dann (1) am Ende des

158

zweiten Sommers mußte Müller, ich hatte keine Ahnung, was ich tun würde, ich hat ja kein,

159

keine Position, nichts. Und da war ein äh Chordirigent, englischer Chordirigent, Archow. Am

160

letzten Tag als ich da war, sachte er zu mir: "Was machst du denn jetzt, wenn du nach New

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York zurückgehst?" Sag ich: "Ich weiß nich." "Jaa da kannst du für mich was tun. Ich hab hier

162

so eine Show, hier auf dem Broadway kommt und ich brauch ein Assistenten und willst das

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machen?" Sag ich: "Ja". Das war nie am Broadway, das war ne off Broadway Show.

165

Und das war was ganz Neues, wo sie, so alle drei vier Wochen, eine neue Show machten.

166

Und das war alles sehr äh progressive Sachen, sehr neuartig, wunderbare Sachen. Bert Bertolt

167

Brecht und solche Leute. Und das hab ich dann auch gemacht. Und diese Show, die off

168

Broadway war, die war so enorm erfolgreich, daß jemand sie eingekauft hat und sie auf den

169

Broadway gesetzt hat. Und da sagte also der Hauptdirigent. "Ja das mach ich nicht. Tu Du

170

das." Und da war ich dann plötzlich am Broadway. (1) Und äh, das hab ich ein Jahr lang

171

gemacht, hat viel Spaß gemacht und äh, hat auch andre Konzerte in New York. Damals war

172 173

ich, ach Gott wie alt war ich da, (1) in den frühen zwanziger Jahren, nich (1). Und dann, in

174

dem einen Sommer, da war plötzlich ein großer äh (1) hurricane. Wie sagt man auf deutsch?

175

S: Hurricane

176

G: Hurricane? (1) Eine Woche und dann die nächste Woche war ein großer Max Schmeling

177 178

äh boxing fight. Und da ham wir nich genug Billette verkauft und ist die Show runter,

179

ist gegangen. Ich hatte aber Geld gespart und sag sagte mir, am besten (1) bleibst du nich

mhm

mhm

mhm

mhm

mhm

mhmmh

6

Interview G. Levi 180

mh

181 182

in New York und siehst Dich um, sondern ich bin nach Paris, (1) und hab da ein Jahr (1)

183

gelebt. Und hab mit der amerikanischen ähm Embassy ähm (1) gearbeitet und hab dort

184

Konzerte mit moderner amerikanischer Musik organisiert. Und kannte kein Mensch in

185

Europa, was da, hier los war, los war. Und hab viele Solisten und Komp Kompo äh Kom äh

186

Komponisten eingeladen und das hat großen Spaß gemacht. Und die hatten mich gerade noch

187

(1) f für ein Jahr da noch engagiert, richtig formellerweise an engagiert. Da bekam ich

188

morgens um zwei ein Telefonanruf von meiner Schwester. Die war bei Marilov im Sommer

189

und um auf um auf seine Kinder aufzupassen. (1) Und traf da (1) den Fischer, hier den äh, den

190

berühmten Dirigenten, Polen Dirigenten. Und dort saßen sie alle so rum. Strawinsky war auch

191

da. Und saßen so rum. Sagt er: "Ich weiß nicht was ich tun soll. In zwei Tagen fang mein

192

Orchester an und ich hab noch keine Assistenten." Sagte meine Schwester: "Ja mein mein

193

mein Bruder ist in Paris und der sucht nen Job und so weiter." Und Strawinsky hatte mich

194

dirigieren gehört als ich in D-Stadt war. Und er sagte: "Jaa, er ist sehr gut." Ja wenn

195 196

Strawinsky so was sagt (leises Lachen) mehr brauchten die netterweise gar nicht zu

197

hören,da brauchte ich noch nicht mal vordirigieren oder vorspielen und so weiter. Und äh

198

meine Schwester rief mich an und denn, sechs Stunden später saß ich im Flugzeug. Und so

199 200

fing

201 202

meine Karriere hier in diesem, diesem Land an. Da war ich dann zehn Jahre zehn Jahre in

203

E-Stadt mit Fischer. Hab viel dirigiert und auch äh Kammerorchester und so weiter und

204

Sommerfeste und so weiter gemacht. Und dann (2, lautes Atmen) wo bin ich dann hin, F-

205

Stadt (1) Ja da kam ähm (2) dann kam G-Stadt. Da war ich einundzwanzig Jahre an der

206

Universität. Hab da dirigiert und äh Komposition studiert äh gelehrt, und Dirigieren gelehrt

207

und äh. Das war so wirklich die Hauptsache mein Berufsleben, da war ich die längste Zeit.

208

Das war ganz wunderbar eigentlich. Wir ham auch äh Tournees de gemacht durch die ganze

209

Welt, das Orchester. Nach China und überall hin, Südamerika und so weiter. Das das war

210

ganz toll. Und ich bin da geb geblieben, bis ich ähm (1) so ungefähr einundsiebzig Jahre,

211

zwanzig Jahre. (1) Und äh meine Eltern hatten nat die ganze Zeit hier schon in K-Stadt äh

212

gelebt. Mein Vater äh war nich mehr Arzt in New York. Ähm hatte sich hier zurückgezogen.

213

Und da er auch, wie ich Ihnen gleich zeigen werde, sehr wunderbar gemalt hat, hat er sich

214 215

hier aufs Malen gestürzt und hat

mhm

(lachen)

mhm

mh

mhm

7

Interview G. Levi 216

schrecklich viel noch gemacht. Und äh ich hatte ihnen hier in äh K-Stadt ein Haus gekauft,

217

wo sie auch dann gelebt haben, sind beide gestorben. Und äh (1) ja ich war dann (2) ja in F-

218

Stadt war ich äh (1) zwölf Jahre. Und als ich da ankam hatten mi ham mir alle Leute gesagt:

219

"Ja in F-Stadt, da passiert nie was." Und die Gertrude Stein, die ja aus F-Stadt war, hat mal

220

gesagt: "Ja F-Stadt isn' t there there." (1) Aber wir hams doch gemacht. Und das Orchester

221

wurde ganz berühmt und hat, das war wunderbar. Und ich hab viele andre Sachen auch

222

gemacht in I-Stadt und in der ganzen kalifornischen Gegend. Und wir hatten, hab ein gau äh

223 224

Fest gegründet, (Name) Festival, was es heut noch gibt. Südlich

225 226

von H-Stadt in I-Ort. Ja? Und äh das hab ich auch äh viele Jahre

227

gemacht. (2) Und (1) ja und dann, (1) die Jahre in G-Stadt. (1) Und dann äh (1) wollt ich aber

228

nicht in G-Stadt mich zurückziehen. Das ist äh keine besonders nette Stadt zu leben. Da ist

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viel los aber keine schöne Stadt. Und ich habs sehr gerne hier und ich hatte vor vielen Jahren

230

mir schon ein ein Landhaus gekauft hier. Damals als es noch billig war. Das ich heut noch

231

hab. (Name) ein Landhaus in den in Bergen, gegenüber von den Gletschern. Und inzwischen

232

warn meine Eltern hier, meine Schwester hier und so weiter und so fort. Und bin ich hier

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rausgezogen. Und äh (1) hier gefällt es mir sehr gut. Ich äh ich gebe einen Kurs an der

234

Universität, Komposition. Und äh (1) mache auch äh einen kleinen Kurs an der (Name)

235 236

College. For the arts. Und hab nen paar Privatschüler.

237

Aber ich, hauptsächlich mach ich Sachen für mich selbst. Ich komponier viel und hab auch

238 239

viel Glück mit Aufführungen und so. Und wenn was aufgeführt wird, reis ich rum. Und äh

240

jetzt komm zwei Konzerten in New York und ich hab Konzerte in äh in in Portugal. Und im

241 242

Juni geh ich nach Deutschland. Dirigier ich in Bochum. (1) Und ein früherer Schüler von

243

mir (Name) ist da der Dirigent. Und der wollte ein Konzert von der Musik von Frank Zappa

244 245

machen. Ich ich kannte den Zappa als ich in Los Angeles lebte, und das is ein interessanter

246

Kerl. (1) So da geh ich dann im Juni nach Deutschland und mach das Konzert in in Bochum.

247

Und ich bin mit verschiedenen Kompositionensachen jetzt äh beschäftigt. Ich hab ähm

248

dirigier in New York in der town hall. Da ist ein Orchester, das heißt (Name) Orchester. Ich

249 250

bin da der Musikdirektor. Wir machen paar Konzerte im Jahr und ich fahr hin und her. Und

mhm

ah ja, ja

mhm

mhm

mhm

(Lachen)

mhm

mhm

8

Interview G. Levi 251

äh wird auch ein neues Stück von mir aufgeführt, da bin ich jetzt mit b beschäftigt. Voriges

252

Jahr hatten wir ein Konzert, eins, das letzte Konzert im vorigen Jahr, war ein Konzert von äh

253

(1) African Americans. Ähm und auch nur mit ähm African American äh Künstlern. Und das

254 255

das hat viel Spaß gemacht. Und dies Jahr ham wir nicht einfach so nen Thema. Das da wird

256

ne neue, alles neue Sachen. Inclusive ein neues Stück von mir. Und äh (1) in Portugal diesmal

257

nich Lissabon sondern in in äh kleineren Städten, in im Gebirge. Äh und zwar in Kirchen,

258

weil die ham keine Musiksäle da. Und ich freu mich schon sehr drauf denn äh, jedesmal wenn

259

ich nach Portugal gehe bin ich immer sehr begeistert von dem vom Publikum, was sich sehr

260 261

an Musik interessiert und schönes Land und und das macht macht viel Spaß. Und äh, so, was

262

ich hier tue ist hauptsächlich Komposition und Lehre, mehr is nich. Ähm bin auch hier mit

263

dem ähm (1) (Lake) union äh Civic Orchester, was ein kleineres Orchester ist, a jetzt auch

264

beschäftigt. Und zwar ist das mehr, Leute die gut spielen aber nich unbedingt beruflich. Das

265 266

sind also Ärzte und Apotheker, weiß ich was alles. Aber spielen sehr anständig und so arbeite

267

ich jetzt mit denen auch. Und das macht Spaß. (1) Äh, und zwar sind die an diesem großen

268

ähm Cancerinstitut. Da is ein kleiner Saal. Das das Institut hat sich daran, hat das gegründet

269

an für sich, nich. Und das das is was Neues jetzt, das fängt jetzt gerade erst an. Jetzt im

270

Moment. Und, ja ich hab noch viel zu erzählen aber fragen Sie mal was (lachen).

271

S: Neh neh erzählen Sie erst Mal so weiter. Das ist ganz interessant. (Lachen)

272

G: Ja ich hab natürlich viel viel viele Komponisten kennengelernt, nich. Da oben, das, diese

273

Büste ist eine Büste, die (1) von Copland, Aaron Copland. Und die hat ne interessante

274

Geschichte. In den dreiziger Jahren war da son ähm (1) ein Tanzstück, das wurde wurde in

275

Chicago aufgeführt. Ich kann im Moment nicht an den Choriographen, Choriographin, das

276

war eine Frau, erinnern. Und äh, da war eine Szene wo so eine Jury war, äh mit zwölf zwölf

277

Leuten, sechs davon waren so, nich richtig Leute sondern so Staturn, und sechs waren

278 279

lebendig und das ist eins von den, von diesen äh Staturen. Das war eine eine eine, wie sagt

280 281

man so einem aaach (2) Sank Joseph? Portrait von äh, von von von, von Copland. Und

282

äh, das hatt ich so aus Zufall bekommen. Da war ich bei einem Freund, der Hilfe von mir

283

brauchten, von wegen Komposition und so weiter. Und plötzlich zeigt er mir das. Sag ich:

284

"Mensch ist ja toll, was ist das?" Da hat er mir erzählt. Sagt er: "Nimms, is deins" (leises

285 286

Lachen) Und so hab ich das dann bekommen. Die Bilder, die Sie hier sehn, viele sind ähm,

mhm

mhm

mhm

ja

mhm

mhm

(lachen)

9

Interview G. Levi 287

fast alle sind von Freunden von mir. Manche von meinem Vater. Und mein Vater war sehr,

288 289

(1) na sehr enger Freund von August Macke. So hab ich so Macke Bilder hier. Der Macke

290 291

ist ja leider im Weltkrieg umgekommen. Und äh, aber die Witwe, Elisabeth, die hab ich

292

noch gut gekannt. Sie hat sich ja dann wieder verheiratet mit einem Mann namens Lothar

293 294

Erdmann. Das war in, der hatte eine sozialistische Zeitung in Berlin. Den hat sie auch

295

verloren. Den ham die Nazis umgebracht. Und ich hab sie nach dem Kriege wiedergefunden,

296

wir waren auch sehr eng befreundet bis sie dann, bis sie dann auch auch starb. Und äh, den

297

August Macke hab ich natürlich nie äh gekannt. Der ist ja schon vor meiner Geburt äh

298

gestorben. Aber sein ähm Cousin der Helmut Macke, der auch ein berühmter Maler war, den

299

hab ich noch gut gekannt. Der war auch sehr gut mit meinem Vater befreundet. Und äh, so

300

mein Vater wid war wirklich ein begabter Mann. Als, als Arzt natürlich. Ähm er war während

301

des ganzen Weltkrieges natürlich im im Heer als Arzt. Und äh als Chirurg. Und dann wollte

302 303

er das nich mehr machen, nach vier Jahren Chirurg in der Armee, ist er dann, Arzt, wie sacht

304

man das, ähm m (2) Generalar ge generel

305

S: Allgemeiner

306

G: Allgemeiner. Eine große Praxis gehabt in A-Stadt. Bis dann die Nazis Schluß gemacht

307

haben, nich. Dann ging er, dann ging das nich mehr. Und dann (Seufzt) (2) und wir hatten

308

Freunde, die warn politisch sehr aktiv. Einer der, einer, eine von denen war ein ein

309

Kommunist. Und die war Patient von meinem Vater und äh, (1) das war einst der Gründe,

310

warum er dann ins Gefängnis kam. Und die Behörden? war, wie schon gesagt, mußten ihn

311

immer wieder rauslassen, weil er bekannter Arzt war und die brauchten jemanden, die Juden

312

zu betreun. Und das de (1) war ziemlich schlimm am Ende da. Ähm das Haus, was wir in A-

313

Stadt hatten, das hat ähm, (1) das hatten wir gebaut. Das war ein wunderbares Haus, äh

314

Artdeco Haus, von späten zwanziger Jahren. Und äh haben wir von einunddreizig bis

315

achtunddreizig (1) drin gewohnt. Und als ich jetzt in Deutschland z zuerst wieder nach dem

316

Kriege wieder zurückging, hab ich das, das Haus stand noch, und is jetzt kein Privathaus

317 318

mehr, m (1) Geschäfte drin also, weiß nich was. Und äh, ja ich ging nachem Krieg sofort

319

zurück nach Deutschland, denn wir hatten uns bemüht ähm, Verwandte zu finden, die es noch

320 321

gab, nich. Und äh, da war noch eine Tante, die war übrich geblieben. Ähm ihre Tochter hat

mhm

mhm

mhm

mhm

mhm

mm

ja

10

Interview G. Levi 322

sie v verlorn, ihren Mann hat sie verlorn und so weiter. Aber sie hats überstanden. Is damals

323

noch zu Fuß aus Theresienstadt zurück an die Mosel gegangen und, die, ihre Nachbarn, die

324

deutschen Nachbarn warn schrecklich nett. Die hatten während des ganzen Krieges ihr Haus

325 326

betreut, das war noch da, das war toll. Und so hab ich sie dann wiedergesehen. Und die is ge-

327

storben aber da war sie schon ziemlich, ziemlich alt. Und drüber gesprochen, ihre Tochter war

328

vom, (1) von dieser ganzen Konzentrationslagerzeit äh so, so krank. S sie hats nicht mehr

329

lange mitgemacht, (dann war sie tot). Da war eine, (Seufzt) ja von der Cousine hier hab ich

330

schon erzählt, die in den Salz-kämmern.

331

S: arbeitete

332

G: (

333

Vater hatte drei Töchter. Und eine davon war Geigerin, die wohnte in Köln. Da bin ich jeden

334

Samstag mit der Rheinuferbahn hin gefahrn und hab äh Stunden genommen auf der Geige.

335

Und den ist geglückt noch raus zu kommen, sind nach England und dann sind se, hier ins hier

336 337

ins Land gekomm. Und sie sitzt, mit ihren neunzig Jahren lebt noch, und is immer im guten

338

Zustand,lehrt noch Geige, spielt sogar noch nen bißchen. Und äh (1) Lilie Mamblock jetzt

339

heißt sie Heumann. (1) Ähm, ja jeden Samstag auf der Rheinuferbahn nach Köln um Stunde

340

zu nehm. Das war herrlich. (1) Ähm die ganze Familie von meinem Vater war künstlerisch

341

sehr begabt. Es waren Sänger und äh wenn sie nicht Profis warn, warn sie sehr gut. Äh (1)

342

wie sagt man, Amateur?

343

S: Mhm Amateur, ja

344

G: So gamacht. Und viele warn auch auch beruflich. Hatte da eine Cousine, die war hier, in

345

New York, G Geigerin und ihr Mann war Cellist an der Metropolitan Oper. So das war, die

346

ganze Familie war immer sehr mit äh mit Kunst und. Noch heute noch. Meine Schwester, ah

347

hat Musik studiert, (1) ah Cellistin. Dann ähm (1) das, dann hat sie ihren Mann kenngelernt

348

und ist nach (Name), nach K-Stadt um hier mit der berühmten, deutschen Cellisten Eva

349

Heinitz zu studiern. Und (1) dann hat sie library science, Bibliothekswissenschaft oder wie

350 351

man das nennt, studiert, was sie auch ne Zeitlang gemacht hat. Inzwischen ist sie auch Bild-

352

hauerin (1) geworden, macht sehr viel äh damit. Ihr Mann hat sie leider verloren. Aber er war

353 354

viel älter als sie war. Er war berühmter chinesischer ähm Wissenschaftlicher. Nicht Chinese

355 356

aber chinesisch, chinesischer Wissenschaftler. Walter Johann. (1) (Seuftzt) Sein Vater, ähm

mhm

) Und sonst (2) hab ich noch hier im Land, ähm, eine Schwester von meinem

mhm

ja

ja

mhm

mhm

11

Interview G. Levi 357

(2) war auch, ähm, die die wohnten in China, da is er auch geboren. (1) Auch sehr berühmt.

358

Und äh von einer ganz alten deutschen Familie. Ähm, er ist nicht Jude. Und ähm, da warn

359

auch viele geistliche, (ganz) protestantische Geistliche äh in in der Familie. Und äh sie hat

360

zwei Kinder, zwei Söhne. Und einer ist auch wieder Arzt geworden, ist Neurologe. Und der

361 362

andere is Rechtsanwalt in Alaska. Und äh aber auch alle künstlerisch sehr begabt und inte-

363

ressiert an den Künsten und so weiter und so fort. Und äh, ja mein Leben ist nich mehr so

364

hektisch wie es früher war. Ich hab mehr Zeit zum äh Komponieren, was ich auch sehr gerne

365

tue. (

366

macht. Ähm arbeite an einer Oper über (Brücken) Venedig, gutes libroto. Das geht jetzt auch

367

ziemlich gut weiter. Und das wird wahrscheinlich, wenn ichs fertig hab, in äh Baltimore zur

368

Ur, Uraufführung kommen. Denn der der Herr, der das Librato geschrieben hat, ist da. Ähm

369 370

(Name) Institut, ist der der der Chef davon. Und der is nen fantastischer Regisseur und äh,

371

sobald ich das fertig hab. Ich hätte auch die Oper nie geschrieben, ohne zu wissen, daß es ne

372 373

Aufführung haben könnte. Denn es is voll schrecklich viel Arbeit, das, das hät ich nich gern

374 375

getan ohne zu wissen, daß ich das auch dann, das ans Tagelicht kommen würde. Mit andern

376

Sachen, das, man hofft immer, und ich hab viel Glück gehabt. Und ich hab die meisten Sa-

377

chen, ich ich glaub alle Sachen, sind sind aufgeführt worden. Viele auch auf Plattenaufnah-

378

men und so weiter und so fort. Und äh, so bin ich also von nh Geigen dann aufs Lehrer und

379

dann auf Dirigieren und Komposition. War immer da aber nich so konzentriert wie jetzt. Und

380

äh, seit Lehmannpartie habe ich dann mehr gearbeitet, nich. Ähm Lehmann war eine schwie-

381

rige Ausgabe. Ähm, ich hab schrecklich gern mit ihm gearbeitet, weil er ein ganz toller Mu-

382

siker. Aber es hat ungefähr fünf Jahre gedauert nachdem ich mit ihm fertig war, das ich meine

383

eigene Stimme bekomm. Denn er war einer von diesen Lehrern, wo alles genau so sein

384 385

mußte, wie ers wollte. Und was ich auch immer dahin brachte äh an Kompositionen, wenn

386

er da mit dem roten Bleistift, mit dem roten Stift ähm zu Ende war, dann klangs wie Leh-

387

mann. (1) Und er war so eine überwältich, überwältigend starke Persönlichkeit, das, man

388

konnte gar nicht anders, nich. Das hat erst mal ne Zeitlang gedauert, bis ich, davon wegkam,

389

nich. Dann hab ich eben ne Zeitlang nich komponiert, denn es klang alles wie Lehmann und

390 391

das wollt ich gar nich, wollt wie ich klingen. Nich das ich seine Musik nich gerne hät, hab

mhm

) und da Und äh, komm mal jetzt mehr auch zum Komponieren, was mir viel Spaß

mhm

mhm

mhm

mhm

mh

mhm

mhm

12

mhm

Interview G. Levi 392

sie sehr gern aber das war nicht meine Musik, neh. Aber das is mir dann doch geglückt. Gott

393

sei Dank. Und so hab ich ziemlich viel äh, ziemlich viel äh, geschrieben Musik. (Wenn Sie)

394 395

mein Katalog gesehn hat. Bin immer noch sehr damit beschäftigt und macht mir schrecklich

396 397

viel Spaß. (1)Was kann ich Ihnen noch sagen. Ham Sie noch Fragen?

398

S: Ja ja

399

G: Also bitte. Dann fragen Sie mal.

400

S: Können Sie sich noch an Ihre Schulzeit erinnern?

401

G: Ja ich war auf der Volksschule. Ähm (2) erst ham meine Eltern mich an eine Privatschule

402

ge äh (1) gebracht, weil sie dachten, ich würd da mehr lernen. Und die Dame, die die Leiterin

403 404

von dieser Privatschule, war eine Antisemitin. Und machte immer Bemerkungen und da hab

405 406

ich gesagt: "Da geh ich nicht mehr hin". Bin ich auf die Volksschule und das war wunderbar.

407

Äh und ich war da fast vier Jahre auf der Volksschule. Und dann bin ich aufs äh B.-

408

Gymnasium, (1) was mir auch gut gefallen hat. Da war nur, ich war nur noch mit einem

409 410

anderen jüdischen Kind da. Wir waren die Einzigen. Und äh, (1) dann ging das auch nicht

411

mehr. So bin ich da schon äh Mitte von den dreiziger Jahren, weg von der Schule. Da war

412

einfach keine Schule, wo ich hingehen konnte. Da war so ne Art jüdische Schule in Köln aber

413

das war zu weit weg und die war auch nich so besonders gut. So hab ich also Zuhause studiert

414

mit meiner Mutter, (1) die, wo ich natürlich viel mehr gelernt hab hab als in der Schule. Und

415

dann ähm als wir dann sahen, daß wahrscheinlich die Auswanderung nötig werden würde,

416 417

hab ich dann äh, wir haben eine englische governess gehabt, da hab ich Englisch gelernt. So

418 419

als wir hier ankamen äh, hab ich fließend gesprochen schon, was sehr geholfen hat. Meine

420

Mutter sprach ziemlich gut englisch, denn ihr Vater war ein Kaufmann, der mit England

421

immer zu tun hatte und der is immer hin und her geflogen. England, da waren immer

422

Engländer Zuhause und so sprach sie ziemlich gut. Ähm meine Schwester hat hier gelernt. Sie

423 424

ist jünger als als ich bin. Sie war erst zwölf Jahre als wir hier ankamen. Und äh (1) ja

425

als wir hier ankamen, hatten wir natürlich kein Geld. Wir kamen hier mit hundertfünfzig

426

Dollar an. (kurzes Lachen) Hielt nicht sehr weit. Und dann ham wir uns Geld geliehn von

427

Freunden. Und ham ein großes ähm, eine große ähm Mietwohnung genomm in in Manhatten.

428

Und da mein Vater ja noch nicht ähm als Arzt öh öh 13

mhmhm

mhm

mhm

mhm

mhm

mhm

mhm

mh

mhm

Interview G. Levi 429

S: zugelassen

430

G: zugelassen war, ham wir das in ein Heim für für Sterbende (1). Äh (1) unoffiziell hat

431

natürlich mein Vater auf die aufgepaßt und meine Mutter war ja auch als nurse, (2) ähm

432

(weil) die konnt das. Und das ham wir solang gemacht, bis es ihm dann gelungen ist,

433

nachdem er erstmal englisch ge, er mußte erst Englisch lernen und dann hatte er nervous

434

breakdown, Nervenkrise. Und trotz Nervenkrise und Englisch lernen is ihm gelungen, nach

435 436

drei Jahren sein Diplom zu kriegen, was ziemlich toll war. Und da hat er wieder ne Praxis

437

aufgemacht (seufzt) in New York, im Norden von Manhatten, gegenüber von von (Bryant)

438

Park. Was er dann auch tat bis er fast achzig war. (1) Und er hätte noch länger machen

439

können. Er war in nem fantastischen Zustand, in großartiger Gesundheit. Ist dann mit

440

neunundsiebrig äh und ein einhalb, äh hier nach K-Stadt gezogen. (1) Da meine Schwester

441 442

inzwischen hier hier war. (1) Und äh (3) dann dann hat er noch, da ham sie, da hat er noch

443

fast äh zehn Jahre hier ge gelebt. Meine Mutter war viel jünger als er, (1) war vierzehn Jahre

444

jünger, und er starb neunzehnhundertvierundsiebzig und sie starb neunzehnhundertvierund-

445

achzig. (1) Und ähm hat noch in seinem hohen Alter, viel gemalt, hatte er endlich Zeit noch z

446

zu malen. Obschon er immer malte. Jeden Tag hat er ein, ein bißchen gemalt. Und wir hatten

447

ein wunderbares Haus äh in A-Stadt. Und da, unterm Dach hat er sich da ein Studio

448

eingerichtet, was wir das vierte Reich nannten. "Wo ist der Papi?" "Er ist im vierten Reich".

449 450

(Lachen) Entflohen (Lachen) vom täglichen Dreck des dritten Reiches, nich. Und das hat ihm

451

sehr geholfen, daß er die äh (1) das er arbeiten konnte für sich selbst, neh. Wunderbar. Wun-

452

derbar gemalt, Sachen gemalt. Als ich als wir dann hier warn, hab ich ihm auch, ähm, war es

453 454

mir möglich, ein paar Ausstellungen für ihn zu organisieren, sehr erfolgreich. Und äh (1) ja

455

hunderte, hunderte von Gemälden, nich. Das war ganz toll. ( ) Sachen hat, die sind auch

456

noch ein paar im Museum. Ich hät, ähm, wir ham auch ähm, im jüdischen Museum in New

457 458

York sind auch paar, mehrere von ihm. So, das war seine Hauptliebe, Musik und Gemälde.

459

Medizin hat er auch natürlich auch gern gehabt. Das hat er ein ganzes Leben gemacht. Aber

460

ich glaub die Kunst war ihm noch. (1) Und er wär wahrscheinlich auch in die Kunst gegangen

461

aber dann sein sein Vater und seine älteren Brüder haben alle gesagt: "Da kannst nicht mit

462

verdienen, Du mußt was tun, was was Dir Geld einbringt." So is er dann also Arzt geworden

463 464

und hat die Universität in A-Stadt und war glaub ich kurz an der Universität in ähm Hamburg.

mhm

ja

(Lachen)

jaja

mhm

mhm

mhm

14

Interview G. Levi 465

Und hat dann später auch an der Universität gelehrt, äh, in A-Stadt. Das ging natürlich alles

466

ka-putt als die Nazis dann kamen. (2) Das war ne, und dann konnten wir nich raus. Denn wir,

467

wir konnten nich nach Amerika, da konnte man nur rein wenn man e e e entweder so richtich

468

viel Geld hatte oder jemand kannte, der verwandt da war. (1) Das is ne ziemlich tolle

469

Geschichte. Wir wußten nicht, daß wir hier Verwandte hatten. Und (1)

470

neunzehnhundertachtunddreizig, nach dem em berühmten äh acht achtundzwanzigsten

471 472

November, (1) wie nennt man das auf

473

deutsch?

474

S: Die sogenannte Kristallnacht, Reichspogrom-

475

G:

476

herer Patient von meinem Vater, der war in der Synagoge an einem Samstagmorgen zum Got-

477

tesdienst. Und da saß neben ihm ein Mann, der ihn so immer anguckte, immer anguckte, im-

478

mer anguckte, nein umgekehrt. Der Mann saß nebenan, den er anguckte. Endlich sagte er zu

479

dem: "Hören Sie zu. Entschuldigen Sie. Sind Sie zufällig der Cousin von Doktor Levi?" Sagt

480

er: "Ja, bin ich." Sagt er: "Wissen Sie, daß das ihr Vetter, das dem schrecklich schlecht geht

481

und er is in einem, im Gefängnis und äh, wer weiß was da alles passiert. Aber sie haben keine

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Verwandte hier in Amerika und wenn Sie das, wenn Sie ein Affidavit geben würden, dann

483

könnt er wahrscheinlich raus." Und direkt nach dem Gottesdienst hat er uns ein Telegramm

484 485

geschickt und sagt: "Affidavit (follows). Und da diese zwei sich da getroffen haben, sind wir

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raus, sonst säß ich nicht hier. (1) Das is, das is wirklich so, denn d da war gar keine Möglich-

487 488

keit äh rauszukomm.

489

Und damals war es schon sehr schwer in dieses Land reinzukommen denn da waren glaub ich

490

nur noch zwei Staaten, die überhaupt jemand reingelassen haben, nich. Ich glaub Iowa oder,

491

ich glaub es war Iowa. (1) Iowa und und New York. Jedes Jahr wurde, daß heißt man konnte

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rein aber, die die, wo man, wo man als Arzt, man kein Diplom machen könnte. Und das war

493 494

für uns unmöglich. Denn ohne ohne ohne das mein Vater beruflich tätig wäre, wär das ja gar

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nicht gegangen, nich. Wir hatten ja kein Geld. Denn das war die andere Geschichte. Wir

496

kannten ein, (1) wir sind immer in die Schweiz, gewöhnlich, in die Schweiz in die Ferien

497

gegangen. In in Deutschland gings ja nicht mehr. Die Hotels ham ja keine Juden ange-

498

nommen. Und dort, da hatten wir gute Freunde in der Schweiz. Und äh, da wir da wußten, daß

499

eines Tages wir raus auswandern müßten, hat der für uns äh Geld rausgeschmuggelt. (1) Und

500

kam auch nach A-Stadt und hat da immer was mitgenommen, nich. Und dann, die letzten paar 15

mhm

Kristallnacht, ja genau. Ähm (2) da war ein frü-

mhm

ja

mhm

Interview G. Levi 501

Jahre konnt er auch nich mit uns in Verbindung bleiben. Und (1) dann ham wir mal an-

502

gerufen, hat er gesagt: "Ja laßt uns wissen, wenn Ihr rauskommt." und so weiter. Und dann als

503 504

wir da in Holland ankamen, wo wir eben waren um meine Tante rauszukriegen, riefen wir

505

sofort an und sagt: " Ja Hans wir sind jetzt raus, kannst Du unser Geld nach New York auf die

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Bank schicken?" Da sagte er: "Das hab ich nich, hab ich nicht mehr." (1) War alles gestohlen.

507

(1) Und anstatt mit genug Geld hier anzukommen, weil man paar Jahre lang leben kann, mein

508 509

Vater studierte, kam wir mit nichts an. Buchstäblich, hundertfünzig Dollar. (Lachen) Das war

510

also unglaublich. Aber das wichtigste war immer doch, daß wir raus waren, nich. Denn das

511

war ja die Sache von Tod und Leben, neh. Und wie gesagt, ham wir dann versucht meine

512

Tante zu überreden in äh in Holland. (

513

gesagt: "Ja der Hitler kommt nie nach Deutschland, nach Holland." Hab gesagt "Ja (

514

hast nich Recht, es kommt doch." So kams dann ja auch und sie sind halt umgekomm, nich,

515

dabei. Konnten sie nich mehr rauskriegen. (Seufzt) (1) Und äh, ja das war ganz (wuchtig).

516

Also arm zu sein, die Hauptsache war raus raus zu sein, neh. Wir ham alles gemacht. Ich hab

517

(1) in Restaurants gearbeitet, ich hab Straßen geputzt. Meine Mutter hat, äh, ja was man sich

518

überhaupt vorstellen kann, gemacht. Aber das machte ja nichts. Irgendwie gings dann, neh.

519

Und äh in paar Jahren, uns, gings alles sehr gut. Und dann bin ich eben auf die Universität

520

und studiert und äh, bin gleich dann beruflich tätig geworden und (2) das bis jetzt, und jetzt

521

wieder (kurzes Lachen). So äh (1) wir sind sehr sehr glücklich in diesem Land. Weil weils uns

522

gut gegangen ist und viele und (

523

meinen Beruf, was schön ist. Und ich hab ähm immer noch tätig, nicht mehr so konzentriert

524 525

tätig wie früher aber immer noch sehr tätig. So äh (1) (langweilig wars nich nich). (1) Was

526

kann ich noch sagen. (3)

527

S. Könn Sie so beschreiben wie es, wie es äh, wie es in Ihrem Elternhaus war? So oder was

528

ham sie so ne K so ne Art von Erziehung, die sie zum Beispiel genossen haben. Also ja was

529

so, so Alltag n Stück auch ausgesehen hat.

530

G: Ja also, das Haus in A-Stadt war was ganz besonderes. Denn äh, das war in der C-straße

531

und da war so eine Lücke zwischen zwei Häusern. Und neunzehnhundertdreizig oder

532

neunzehnhundertneunundzwanzig, weiß nicht genau welches Jahr, ähm (2) ham sich die

533

Eltern beschlossen, da ein Haus zu bauen. Und das war so ein Artdeco Haus, das mein Vater

534 535

mit, sag mal äh, he designed, he ja. Ja. Und äh, es war ziemlich eng das Haus aber arg tief.

536

Und das wurde dann so, ich, es hatte keine gerade Fassade sondern eine zackige Fassade und 16

mhm

mhm

mhm

) wieder ne Nummer zu kriegen. Und die ham ) Du

) Freunde. Und ich hab ähm großen Erfolg gehabt in

mhm

mhm

ja

Interview G. Levi 537

mhm

538

es war ein vierstöckiges Haus äh, was unser war, nich. Mit kleinem herrlichen Garten. Meine

539

Mutter hatte a äh (1) Waldgärtnerin ähm gebildet. Und n erst. Und dann ist sie in die äh Lor

540

nach Loheland in diese, (1) in die Lohelandschule gegangen. Wissen Sie was Loheland ist?

541

S: Ja

542

G: Ja. Gibts ja bestimmt immer noch, neh. Was sie dann auch ähm (1) ä gelehrt hat und

543

ausgeübt hat. Und äh so hat sie mein Vater eigentlich getroffen. Denn sie war, sie hatte den

544

mit den Studenten an der Universität gearbeitet, und auch mit äh mit den Ärzten. Und durch

545 546

ein Zahnarztfreund von meinem Papa ham sie sich dann getroffen. (Sehn se). Sie war erst

547

dreiundzwanzig Jahre alt, mein Vater war vierzehn Jahre älter als. Und so (1) dann hat sie nur

548

noch, nich mehr sehr lange, das ausgeübt, denn ich ich kam dann bald ein (Jahr noch), zwei

549

Jahr später kam meine Schwester an. Da hat sie genug gehabt, zu tun gehabt. Ah aber mein

550

Vater auch in der Praxis geholfen, obschon wir eine nurse hatten. Aber sie hat das alles über-

551

sehn und so weiter und so fort. Und dann nachher als die nurse nicht mehr bei uns arbeiten

552 553

konnte, weil sie nicht Jüdin war, hat dann die Mutti das übernommen. Und hat das auch in

554 555

New York gemacht, als mein Vater wieder die Praxis aufmachte in New York, ist sie wieder

556

seine nurse geworden. Das war ganz fantastisch, neh. (1) Da hatten wir jemand anders, der

557

das, die Hausarbeit gemacht hat und das, gekocht hat und sie hat nur in der Praxis gearbeitet,

558

neh. Bis sie sich dann zurückgezogen haben. Das das war ganz fantastisch. Also diese Zu-

559

sammenarbeit von meinen Eltern, daß war also was ganz ganz Besonderes, nich. Aber (1)

560

trotzdem hat er jeden Tag Cello geübt. Ähm ging in viel Vorträge, hat schrecklich viel ge-

561

malt. Er war ein e enorm beschäftigter äh (1) (Terror). Der hat immer, viel zu tun hatte, wenn

562 563

er nicht Medizin tat dann hat er seine Kunst ausgeführt, und zwei, zwei Künste ausgeführt.

mhm

mhm

mhm

mhm

564

Cassettenwechsel

565 566

G: Ja die die diese künstlerische (1) Bildung von beiden Eltern. Meine Mutter spielt die Laute

567 568

und hat gesungen. Und äh, so das d d die ganze Atmosphäre zu Hause war immer sehr wun-

569 570

derbar, neh.Und ähm (1), der Vetter vom (1) August Macke, der berühmte Maler, der Helmut

ja

ja

17

Interview G. Levi 571

Macke, war ein sehr guter Freund von meinem Vater. Und der hat unser Treppenhaus in A-

572

Stadt (1) ausgemalt. Das war ganz tolle rhein, rheinische Landschaft, drei Stockwerke, alles

573 574

so et-

575

was, war ganz fantastisch. Ähm (1) ich weiß nich genau ob das wieder gerettet worden ist.

576

Denn der, die Leute, die das Haus gekauft haben, hams mit weiß übermalt. (1) Was voll-

577 578

kommen unmöglich war, nich, vollkommen unmöglich. Das war erstens sehr schön und

579

zweitens war es ein berühmter Maler, das war sehr dumm außerdem noch, nich. Aber wir ham

580

uns dann ans Museum ge äh, gewendet in in New York, in A-Stadt. Und ich glaube, das ist

581 582

wieder gerettet worden. Das das man das Weiße abmachen kann. Und ich glaube, das existiert

583

wieder, neh. Und äh ja nächst mal, wenn ich nach A-Stadt geh, werd ich mirs ansehn. Das das

584 585

war ganz toll, dieses, diese Malerei. Und ich erinner mich noch dran, wie das gemalt wurde,

586 587

nich. War toll. Wir hatten sehr st steile Treppen, das war sehr schwierig für ihn, das zu ma-

588

chen. Das war ganz toll. Und äh (1) was noch.

589

S. Und von da aus sind Sie denn noch für ne kurze Zeit umgezogen aufs Land.

590 591

G: Ja dann sind wir nach ähm (1) zwischen A-Stadt und ähm A-Ort nach (3) ach, ich

592

kann mich jetzt nich an den Namen erinnern. Eins von den kleinen (1) Dörfern zwischen A-

593 594

Stadt und äh A-Ort. Wir ham ein Haus gemietet. (2) Und mein Vater durfte dann nur in

595 596

der Synagoge als Arzt tä tätig sein, nur jüdische Klienten haben. Was er dann auch tat bis

597

dann achtunddreizig die Synagoge a abgebrannt wurde. Dann war da auch Schluß damit.

598

Konnt er gar nich mehr machen. Und die Mutti wollte gar nicht, daß er das mehr tan, aber alle

599

alle möglichen Sachen passierten alles Nachts um zwei Uhr morgens hat, schellt das Telefon

600

und äh dann: "Ja wir, wir sind schrecklich krank, könn Sie komm?" Und ich sagte: "Geht nich

601

geht nich geht nich." Das klingt irgendwie nich so richtig." Muttis "Ach nein, das mn aber ich

602

geh mit." sagt sie. (1) Sind sie beide weg. Und das hat, das war im Herbst, hat hats geregnet.

603

Und ich saß da zu Hause, meine Schwester schlief. Aber ich, mir mir hat das alles irgendwie

604

doch nich, das klang nich richtig. (1) Sie kamen nich zurück, und kamen nich zurück, und

605

kamen nich zurück. Morgens um sechs Uhr kamen sie zurück. Vollkommen mit Schlamm

606

und (1), bedeckt, vollkommen nass. (2) Das war natürlich kein kein Patient. Und die merkten

607

dann, daß ihnen ein Auto folgte. Und der is ja da d in d im Dunkeln, sind se dann, (1) sind sie 18

ja

ja

ja

mhm

Ja

ja

mhm

mhm

mhm

mhm

Interview G. Levi 608

mhm

609

stehn geblieben und aus em Auto gelaufen, in sehr sumpfigen Felder rein. Und da's Wetter so

610

schlecht, fürchterlich war und alles so sumpfig war, sind die Leute nicht nach. (1) Und ham

611

sie dann im Schlamm gelegen, die ganze Nacht, bis es morgens hell wurde und kam dann

612 613

(rrrrch) so zurück. Das Auto war vollkommen kaputt geschlagen, ham ham die Leute voll-

614

kommen kaputt geschlagen, sind zu Fuß zurück, ungefähr sechs Kilometer gelaufen, war toll.

615

Ja das war der Ende natürlich dann hat er nicht mehr, konnt er nicht mehr als Arzt tätig sein

616

und dann (1) (seufzt) ham wir nur noch gewartet, daß alles hier mit dem Visa ging. Aber wie

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gesacht, ist er dann immer rein und raus aus dem Gefängnis, neh. (1) (Schnalzt) Das war doch

618 619

ähm (2) unmöglich. Aber wir ham schrecklich Glück gehabt, das alles noch noch klappte.

620

Ähm (1) paar Verwandte ham wir noch rausgekriegt aber wie ich schon vorher sagte, viele

621 622

ham wir nich mehr rausgekriegt, war nich mehr genug Zeit, nich. Die Amerikaner, die ham

623

sich ja, ham ja keine Ausnahmen gemacht. Obschon sie wußten, daß diese Leute dann um-

624

gebracht würden, neh. Die ham, war nichts zu machen, ham alles versucht. (1) (Seufzt) Und

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äh, so mein Leben hier in Amerika is äh sehr schön gewesen und immer noch sehr schön.

626

Hochinteressant und schrecklich viel nette Leute kennen gelernt. Und künstlerisch konnt ich

627

ziemlich viel tun, was ich wollte. Viele verschiede Sachen getan, und die mir alle sehr ge-

628

fallen haben. Und jetzt hab ich wie gesacht mehr Zeit zum Komponieren, was mir auch viel

629

Freude macht. Gehe jetzt ähm öfter nach Europa, zum dirigieren. Und wie gesagt ähm (1)

630

bald gehts nach Bochum. Und äh werde auch nach A-Stadt zurück, denn die (1) älteste

631

Tochter vom ähm (2) August Macke, die Gisela Macke, lebt noch in A-Stadt. Ist in ihren

632

achziger Jah-ren und wir sind immer noch sehr sehr befreundet. Und ich geh nie nach Europa

633 634

ohne die

635

Gisela zu sehn. Das is ne tolle Verbindung mit der, mit der Vergangenheit, nich. Und äh die

636

Freundschaft von meinem Vater mit August Macke war so, was so Besonderes, neh. So das

637 638

wir uns sehn. Und wenn ich nach Berlin geh, was ich wahrscheinlich diesmal auch tue. Da

639

ist (1) ein Sohn von der Elisabeth Macke, die nich mehr lebt. Von ihrer zweiten Heirat, den

640 641

Lothar Erdmann, der e, der auch umgebracht wurde. Ähm (2) denn er war ja Sozialist und

642

das s ging auch nich. Aber, ähm (1), die Elisabeth hab ich noch oft besucht. Is ja auch, war

643

ziemlich alt als sie dann starb. Und ähm, die Gisela ist ganz toll. Die hat, weiß nich wieviel

ja

ja ja

mhmhm

mhm

mhm

ja

mhm

mhm

mhm

19

Interview G. Levi 644

Enkel und Urenkel und sehr beschäftigt und. Wohnt im alten Mackehaus in (Hochstadelhöh)

645

in New York. Woran ich mich noch sehr erinnerte als ich das erste Mal zurückging. Denn die

646

Elisabeth wohnte damals aufem obersten Stockwerk (1) und die Wände da warn alle mit Ma-

647 648

lereien von von Macke bedeckt. Und äh so, ich hab diese Verbindung nie verloren, nich, zu

649

diesen Freunden von meinem Vater, und die Künstler und so weiter und so fort. Und äh was,

650

wo ich sehr froh drüber bin auch. Wirklich sehr sehr schön. Ähm wir hatten eine junge Dame,

651

die war bei uns so als äh governess, nurse. Die fing bei uns mit siebzehneinhalb, achzehn

652

Jahren an. Bis dann das auch nich mehr ging. Aber war ziemlich lange bei uns. Ich glaub, daß

653

fing so neunzehnhundertdreizig an ungefähr. Ich habe lange nichts mehr gehört. Ich hab sie

654

noch besucht vorn paar Jahren, is auch nun in den achziger Jahren, nich mehr so gesund. Ob

655 656

sie noch lebt, weiß ich jetzt nich. Hoffe sehr. Sie antwortet nich. Die wohnt jetzt in der Nähe

657

von Königswinter. Othilde Isolde Wilhelmine Paulus. (1) Ihr Vater war ein Instrumenten-

658 659

macher, Geigen und ähm Lauten und Gitarren gemacht, also ursprünglich aus Leipzig. Und

660

hat eine fantastische Arbeit gemacht. Ich hab ihn noch sehr gut gekannt. Er war ein schreck-

661

lich netter, netter Mensch. (1) Und äh ich kannte auch die Schwester. Und äh, der Bruder is,

662

war leider sehr in mit der Nazi Partei beschäftigt (2). Aber ich hab ihn auch nach dem Krieg

663 664

gesehn. Ich glaub, er, er sieht jetzt ein, daß das nich so (kurzes Lachen) richtig war. Ähm

665 666

(2) aber ich hab, ich kenn nich mehr sehr viele Freunde in Deutschland. Unsere jüdischen

667

Freunde sind entweder weg oder leben nicht mehr oder sind umgebracht worden. Und die

668

nichtjüdischen Freunde, die wir hatten, ich meine, die die noch leben mit den bin ich noch

669 670

sehr in Verbindung. Sind alles schreckliche Menschen, schrecklich nette Menschen. Ja. Und

671 672

äh bin auch mit den Kindern in Verbindung. Und (1) und äh ist so viel, was die Familien an

673 674

aneinander, eng eng zusamm gebracht hat, nich. Das waren schrecklich anständige Menschen.

675

Ähm (2) und das is s, ich war immer erstaunt, daß diese Leute überlebt haben, weil sie hatten

676

alle sich geweigert in die Partei, zu, wie sagt man da, zu

677

S: einzutreten

678

G: in die Partei einzutreten, ja. (1) Irgendwie ham, ham sie's dann doch überlebt. Und äh (1)

679

ja für mich is immer eigenartig zurück zu gehn, nich. Denn ich hab d natürlich Heimweh aber

ja

mhm

mhm

mhm

mh

mh

mh

mh

20

Interview G. Levi 680

auch diese ganzen negativen Sachen, die uns passiert sind, die sind natürlich auch noch da,

681 682

nich.

683

Da is es nich so einfach immer, nich. Und da manchmal trifft man Leute, die äh, die so tun als

684

ob sie von nichts was w w wissen. Und, obwohl sie sagen: "Ach naja is ja auch jetzt vorbei."

685

Als ob gar nichts so gewesen wär, neh. Das tut dann auch weh. Aber natürlich gibts viele, die

686 687

nich so sind, nich, aber es gibt eben beide, beide Arten, nich. Ähm (1) ich meine, daß sie na-

688

türlich nicht jeden Tag dran denken solln, das das versteh ich natürlich. Aber auf der andern

689

Seite solln sie doch nich die Vergangenheit vergessen, nich. Is ja wichtig. Und ich find es

690 691

wichtig für die jüngeren Menschen, daß sie wissen, was da passiert, passierte und was nich

692

mehr passieren sollte, nich. Das, ich glaube mein Vater sagte neunzehnhundertzwei-

693

unddreizig: "Die Deutschen tun so was nicht mit. Glaub ich nicht." (1) Er hatte nich Recht,

694 695

leider. (2) Ähm denn man sacht natürlich immer, ja, daß is natürlich, ähm, de der Hauptgrund

696

von dem allen ist natürlich der, wie sagt man der treaty von Versailles, der

697

S: der Vertrag

698

G: Vertrag von Versailles, der gegen die Deutschen sehr sehr sch, für die Deutschen sehr

699

schlecht war und auch sehr dumm war natürlich, nich. Ähm (2) ich weiß noch (1) als die

700

deutsche Ar Armee, diese (Solumba), war ja nich viel, im Rheinland da einzog. Gegen den

701

Vertrag von Versailles. Und alle sagten: "Naja das ham, da machen die Nazis aber nen großen

702

Fehler. Jetzt komm natürlich die Franzosen und Engländer und tun sie wieder raus-

703 704

schmeißen." Aber leider ham sies nich getan. Nur das hätten sie sehr leicht tun könn, denn

705

die, die Deutschen warn ja gar nicht be be bewaffnet, neh. Und wenn sies getan hätten wäre

706

alles ganz anders geworden. Aber keiner hat äh geholt. Da war Chamberlain, der Daladier

707

diese ganzen Leuten, die ham nichts getan. Was ich nie verstehen werde. Da war ein Vertrag

708 709

geschließt, den sie gebrochen hatten. Und äh viele hätte, wär nich passiert, wenn die, die

710

beiden sich bißchen besser benommen hätten, nich. Ich weiß noch, t t München da, (1)

711

Chamberlain sagte: "I bring you peace, for all the time." You know, Vertrag. Und die ham

712

alle gesagt: "Mensch, du bist ja vollkommen verrückt." Dieser, was dieser Hitler vorhat. Der

713

hat doch nen Buch drüber geschrieben. Der hat doch alles getan, was in dem Buch stand.

714 715

Neh? Buchstäblich, buchstäblich. Und keiner hat ihm geglaubt, oder viele ham ihm nicht

ja

Ja, ja

mhm

mhm

ja ja

ja

ja

ja

mhm

21

Interview G. Levi 716

geglaubt. (1) Ja, das war sehr tragisch. Leider. Hat viele Menschenleben gekostet. (1) Aber es

717

ist die Vergangenheit und äh (seufzt) (1) Gott sei Dank (1) hat sich unsre Familie retten

718 719

können und wir ham alle hier ein fantastisches Leben in den, in den Staaten uns aufgebaut.

720

Und ich bin da sehr dankbar, nicht, dass ich das tun konnte, neh. Und äh daß ich damals von

721

der Columbia Uni Universität nich angenommen worden bin, hat sich gut ausgemacht, denn

722 723

ich bin ja gerne Musiker. Und äh die vier Jahre an der Universität A und dann die Jahre mit

724

Lehmann, also, Schöneres gibt's überhaupt nicht, nich. Und ich hab viel Glück gehabt in

725

meinem Beruf. So ähm (1) ich bin sehr froh, daß ich in meinem Alter immer das noch tun

726

kann. Ähm aber (1) ich bin im guten Zustand, meine Gesundheit ist großartig und äh, hab viel

727 728

Energie und es macht mir viel Spaß. (1) Und so plan ich immer neue Kompositionen und äh

729

Konzertreisen und äh (1) das is sehr schön. Das Komponieren is is was ganz Tolles. Und ich

730

hab wirklich, als ich noch als Dirigent so mehr tätig war, nich nich genug Zeit zum Kompo-

731 732

nieren gehabt, nich. Und jetzt hab ich eigentlich genug Zeit und äh das is is sehr schön. Und

733

diese Stadt hier gefällt mir besonders gut. Eine herrliche Stadt (1) und hier ist auch viel los.

734

Ich bin hier mit den composers forum (1) äh sehr beschäftigt. (1) Und äh mache auch Kon-

735

zerte hier an Museum ab und zu. Und äh lehre an dem (Name), hab ich alles schon gesagt,

736 737

(Name) College. Lehre da ein Kurs und lehre ein Kurs an der Universität. (1) Und hab auch

738

gar nich vor mehr offiziel zu machen, denn ich hab, bin froh, daß ich jetzt für mich mehr Zeit

739 740

hab.

741 742

Und dass ich auch auf Konzertreisen gehn kann und (2) ähm (1). Ähm meine Schwester, die

743

ja Cello ä Cello studiert hat, äh, sie ist jetzt hauptsächlich als Bildhauerin tätig, nich. Und ich

744 745

glaub, es wär sehr schön, wenn Sie mit der mal sich treffen könnten. Ich geb Ihnen denn

746 747

nachher die Adresse und die und die Nummer. Rufen Sie sie, wenn es Ihnen.

748 749

denn sie ist eine hochinteressante Person und Sie würden sich auch sehr freuen, ihre Sachen

750 751

zu sehen, die sie die sie macht. Und die hat auch ein sehr interessantes Leben. Nich nur

752

hinter sich sondern immer noch, nich. Ja. Und äh (1) ihre Kinder und Enkelkinder auch. is

mhm

mhm

mhm

ja ja

mhm

mhm

mhm

ja ja

mhm

mhm

ja

jaklar

mhm

mhm

22

Interview G. Levi 753 754

mhm

mhmja

755

auch sehr interessante, interessante Menschen. Einer is äh Rechtsanwalt in Alaska, verheiratet

756

und Kind. Und der andere ist äh Neurologe und dessen Frau ist auch Ärztin. Und die ham

757 758

zwei hochbegabte Kinder, auch äh musikalisch sehr begabt, äußerst begabt. Scheint so ir-

759 760

gendwie in der Familie zu laufen, (1) was was viel Spaß macht. Was kann ich noch sagen. (1)

761

S. Könn Sie sich noch an die an die Schiffsfahrt erinnern in die USA?

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G: An die was?

763

S: An die Schiffsfahrt, an die Überfahrt?

764

G: Oh ja. Ähm (2) wir ähm (2) fuhrn auf ein ganz klein äh holländischen Schiff. (1) Und ähm

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sind mit dem holländischen Schiff gefahrn, weil wir dann von Holland abfahrn konnten. Und

766

da wollten wir hin, wie ich schon sagte, um zu versuchen meine Mutters Schwester zu (1) äh

767

zu überzeugen, daß sie auch weg sollten, was uns nicht geglückt ist. Ich kam auf diesem

768 769

ziemlich kleinen Schiff an, das ungefähr hat damals zehn Tage gedauert, zehn, elf Tage. Von

770

New York nach äh (Hogo.........) New Jersey. Und wir hatten schreckliche Stürme. Und äh

771

Mutti und ich hat das nichts ausgemacht. Aber meine Schwester und mein Vater waren die

772

ganze Zeit seekrank. (lachen) Ohne ohne ohne, das w war fürchterlich. Aber wir warn so froh

773

hier anzukomm, hat alles nichts gemacht, nich. Und das Gute war, daß wir, wir konnten ja

774 775

kein Geld mitnehm, nich. Aber wir konnten Sachen, unsre unsre, wie sagt man unsre (1)

776

S: Kleidung?

777

G: Alles

778

S: Alles mhm

779

G: Und so, da wir kein Geld mitnehm konnten, hat mein Vater sich eine vollkomm neue,

780

medizinische (1)

781

S:

782 783

G:

784 785

großen Liftwagen, ham wir das, das so rein. Und das war großartig, denn denn wir hatten

786

ja kein Geld uns hier was zu kaufen. Und so konnte er dann, sobald er das Examen machte,

787

sofort (klopft auf den Tisch) anfangen, weil er das, die ganze Ausstattung hatte, nich. Und äh

788

das war großartig. Und wir konnten unser ganzen Möbel und, (1) die ganzen Kunstsachen

789

konnten wir mitnehmen, was mich damals wundert, daß die Deutschen alles rausließen. Aber 23

mhm

ja

ja

mhm

mhm

Einrichtung Einrichtung gekauft. Das Neuste was es gab. Das ham wir so aufem mhm

ah ja

mhm

ja

Interview G. Levi 790

mhmhm

mhm

791

das ging. Und das war ganz fantastisch. Und ich weiß noch wie wir, neh mein Vater war

792

dann, ich sagte im Gefängnis, außem Gefängnis rein raus, rein raus, rein raus. Und da sind

793

wir, als wir dann im Zug waren, (1) wußte man immer noch nich, ob mein, daß da wirklich

794 795

klappte, denn oft ham die Leute ein an der Grenze rausgezogen, neh. Und ich guckte zum

796

Fenster raus und sah plötzlich ein Zeichen auf holländisch. (2) Und da wußten wir, daß wir

797

raus waren. War ein toller Moment. (Schnalzt) (1)Ist das nich schade, das man (2) man raus

798

muß (2) wo hunderte hunderte Jahre meine Vorfahren gelebt hatten und äh (schnalzt)

799

schrecklich. Ja einer von meinen Vorfahren war (1) wie sagt man Hof ähm für Friedrich den

800

Großen der hat dann am am am königlichen Hof gearbeitet in Berlin (1). Und ein anderer war

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ein berühmter Physiker, der mit Einstein gearbeitet hat. (Name) dessen Vater war von der

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ungarischen Seite von meiner Familie. Meine Großmutter war ja ursprünglich aus Ungarn.

803

Und der wurde dann hier Physiker, hat mit Einstein gearbeitet und äh bis er dann starb. Und

804

äh dessen Familie wohnt jetzt hier in K-Stadt, was noch übrig ist davon. Äh das war auch ne

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interessante Branche der Familie. Ich hab sie die kam oft nach nach A-Stadt und ham uns

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auch geholfen. Kam dann (1) mit Käse und Brot an, was wir kaum noch, das gab kaum noch,

807

neunzehnhundertachtunddreizig gabs ja kaum was zu essen. Mein Vater hatte Gott sei Dank,

808

ähm viele Patienten äh, die keine Nazis waren und die ham dann immer Nahrungsmittel

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gebracht als nichts nichts mehr gab, nich. Denn damals ham natürlich, die Deutschen ham

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alles zusammen ge gekriegt, war alles gefroren untergebracht und so weiter und so fort. Und

811

äh es war sehr schwierig, ja. Nahru Nahrungsmittl Nahrung zu kriegen. Es war natürlich die

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Zeit der berühmten Eintopfsgerichte am Samstag, am Sonntag, neh. Muß man nen

813

Eintopfgericht machen. (Lautes Atmen) All diese Sachen (Lachen). Ganz toll. Ja und äh wir

814

sind beide aus der Schule raus, ging nicht mehr. Und äh was aber gar nichts gemacht hat. Die

815

deutschen Schulen warn so gut. Als ich hier ankam und in die High School ging da war ich

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allen Leuten weit voraus. Denn die deutschen Schulen warn besser als die amerikanischen

817

Schulen. Zu der Zeit auf jeden Fall. Das ich sogar von meiner französischen Lehrerin hier in

818

New York gebeten wurde, die Klasse zu übernehmen. (1) Denn ich konnte besser französisch

819

als sie. Das hat die ham wir dann zusammen gemacht. Das war ganz toll überhaupt, neh. Ähm

820

s s ich hatte damals schon mit sechs Jahren angefangen die Geige zu studieren und einer von

821

meinen Lehrern war ein ein Russe namens Boris Schwartz, ein jüdischer Russe dessen Vater

822

war ein berühmter Klavierspieler. Die mußten dann auch raus und ham dann paar Jahre lang

823

durch die jüdischen Kulturbund in in Deutschland ähm konzertiert, denn wir d durften ja nicht

824

mehr ins Konzert gehn. So ham wir immer so eigene Konzerte organisiert. Und der Boris und

ja

24

Interview G. Levi 825

der Joseph Schwartz, die ham, warn eine von den (1) Künstlern die da mit dabei warn. Mein

826

Vater hat das auch organisiert. Wir hatten eine Serie von Konzerten in äh A-Stadt von

827

jüdischen Künstlern, die nicht mehr spielen durften. (1) Ich hatte auch eine Cousine Ilse, die

828

war Geigerin, ihr Mann war Cellist und die kamen die kamen, die sind rausgekommen und

829

die ham ne Zeitlang in Pittsburg Symphony gespielt. Da wurde er Cellist an der Metropolitan

830

Opera in New York, was er war bis er starb. Und äh sie war ne tolle Geigerin. Ich hab bei der

831

auch ne Zeitlang studiert, die wohnt (

832

immer noch. (1) Und die werde ich jetzt sogar bald in New York sehn, wenn ich da dirigiere.

833

Und sie spielt noch ein bißchen. (1) Und äh mit der hab ich sehr gern studiert, die war ganz,

834

ganz tolle. Und damals ham die Juden ja ein Orchester gegründet, das wie hieß das noch, wie

835

hieß das doch noch, das äh Steinberg hat das dirigiert ne Zeitlang. Die warn in Frankfurt,

836

jüdische (2) es war nur äh warn nur Juden drin weil die durften ja alle nicht mehr spielen, da

837

ham sie sich zusammen getan und ham ihr eigenes Orchester gegründet, ich kann mich jetzt

838

nich an den Namen erinnern. Meine Schwester wahrscheinlich erinnert sich noch dran. Das

839

war ein ganz tolles Orchester und die sind in Deutschland rumgereist, in die jüdischen

840

Gemeinden, da wir ja nicht mehr in Konzerten durften. Und ham wunderbar wunderbar

841

gespielt. Und dann ist der Steinberg weg und der wurde dann Dirigent hier an der Pittsburg

842

Symphony. Ähm (1) ich hab ihn noch noch gekannt, durch mein durch meine Eltern. Und

843

ganz toller, ganz toller Musiker. Und äh (seufzt) (3) ja die Erdmanns (1) also die

844

Abkömmlinge von August Macke und Elisabeth, Erdmann, Erdmanns und Mackes ähm mit

845

den bin ich sehr in Verbindung und ähm die ham alle auch hochinteressante Leben hinter sich

846

(

847

möglich. Ähm (2) aber soviel sind nich mehr da aus aus der der Zeit, nech. Aber ich hab

848

schrecklich viel neue Freunde, die ich hier und äh neue Verwandte durch Giselas Kinder neh

849

ja und so weiter und so fort. Und ich hoffe sehr, daß Sie mit ihr sprechen können denn auch

850

ein hochinteressantes Leben, immer noch. (1) Und ähm was kann ich Ihnen noch sagen? Ham

851

Sie noch (1)

852

S: Ich kann immer noch Fragen stellen (lachen)

853

G: Bitte bitte (Lachen)

854

S: Ähm wie war denn, wie warn die, die erste Zeit hier für Ihren Vater als er als Sie hier

855

ankamen?

856

G: Als erst war es sehr schlimm. Denn er hatte ja soviel durchgemacht. Ähm und irgendwie

857

immer geglaubt gehabt noch weiter zu machen. Und als er hier und als wir hier ankamen, das

858

erste was passierte das er einen ähm Nervenzusammbruch hat. (1) Und äh er konnte ungefähr

859

ein Jahr lang überhaupt nichts (

). Und wie gesagt meine Cousine Lilly lebt

) ähm zurückgezogen in Berlin aber noch ziemlich sehr aktiv. Wir sehn uns so oft wie

). Aber dann hat er sich tollerweise wieder zusamm 25

Interview G. Levi 860

gerappelt und englisch gelernt, Medizin studiert, dann Examen bestanden, nicht das erste Mal

861

aber das zweite dritte Mal und konnte dann wieder anfangen. Das war ganz toll. Alles in drei

862

Jahren, müssen Sie sich mal vorstelln. Er war damals auch schon fünfundfünfzig und in dem

863

Alter lernt man nicht mehr neue Sachen soo so rasch, neh. Und das englisch studiern in

864

Deutschland das klappte einfach nicht denn da war zuviel, ich habs getan aber mit ihm mit

865

den ganzen Problemen, die wir hatten, hat er einfach keine Zeit dazu. Da konnt er sich auch

866

nicht genug konzentriern drauf. So mußt er hier von vom Anfang anfang, die neue Sprache zu

867

lern und dann in der Sprache eine Praxis aufzumachen und so weiter. Das Interessante und

868

Schöne war, daß damals natürlich viele äh Emigrierte in New York wohnten, die natürlich

869

gern mit einem Arzt äh sein wollten, der der deutsch sprach nich. So hatte er viele äh Emi-

870

granten äh Patienten, was was was interessant und gut war, nich. (1) Und viele von denen

871

wohnen da oben wo wir wohnten, nich. In der Nordspitze von Manhatten, gegenüber von (

872

Park, so nich. Was jetzt ähm das war viele Jahre so. Dann ne zeitlang wars ein bißchen

873

französisch und jetzt is es alles spanisch. Die die hat sich alles sehr geändert. Weil damals war

874

es ziemlich äh deutsch. Aber die sind ausgewandert von New York weg oder aus-gestorben

875

oder was ich was. Sind nich viele da. Und ähm ja wir hatten ne schöne Wohnung ähm am

876

vierten Stock. In dem Haus, wo mein Vater die Praxis am ersten Stock hatte. Das war sehr

877

praktisch, ja. Direkt vom (

878

er is sein ganzes Leben lang jeden Tag eine Stunde spazieren gegang. Darum is er auch so

879

schön alt geworden, nich. Immer spaziern. Ähm damals als das noch gar nich so, jetzt

880

natürlich sagt man: "Ja jeden Tag muß man spazieren gehn." Und obs geregnet hat oder

881

geschneit hat war (…) alles durfte immer eine Stunde spaziern gehn. Und äh hat natürlich ein

882

Auto aber viele von den Patienten wohnen da da in der Umgebung. Das wa reine ( ) ein Arzt

883

zu haben, der deutsch sprechen konnte und so. Das war schwierig für für die Einwanderer.

884

Aber hatte natürlich auch viel amerikanische äh Patienten. Und so das Leben zu Hause war

885

wirklich schön äh sehr viel Kunst und äh auch in New York als er Arzt war is er zwei drei

886

Mal downtown gefahrn in der Woche um Vorträge zu hörn, war immer an allem interessiert.

887

Bis zum letzten Moment. Und als er dann paar Jahre eher starb ähm sein Gehirn funktionierte

888

nicht mehr so besonders, er konnte nicht mehr so aber er konnte immer noch Cello üben. Das

889

hat ihn dann beruhigt. Und wenn er dann so ähm m nervös wurde und mit dem Alzheimer und

890

so weiter und so fort, nich dann ham wir ihn das Cello gebracht und dann hat er sich wieder

891

beruhigt, neh. Das war nur im letzten die letzten paar Jahre so als er starb, neh. Und ähm (1)

892

na ja ( ) war seine Gesundheit war immer großartig sonst und äh er starb weil er alt war,

893

nicht (lachen)

894

S: Fast neunzig denn ja, neh?

)

) Park gegenüber. Ähm was für mein Vater sehr schön war, denn

26

Interview G. Levi 895

G: Jaja, jaja war ich glaub (1) ein Monat eher wenn er neunzig geworden wäre. Un äh ein

896

feiner Kerl. Hat uns als wir auf Ferien ging immer wurden wir in die Museen geschleppt und

897

alles erklärt. Ich weiß noch wie wir vor dem großen Rembrandt Bilder waren in in in Am-

898

sterdam und in in (Harland) in Holland und äh ham wir soviel von beiden von meinen Eltern

899

gelernt als als als Kindern wir warn immer so da, immer in die Konzerte in der Beet-

900

hovenhalle gegangen solange das überhaupt noch erlaubt war, nich. Da hab ich schon mit ähm

901

vielen mit jungen Jahren viel Musik gehabt. Meine Tante Berta war meine Geigen-lehrerin.

902

Ähm (2) sie war eine tolle Frau, wir sind oft zusammen am Rhein spazieren gegangen und da

903

hat sie dann stundenweise aus Schiller und Goethe zitiert. Außem außem Gedächnis. Das war

904

hat viel, großen Einfluß auf auf mich gehabt. Sie hatte ein schönes Leben gehabt und sie war

905

mit einem Mann verheiratet, der sehr nett war aber hat nie genug Geld verdient. So is ihr nie

906

gut gegangen, neh. Mein Vater hat ihr immer helfen müssen. Aber es war eine tolle Frau und

907

wies wies auch schlecht ging sie hat immer mit ihrer Musik und ihrer Poesie und hat sie

908

gelebt, nich. Und die lebten in dem Haus, das das ähm das meinen Groß-eltern gehört hat. (

909

) straße. Das war immer noch da, war immer noch in der Familie ge-blieben (1). Ich erinner

910

mich noch als ganz ganz ganz klein war neunzehnhundert-einunddreizig oder so das wir denn

911

gegangen sind um meine Großmutter zu besuchen. Und sie war in ihrem hohen Alter

912

melancholisch geworden. Ich erinner mich nur dran an diese Frau mit dem weißen Haar was

913

auf dem Kopf aufgetürmt war, schwarz angezogen und sie saß ganz still im Sessel und hat

914

kein Wort gesagt. (1) Und ähm zwei von ihren Töchtern äh lebten mit ihr, beide nie

915

verheiratet. Eine war bißchen zurückgeblieben aber hat gekocht und alles so getan was

916

notwendig war aber sie. Und die andere Tante Selma hat ihr ganzes Leben lang an an

917

Depressionen gelitten. Und hat sich das Leben genomm. Aber ich kannte sie noch gut und sie

918

hat wunderbar gesungen und die Laute gespielt, ich erinner mich noch sehr an sie. Diese

919

Depressionen scheinen in der Familie gewesen zu sein. da war noch ne andere Schwester, das

920

waren sieben im Ganzen, Tante Ilma, die ich auch nich gekannt hab, die hat sich auch das

921

Leben genomm. Ähm (2) aber die anderen sind alle sehr alt geworden (lachen). Äh der älteste

922

Bruder von meinem Vater, Jakob, Onkel Jakob der war Metzger denn mein Großvater war

923

Metzger. Und der hat das übernommen. Aber er hat toll gesungen und war auch Amateur äh

924

Schauspieler. Und äh die waren alle irgendwie begabt, nich. Und was sie auch taten, das

925

machte nichts, die warn alle auch mit den Künsten sehr beschäftigt, nicht, künstlerisch tätig.

926

Und das das war schön. Äh (1) es war war ganz toll. Und wie gesagt, bin also mit vielen, mit

927

manchen noch sehr in Verbindung. (1) Ähm und äh hab auch mit den Kindern und

928

Großkindern und so weiter und so fort

929

schrecklich nett zu mir. Wir ham so Vergangenheiten, die irgendwie doch zusammen gehörn. 27

bin ich auch in Verbindung und so. Die sind alle

Interview G. Levi 930

Das is is besonders schön. Und ähm (3) ja A-Stadt, da hat sich nich so viel geändert, nicht. Is

931

bisschen, warn verbomt worden aber nich so viel. Vieles sieht noch, ich mein, die Straße wo

932

ich als Kind war die ist noch genauso wie sie immer war. Irgendwie ganz komisch da, wieder

933

hinzugehn. Bringt viele, Erinnerungen, mit. Museum in der Nähe von unserem Haus war zwei

934

drei Häuser entfernt, war wie immer. Wir hatten ein ähm Nachbar, der war Chirurg. Herr

935

Professor (

936

oder auf jeden Fall hat er mitgemacht. Ich werde nie vergessen, wie ich mein unsern Hund,

937

wir hatten so ein irischen Terrier, ähm den hat ich auf die Straße genommen und er hat dann

938

gegen den Baum der vor dem Haus von dem Mann stand, gepinkelt, so wie die Hunde das

939

tun. Da kam er raus und sagt: "Ich will nich daß jüdische Hunde bei mir pinkeln." So ein

940

Mensch war er (Lachen). Jetzt kann man drüber lachen aber damals hat man nich so gelacht,

941

neh. Es war ein Idiot. Auf der andern Seite von unserm Haus waren zwei Damen, die waren

942

beide Rechtsanwälte, wältinnen und ganz ganz besonders nette Menschen. Und die ham sich

943

um die Nazis überhaupt nicht gekümmert und da konnte immer ein und aus gehen, wie wir

944

wollten. Und äh ham sich auch sehr um uns besorgt und warn ganz ganz besonders nett. Dann

945

meine Mutter hatte eine sehr sehr gute Freundin, eine reiche Dame, Frau Willisch (2) die hatte

946

eine Haus bißchen außerhalb und am berühmten Novembertag als äh mein Vater dann

947

eingesperrt wurde ähm hat die uns lieb genommen, meine Schwester und mich, denn wir

948

wußten nicht, was passieren würde und die Mutti wollte zum Anwalt und zum Gefängnis und

949

so weiter, versuchen mein Vater raus, Toni Willisch, ganz tolle Frau und die hat viel für die

950

Künstler und Künstler getan und ähm und wollte von den Nazis nichts wissen und sie ham ihr

951

nie was getan, ham sie in Ruh gelassen. Großes Glück gehabt. Hat uns ganz besonders viel

952

geholfen, war eine tolle, war Patientin von meinem Vater und sie ham, eng befreundet

953

geworden. Und ähm hat auch ne tolle Sammlung von von Gemälden, nich, war mit vielen

954

Künstlern sehr befreundet. (1) Aber dann als der Krieg dann zu Ende war, war sie inzwischen

955

gestorben

956

S: Ähm warn Ihre Eltern jemals wieder in Deutschland?

957

G: Ja

958

S: und was ham Sie erzählt?

959

G: Ah, sie warn nur paarmal denn es (2) fühlte sich nicht so gut an. Aber sie wollten natürlich

960

meine Tante sehn, Vaters älteste Schwester und noch ein paar Leute, die uns sehr treu

961

geblieben waren, nich. Aber glaub, war nur ein oder zwei Mal. (1) Da war zuviel (1)

962

Vergangenheit. So sind wir gewöhnlich hier im Land auf Ferien gegangen. Äh mein am

963

Anfang war mein Vater auch so Arzt an so nem Camp, Sommercamp und äh das war sehr

964

schön und und dann hat hatten wir Freunde auf Marthas Vineyard da sind wir oft nach 28

), der sich nich sehr gut benommen hat gegen meinen Vater. Er war Antisemit

(1) Und äh (1) ja also was noch? Was kann ich Ihnen noch sagen? Fragen Sie.

Interview G. Levi 965

Marthas Vineyard. Da warn, mein Vater hatte eine Freundin ehe er meine meine Mutter

966

kennenlernte aus (1) entweder Düssel ich glaub Düsseldorf. Und ähm (1) mit deren Kindern

967

warn wir dort sehr befreundet, das war fantastisch und die ham wir oft besucht, die die Kinder

968

in den Großstädten und auf dem Land und so weiter und so fort. Äh Strauß, Toni Strauß, die

969

ganze Straußfamilie. Und ich bin noch, verschiedene von denen noch in Verbindung. Und es

970

geht sehr weit zurück. Manche Verbindungen sind so eng, daß sie sich nicht mehr auflösen.

971

Was kann ich Ihnen noch sagen?

972

S: Ähm (1) ( ) bin noch bißchen mehr interessiert an dem Leben von ihrem Vater hier in den

973

USA. Also was er ähm meine ham Sie so nen Eindruck er hat noch Mal so ne zweite Heimat

974

hier gefunden?

975

G: Ach äh ja ich würde sagen, ja. Mein äh sprachlich nicht denn das Englisch war nicht so

976

fantastisch. Aber er hat sich in New York sehr wohlgefühlt äh hatte schrecklich viel zu tun, ne

977

große Praxis, die viel Spaß gemacht hat, bis zum Ende. Meiner Meinung nach hat er zu früh

978

aufgehört, hätte noch ein paar Jahre weiter machen können. Ähm war sehr mit allem was sich

979

in New York sich da abge beschäftigt, mu musikalisch und künstlerisch und so weiter. Wenn

980

er ne Stunde frei hatte ging er immer irgendwo in Vortrag hin oder ins Museum und äh

981

vollkommen engagiert. Ähm (2) I think die Geschichte von meiner Mutter ist ähm etwas

982

tragic. Denn sie war besonders begabt in vieler Hinsicht, künstlerisch begabt und so weiter

983

und so fort. Und hat ihr Leben meim Vater geopfert. (1) Was uns immer sehr leid tat. Wir

984

ham immer gesagt: "Mutti laß doch jemand anders das tun. Irgendwie hat sies nicht getan.

985

Besonders meine Schwester war drüber sehr sehr wütend. Weil sie immer das Gefühl hatte

986

mein Vater hätte sagen müssen: "Mensch du mußt deine eigenen Sachen." Hat er aber nicht

987

getan. Immer gearbeitet, nich. Und das war so s das das war sehr sehr schade, denn sie war

988

wirklich hochbegabt, in vieler Hinsicht. ( ) Sie hat wunderbar gestickt, sie hat viele Sachen

989

wunderbar gemacht, war musikalisch, sie hätte mit der Laute weitermachen solln, schön

990

gesungen, all diese Sachen. Und hat das alles nich aufgegeben, nich. Und ähm das machte

991

dann, wie gesagt eben (2) die die Probleme geschafft zwischen meinem Vater und meiner

992

Schwester (

993

vollkommen Recht gehabt. Und äh aber Mutti war sehr in meinen Vater verliebt und hatte

994

alles (

995

sie etwas mehr für sich selbst getan hätte, aber hat sie einfach nich getan. (1) Wir hatten einen

996

wunderbaren Freund, mein Vater hat einen wunderbaren Freund schon seit vielen vielen

997

Jahren äh (

998

Museum in ä permanente Aus im Museum. Das glaub ich, das kleine da, wenn Sie mal schaun

999

wolln, ja das ist eins von seinen (5) (er geht zur Wand) Ich zeigs Ihnen nachher, die hängen 29

) als Frau selbst sehr wütend über das und sie hat vollkommen Recht gehabt,

) zu machen und ich glaub sein Leben hätte, wär nich so schwierig gewesen wenn

) berühmte Künstler in A-Stadt, das das sogar ne Ausstellung im Museum

Interview G. Levi 1000

hier die hängen hier an der Wand, zeig ich Ihnen. Das war ein ganz toller Kerl. er war

1001

Künstler und wenn er zu uns kam oder wir waren bei ihm, er eenorm riesig groß also toll

1002

riesig groß. Und wenn man also zu ihm nach Haus kam da saß immer son ne kleine Eule (1)

1003

und wenn er, wo er auch war bei uns oder bei sich hatte er immer schwarzes Papier und ne

1004

winzig kleine Schere ohne aufzumalen hat er das so gemacht. Einfach ganz toll (2). Ich hab ne

1005

ne kleine Sammlung, meine Schwester hat viele, das überall ( ) bei ihm im Museum in New

1006

York, da is is auch so viel, äh in A-Stadt, da ist ziemlich viel von ihm auch. Und ich kannte

1007

seine Familie nicht, bin mit den nicht in in Verbindung. (

1008

ham ein Portrait von ihm, ja. Ich glaub, die warn nie verheiratet zu zusamm gelebt ( )

1009

wunderbare (

1010

sah so eigenartig aus, so groß mit nem riesen mit der Brille und immer geschnitten und seine (

1011

) und äh und dem Vogel auf der Schulter. Das war ganz toll, neh, ganz ganz toll. (Seufzt) Da

1012

warn diese zwei Anwältinnen. Meine Schwester erinnert sich bestimmt an die Namen, ich

1013

nicht. Die auch ganz toll warn. Dann hat ich einen (2) Freund, Hans Werner Nete. Wir warn

1014

in der Volksschule zusamm. Das war so (1) ein bester Freund von mir. Dann hat ich noch nen

1015

andern Freund, der Nete war Jude. Oder halbjüdisch. Ein andern Freund an der Volksschule

1016

und äh (1) von eim Tag auf den andern durft er mir nicht mehr sehn, mich nicht mehr sehn,

1017

weil ich Jude war und das war sehr schwierig für mich denn wir ham uns jeden Tag gesehn

1018

nach der Schule. Und dasselbe passierte dann mit noch eim andern ähm Martin ich weiß nich

1019

mehr wie er hieß, sein Vater war Arzt und wir warn, das war das war mein engster Freund.

1020

Und ich ging, äh war in der Stadt irgendwas besorgen, war am Kaiserplatz und er kam auf

1021

sein Fahrrad vorbei. Er sagte: "Nah" sagt er. Plötzlich tat er so als ob er mich nich mehr

1022

kannte von eim Tag auf den andern. Seine Eltern ham ihm gesagt: "Du darfst nich mehr." Und

1023

das war eins der schwierigsten Sachen für mich. Das war ganz toll. Denn wir ham uns jeden

1024

Tag gesehn. Zusamm gespielt, zusamm gearbeitet, zusamm ( ). Plötzlich vorbei. (1). Und er

1025

hatte Angst gehabt, das nich zu tun also mit hatte Angst, mit mir zu sprechen. (

1026

Schluß. (2) Das war (1) besonders schwierig, nich. Und und plötzlich hat ich keine Freunde

1027

mehr. (3) Ja das war nich so einfach. Und dann natürlich konnt ich nich mehr in die Schule

1028

(3) aber wie gesagt, das war also das is sehr günstig denn. Ich hab von meiner Mutter gelernt

1029

(Lachen). Aber trotzdem, natürlich, ich war sehr gern aufem Gymnasium gewesen, nich. (1)

1030

Aber ich weiß noch dieser Hans Werner Nete, wir warn wir warn die einzigen äh jüdischen

1031

Studenten aufem Gymnasium und äh in der Klasse, ich glaub vielleicht sogar am ganzen

1032

Gymnasium. So wenn der Religionsunterricht war, konnten wir immer am Rhein spaziern

1033

gehn, nich. Denn wir hatten also praktisch gar kein katholischen Religionsunterricht,

1034

wahrscheinlich immer noch heute so, nehme an. Aber kein jüdischen natürlich, was auch 30

) ganz toll. Und (

) Mein Vater hat sie gemalt, nich

) war so Teil von meiner Kindheit, nicht. Denn er war so,

) darf nicht,

Interview G. Levi 1035

verständlich war. So sind wir immer am Rhein spaziern gegang und ham die Möwen gefüttert

1036

und so. Das war auch sehr schön. (1) Oder ich hab meine Tante besucht, Tante Berta (2) Ähm

1037

also viele Sachen in meiner Kindheit warn sehr schön aber dann, nach ein paar Jahren gings

1038

dann nicht mehr. (1) Und äh (3) so richtig fürchterlich schwierig wurd es erst, erst in

1039

neunzehnhundertsechsunddreizig. Am Anfang war es nicht soo, hat es nicht so gemerkt. Aber

1040

dann m gings nicht mehr. Ich hab noch Fotografien von (1) die mein Vater von unserm

1041

Balkoon nahm, als der neunzehnhundertdreiundreizig als der Goebbels durch unsre Straße

1042

fuhr und wir hatten nen gelben Flecken an unserer Tür und zwei SA Leute standen da. (1)

1043

Und äh (1) Mutti sagte: "D Du mach keine Fotographien, sie werden Dich einstecken." "Ah

1044

uh rich richtiger Moment, richtiger Moment." nich. War so nen kleiner Balkoon, is da raus

1045

und hat das, hat das Foto gemacht, nich. Wir ham so ne Leika, ich hab sie glaub ich noch, ich

1046

hab sie bestimmt noch. Und äh er hats (sich) gerne fotografiert und äh Mutti und ich haben

1047

gelernt im äh er hatte so nen so nen (1) wo er die Röntchenaufnahmen nahm,

1048

Röntchenzimmer, schwarz gemalt war, hatte so nen Vergrößerungsaparat war, und Mutti und

1049

ich haben da spät

1050 1051

Cassettenwechsel

1052 1053

G: noch sehr, (

) Entwicklung, nich, aber ne zeitlang hat er das gemacht. Aber Mutti und

1054

ich, wir sie hat das gemacht und sie mußte, ja die Röntchenbilder entwickelt für den Vater, so

1055

eins zum andern, so hatten wir das Ganze, wie sagt man das, was alles dazu gehörte, nich.

1056

S: Die Einrichtung

1057

G: Die Einrichtung. Und dann ham wir uns ( ) apparat gekauft und so weiter, hab ich jetzt

1058

ganz schön erzählt. Aber das warn herrlich friedliche Stunden in der Mitte von der ganzen

1059

schwierigen Zeit, wenn Mutti und ich dann im Röntchenzimmer versch verschwanden und

1060

ham dann mit den Bildern gearbeitet, nich. Das hat viel Spaß gemacht. Ich hab die ganzen

1061

Albums noch, diese Photoalbens mit den Bildern, nich. Mein Vater hat schrecklich gern

1062

fotografiert und äh (1) man konnte natürlich rausgeben aber ich glaube, das hat viel mehr

1063

Spaß selbst zu machen, neh. Da konnt man vergrößern oder mit rummachen, was man da

1064

wollte, nich. Uns hat enormen Spaß gemacht. Es war da so ne Zeit wo man denn die Sorgen

1065

vergaß, nich, denn hat man was anderes gemacht, man konnte ( ) hat viel Spaß gemacht. Für

1066

Papa wars das Malen für Mami und mich wars also im Röntchenzimmer arbeiten (Lachen).

1067

Warum nich, ja hat schrecklich viel Spaß gemacht, nich. In New York gings nich mehr. Denn

1068

er hatte nich so nen Röntchenzimmer mehr, konnten wir nicht mehr lange machen. Aber

1069

immer noch viel ähm fotographiert. 31

Interview G. Levi 1070

S: Wann sind Sie ausgezogen von Zuhause?

1071

G: Äh ich bin äh mit siebzehn Jahren ausgezogen als ich dann äh ich bekam eine vierjährige

1072

Freistellung an der N-School of Music und das is als ich dann auszog. Ich bin dann von New

1073

York nach N gezogen und ähm wir hatten noch nicht soviel Geld da noch, mußt ich arbeiten.

1074

Hatte Schulgeld frei aber ich brauchte ja auch Geld zum zum Leben, nich. Und so hab ich für

1075

alle möglichen, Gott ich hab alles getan was man sich vorstellen kann, nich. Also ich hab als

1076

Kellner, ich war als ( ) in so nen movie Theater, ähm (1) Konditorei gearbeitet, äh was es

1077

auch gab. Und dann im dritten Jahr an der Schule habe ich äh ein Vorspiel gemacht für die

1078

Philharmonie, damals war der ( ) der Dirigent, neu reingekomm und hab die letzten zwei

1079

Jahre an der Universität in N hab ich davon gelebt. Ähm gut gelebt, das war noch ne

1080

interessante Zeit, mal drüber nachdenken. Ich bin ich verdiente fünfunddreizig Dollar die

1081

Woche und hab wie ein König gelebt. Meine Miete war sechs Dollar fünfzig die Woche. Also

1082

fünfunddreizig Dollar war sehr sehr viel, hab ich sehr gut gelebt und gespart, und war

1083

großartig. Und hab schrecklich viel gelernt. Äh im im Orchester mitspieln, natürlich war toll

1084

und wir hatten viele berühmte Dirigenten äh als Gastdirigenten. Wie gesagt(

1085

Hauptdirigent und man kam mit (

1086

Und so langsam hat sich mein Kopf da schon gebildet, der (1) das das ich also Dirigent mal

1087

vielleicht werden würde. War hochinteressant und das das das war großartig. Als ich dann

1088

nach C (Name Universität) ging um mit Lehmann zu studiern (1) hab ich auch äh davon

1089

gelebt im Orchester zu spielen, im im New Haven Symphony hab ich gespielt. Wir hatten ein,

1090

ich kann mich nich an seinen Namen erinnern, denn der Dirigent war auch ein Deutscher.

1091

Ähm und da hab ich viel gelernt aber das hat ja auch weil ich davon leben konnte, nich. Und

1092

äh (2) die Hauptsache da eben wie gesagt war die Arbeit mit Lehmann. Das äh

1093

hochinteressant war aber auch sehr schwierig, nich. Wie gesagt er war ein Lehrer, der (1)

1094

konnte man nur machen, was er wollte. Und Komponieren is was künstlerisch Freies, neh und

1095

da. Ich meine ich lehre jetzt auch Kompositionen und ich hab davon soviel gelernt, was man

1096

nicht tun mag. Ich helf den Schülern nur auf technische Weise und ästhetischer Weise so weit

1097

wie möglich aber sie müssen ihre eigene Stimme finden, nich. Das ist schrecklich wichtig.

1098

Und wenn man das nicht zuläßt dann wird das eben nicht. Und es ist hochinteressant daß die

1099

meisten Lehmannschüler nicht berühmt geworden sind und es zunicht gebracht haben und äh

1100

ich glaube, daß ich so weit gebracht hab (1) wie ich getan hab, wirkt für mich zu tun daß ich

1101

das alles hinter mir gelassen hab, daß ich da einfach gemerkt hab, so kannst du das nicht

1102

machen, nicht, das eigene Los. Und viele haben das nicht gekonnt oder hams nicht gewußt,

1103

das das die richtige Richtung war. Es war wirklich schwierig. Also ich mein die Jahre in B

1104

warn hochinteressant aber das, mit Lehmann, das war schwierig. Ein toller Kerl. Und außer 32

) war der

) und diese ganzen großen Dirigenten kamen da auch.

Interview G. Levi 1105

Komposition hab ich eenorm viel von ihm gelernt. Mit mit ihm über Bach zu sprechen oder

1106

was auch man sich vorstelln konnte, war war ganz toll. nich. Und er hatte seine eigene äh

1107

schedules, wie man auf deutsch sagt (1) Programm. Der war zwei Tage in der Woche warn

1108

Lehmann -Tag. Von morgens neun Uhr bis abends sieben, acht, neun nur mit ihm gearbeitet.

1109

Denn die anderen Tage durften wir dann die andern Klassen. Aber das war toll denn wir

1110

waren den ganzen Tag mit ihm zusammen, man ging von einem zu anderm, zum einen zum

1111

andern, Kompositionen ähm mit ihm äh besprochen oder Bach gespielt und (

1112

und das hat ( ) hat ein tolles Gedächnis. Wir mußten dann auch unsere Kompositionen an die

1113

Tafel schreiben mit Kreide, mit aller Leute sehn konnten und oft kams das man (1) nicht dran

1114

kam, weil war nicht genug Zeit. Ich werd nie vergessen, am nächsten Tag ging wir in die

1115

Klasse und da sagt er: "Levi schreib doch bitte, schreib doch Dein Stück mal an die Tafel."

1116

Hab ich gesagt: "Tut mir schrecklich leid Herr Professor. Ich hab zuhaus gelassen." Hat ers an

1117

die Tafel geschrieben. Obschon er während der ganzen Zeit als ich das auf aufschrieb, war er

1118

am Klavier, hat mit andern Leuten gesprochen und so weiter und so fort, da war immer sehr

1119

viel auf ein Mal los. Hatte sich das aber angesehn und behielt alles. (1) Ich war soo demoliert

1120

(Lachen) das er mein Stück an die Tafel schreiben konnte und ich konnt es nicht (Lachen). Er

1121

war ein toller Kerl. Ganz toll. Ich hab ihn dann, Jahre später war er noch in äh, verschiedene

1122

Male in der Schweiz besucht, er ist dann, hat sich in die Schweiz zurückgezogen, in der Nähe

1123

von Genf und war zeil ne Zeitlang in Zürich aktiv und äh seine Frau auch war ganz ganz

1124

schrecklich nett. Und das das war toll. Schwierig aber (1) viel gelernt. Ich hab auch viel übers

1125

Lehren gelernt. Ja wo äh negativ und positiv. Was man nicht tun sollte und was was was sehr

1126

erfolgreich war. Und das das das da bin ich ihm sehr dankbar für. Das das war schön. Und äh

1127

S: Hat Ihr Vater bedauert das Sie nicht Arzt geworden sind? Oder

1128

G: Gar nicht

1129

S: Überhaupt nicht

1130

G. Nein. Nein er war ja sehr für Musik äh auch beschäftigt und als ich dann studierte und Gott

1131

sei Dank auch (1) erfolgreich war, das hat, war er sehr froh. Nein, und wenn ich irgend-wo

1132

dirigierte, wenn wenn immer möglich kam meine Eltern und ähm (1) hab auch manchmal in

1133

New York dirigiert, da warn sie sehr glücklich und kam auch. Hab ja das F-Stadt Orchester ne

1134

lange Zeit, kam sie rauf raus um Konzerte zu hörn. Und als ich dann in (

1135

ein Mal raus und dann sind sie ja gestorben. Kam Mutti, Mutti kam noch raus. Und dann ham

1136

wir uns hier im Sommer getroffen. Und das schöne Haus ich, kleines Häuschen, was ich

1137

gebaut hab, neben den Bergen. Was jetzt einem von meinen Neffen gehört. Jetzt (

1138

Nachbar, ich hab ja ein andres Haus gekauft. Und das war wunderbar hier zu sein im S

1139

Sommer. Und äh da sie beide immer auf die Berge gestiegen sind und jeden Tag mußte 33

) zu spielen

) war, kam sie auch

) mein

Interview G. Levi 1140

gelaufen gelaufen werden, war das ideal für sie, nich. Das war ganz toll. Und äh. Mein Vater

1141

war sehr mit meiner (

1142

dann mein Schwager, der so hochinteressant (

1143

meine Eltern warn immer (

1144

Walter war ein ganz ganz toller Kerl. dessen Vater (1) er kam aus einer protestantischen

1145

Familie un dar warn viele äh wie nennt man die, äh Gei Geistliche? Geistliche? Und sein

1146

Vater war protestantischer Philosoph (1) und ähm (3) dann sind die nach Ch, er ist nach China

1147

gegang nach (

1148

er hat da, er hat er hat erst Jura studiert in Berlin, dann ist er aber nach China zurück und hat

1149

sich als chinesische umgestellt. Und ähm hat da Jahre lang gelehrt und dann als der japanisch,

1150

der Krieg mit Japan ausbrach(

1151

lebten nicht zusamm, die Heirat klappte nicht. Und er hat sie aber mit her-gebracht. Natürlich.

1152

Und sie is dann nach Washington (

1153

Universität gearbeitet, nich. Irgendwie hat meine Schwester ihn da kennen gelernt. Hatte ne

1154

sehr wunderbare glückliche Heirat, er war ein ganz hochinteressanter (2) Kerl, toller toller

1155

Kerl son. Seine Bücher sind immer noch in Deutschland veröffentlicht. Äh von ihm und auch

1156

von von von von seinem Vater, Herbert Johann. Wenn Sie mal interessiert dran sind, könn Sie

1157

könn Sie finden. Äh sehr viel über über chinesische äh Dichtung geschrieben.

1158

Hochinteressante Dinge. Dann hat er hier auch Bücher rausgegeben. Hat ein Jahr in Princeton

1159

gelehrt, hat da auch was rausgegeben. Und äh es ist immer ganz toll mit ihm zusamm zu sein,

1160

hochinteressante Sachen zu besprechen. Und äh leider war er wie gesagt zwanzig Jahre älter

1161

wie meine Schwester und si sie is schon seit vielen Jahren allein in ja ist sehr schade. Aber sie

1162

hat ein (1) auch sehr interessantes Leben, is ne begabte Frau. Was kann ich Ihnen noch sagen.

1163

S: Vielleicht könn Sie mir noch ein bißchen erzählen über ähm (2) ähm (1) ihr Vater war ja

1164

war ja Vorsitzender in der jüdischen Gemeinde in A-Stadt. War, hat er hier auch so was in der

1165

Art gemacht?

1166

G: Ähm nein. Aber (1) er hat (2) er hat ähm (1) weiß nich wie ich das sagen kann. Er war sehr

1167

mit jüdischen Sachen beschäftigt. Äh hat mit war mit Vereinigungen, äh war in war viel mit

1168

war in die Vorträge wie gesagt schon gegangen und solche Sachen. Ähm (2) aber er war nicht

1169

äh (1) ich glaube, er war nie ein religiöser Kerl als orthodoxer Jude. Äh er hat (1) an Gott

1170

geglaubt aber nich aber nich so formal und hat mit den Gemeinden gearbeitet, weil er das für

1171

wichtich hielt für Juden zu arbeiten. Und er war fünfundzwanzig Jahre Vorstand in der

1172

Gemeinde in A-Stadt, ich glaub, das hat er schon erwähn erwähnt. Und ähm hat, es war ihm

1173

ermöglicht viele Juden aus Deutschland rauszukriegen weil er Arzt war und die mußten ja alle

1174

Dokumente haben von Ärzten unterschrieben und so weiter und so fort. Und es ist ihm 34

) natürlich meine Eltern, meine Schwester warn immer sehr eng. Und ) Wissenschaft, deutsch(

) ähm er und

) viel zu besprechen. das war immer großartig. Ja der der

) wo die deutsche Kol, war ne deutsche Kolonie und dann nach Peking. Und

) ähm (1) er war verheiratet aber er und seine Frau ) für die Regierung gearbeitet und er hat hier an der

Interview G. Levi 1175

gelungen doch sehr viele rauszukriegen, die denn ausgewandert sind nach Palästina, oder

1176

nach Amerika oder wo auch immer. das war für ihn sehr wichtig das tun zu könn. (1) Und

1177

ähm dann hatte er verschiedene kommunistische Patienten, was auch gefährlich war aber

1178

wichtig, denn die konnten nicht zu andern Ärzten gehn wenn man öffentlich Kommunisten

1179

warn unter den Nazis war das schon unmöglich, nich. Da war besonders einer das war der

1180

Vater von einer Dame, die jahrelang bei meinem Vater gearbeitet hat in der Praxis bis bis sie

1181

nicht mehr konnte. War Faust. War ein ganz toller Kerl. Und wenn der kam äh als Patient

1182

mußten wir ihn immer in ein Privatzimmer tun, denn wenn er im Wartezimmer saß, hat er den

1183

Leuten große kommunistische Predigten gehalten, was an für sich ja okay war aber es war

1184

damals zu gefährlich. Da ham wir gesagt: "Herr Faust tun Sie das bitte nich, nich. Das hat

1185

doch keinen Zweck. Sie komm in Schwierigkeiten, wir komm in Schwierigkeiten." "Neinnein

1186

das müssen die wissen, is alles." Mußten sie ihn in ein Privatzimmer setzen. (Lachen) Er war

1187

ein toller Kerl. Und einer von seinen Tochtern war wie wie gesagt, die nurse bei meinem

1188

Vater, Krankenschwester wie man das nennt da. Jahrelang, bis sie denn auch nicht mehr

1189

durfte. (1) Dasselbe war mit äh den Leuten, die uns im Haus geholfen haben, die konnten

1190

dann auch plötzlich nich mehr. (2) Und dann hatten wir eine tschechische Dame, jüdische

1191

Dame gekannt (

1192

raus, wir hams versucht, das ging nicht mehr. (1) Und dann äh am Ende hat meine Mutter das

1193

getan. (1) Wie gesagt in New York war sie auch sie ganze Zeit. Und sie ham, sie wußte,

1194

konnte das fantastisch und wenn mein Vater sie brauch für irgendwas, sie ham sehr gut

1195

zusamm gearbeitet. War schön. Obschon das sehr traurig war weil, wie gesagt, sie nie ihr

1196

eigenes Leben irgendwie hatte. Aber darüber hatten wir ja schon gesprochen. (Räuspern) (1)

1197

Was noch.

1198

S: Fällt Ihnen ein Grund ein oder so warum ähm (2) oder vielleicht versteh ich das auch

1199

falsch. Aber ist das nicht so ne Art von von Bruch auch, daß Ihr Vater hier ähm sag ich mal

1200

sein Engagement in der Gemeinde daß er weniger gemacht hat oder hab ich das falsch

1201

verstanden?

1202

G: Ach naja (4) in A-Stadt hat man ihn gebraucht (1) und er hat soviel Jahre gemacht und hier

1203

war es an für sich nicht nötig. Da da ich mein wenn er gewollt hätte hätte er irgendwie als

1204

voluntier oder weiß ich was bestimmt was machen können, erstens. Und zweitens glaub ich

1205

die Schwierigkeit mit der Sprache hat auch was damit zu tun gehabt. Und dann hatte er, er hat

1206

ja getan was er konnte. Und da inzwischen hatte er endlich mal Zeit zum Malen, und zum

1207

Skulptieren und zu tun was er wollte. Und hat ja auch, war sehr beschäftigt mit Praxis. Und so

1208

war das plötzlich nich mehr so wichtig. Aber er war mit jüdischen Sachen ähm beschäftigt

1209

und wie gesagt ging in Vorträge und so weiter und so fort Und ähm aber das war alles und äh 35

) die is leider auch umgekommen. Die konnte dann nicht mehr zur Zeit

Interview G. Levi 1210

hatte nichts damit zu tun das er nicht mehr interessiert war dran aber es war nicht mehr so

1211

nötig. (3)

1212

S: Und und die Kontakte, die Ihre Eltern hatten warn gemischt. Das warn sowohl deutsche

1213

Emigranten wie auch ähm Amerikaner und Amerikanerinnen?

1214

G: Oh ja oh ja. Natürlich kannten wir viele Emigranten denn wir hatten Freude hier, die wir

1215

aus Deutschland schon kannten, nich. Und mit denen sind wir dann auch weiter in

1216

Verbindung geblieben. Und dann auch neue, neue Leute, neue neue Freunde. Aber

1217

wahrscheinlich nicht so viele, wies hätte sein können, vielleicht von wegen Sprache und so

1218

weiter. ich glaub das hat was damit zu tun gehabt. Und er war auch nich mehr so jung. Da is

1219

es schwieriger an neue Freude zu zu kriegen, neh. Uns ähm aber da warn Kinder von einer

1220

alten Freundin von ihm aus Deutschland und mit denen warn wie sehr oft zusammen,

1221

interessante Leute. Und dann ähm Gisela hatte Eltern von Freundinnen, die bei uns im Haus

1222

gehabt. Aber (2) so irrsinnig toll war das so social life nich. Wie sagt man auf deutsch social

1223

life?

1224

S: Soziales Leben, ja.

1225

G: Soziales Leben. Äh (1) nicht, aber wir kannten viele. Wir hatten eine African American äh

1226

Dame, die uns im Haus hielf, hielf? Holf? Holf?

1227

S: geholfen hat

1228

G: Geholfen hat. Half?

1229

S: Oder half.

1230

G: Half?

1231

S: Half.

1232

G: Ähm (1) jahrelang denn Mutti konnt ja nicht beides tun, nich. So ham wir auf europäische

1233

Art mittags die, die große Mahlzeit gehabt, die die Dame kochte, denn sie is nach dem Essen

1234

weg am morgens schon früh, denn Mutti konnte in die Praxis gehn mein Vater helfen. Konnt

1235

ja nicht beides tun, neh, Und das das war sehr praktisch und sehr schön. Und ähm diese Dame

1236

war jahre jahre lang bei uns, ne schrecklich nette Frau. das hat meinen Eltern viel geholfen.

1237

Und das ähm (1) das war auch sehr wichtig denn das war der erste mal in ihrem Leben das sie

1238

mit einer Afri African American in Verbindung war, so ham wir eine ganze neue Welt kennen

1239

gelernt, nich. Denn ihre Freunde und ihre Verwandte und so weiter und so fort. Das das war

1240

sehr wichtig auch für uns, für uns Kinder, nich. War übrigens mit dem Kissinger zusamm in

1241

der Schule. Der war in der (

1242

drauf stolz bin, nich (Lachen). Eigenartig, ja. (1) Und äh was noch. Fragen Sie noch.

) High School. Zur selben Zeit, nicht (Lachen) Nicht das ich

36

Interview G. Levi 1243

S: Viel hab ich jetzt auch nicht mehr. Vielleicht ein bißchen so (1) ähm gibts noch irgendwas

1244

was Sie was Sie erzähln möchten so aus der Zeit wo ihre Eltern dann hier in K-Stadt gewohnt

1245

haben, aus den letzten Jahren?

1246

G: Ja am Anfang war es sehr schwierig für meinen Vater denn er er wurde dann melan-

1247

cholisch (1) denn plötzlich das Leben war nicht mehr da denn denn denn sein medizinisch als

1248

Arzt denn, war sehr sehr schwierig für ihn. Und so paar Jahre war er wirklich nicht ganz da,

1249

war sehr schwierig. Was was ihn dann gerettet hat war glaub ich war war die Malerei und das

1250

Cellospiel. Wenn er dann so ganz still saß und mit keinem sprach und traurig war, hab ich

1251

gesagt: "Papi ich hab Dir paar neue Noten gekauft. Spiel doch was." (

1252

alles wieder in Ordnung. Und wenn er malen konnte, nich. Aber es war schwierig für ihn, es

1253

war schwierig.

1254

S: War es seine Entscheidung?

1255

G: Was?

1256

S: Aufzuhörn mit neunundsiebzig oder?

1257

G: Ja

1258

S: Hat er entschieden?

1259

G: Ja doch e e er hat geglaubt, es ging, Und ähm (1) die wollten gern nach K-Stadt, wollten in

1260

der Nähe von meiner Schwester sein. Ich wollte noch nicht, ich wohnte in J-Stadt. Erst ham

1261

sie gesagt sie wollten zu mir ziehn nach J-Stadt. Hab ich gesagt: "Ich bleibe bestimmt nicht in

1262

J-Stadt. Geht nach K-Stadt. Gisela wird dableiben denn ihr Mann ist Professor an der

1263

Universität und ihr phr wollt nicht noch Mal umziehn." Da sind sie hier rauf und ich hab (

1264

Haus gefunden. Und ähm ich glaub, sie ham schöne Zeiten hier gehabt nur am Ende wars

1265

schwierig, nich. Für meine Mutter. Wahrscheinlich mehr als für ihn, denn er wars sich war

1266

sich nicht bewußt, daß (

1267

Tag spaziern gegang nur manchmal war das nen bißchen ähm gefährlich, da hat er sich nicht

1268

mehr erinnert wo er war. Mußten wir ihn finden irgendwo. (Lachen) Ja wenn man älter wird

1269

kann das, passiert eben, das kann passiern. Aber die Gesundheit war bis zum Ende fantastisch

1270

(1) und äh ich glaub,. das tägliche Spazierngehen hat da viel mit zu tun gehabt, nich. Das war

1271

also. Und Sonntags immer aufs Land als ich Kind war. Morgen Morgen früh, um halb acht,

1272

acht, saßen wir im Auto in die Alpe, an die Mosel wo auch immer. Raus. Und äh es sei denn

1273

es hat ganz fürchterlich geregnet. Und äh das war herrlich. Das hat mich sehr beeinflußt. Ich

1274

hab immer die Natur schrecklich gern und äh ja es war toll. Und äh spaziern gegang und äh

1275

gepicknickt und äh oder gerudert an der Ahr oder an der Mosel und und in der Nähe von A-

1276

Stadt ist es auch sehr schön ( ) herrlich. Und wir hatten äh Verwandte auch in Koblenz, sind

1277

wir oft über Koblenz in die Berge rein (2). Ja wir hatten auf meiner Vaters Seite da war ein 37

) Cello und dann war

)

) nicht mehr so klappte, nich. Und ähm (1) ging immer noch jeden

Interview G. Levi 1278

ein Herr, der war jahrelang ähm Kantor. Und dann wie gesagt seine älteste Schwester wohnte

1279

an der Mosel, Oberstein, und (1) deren Schwager war auch Arzt. Der is leider im Lager

1280

umgekomm. (2) Und das sind wir auch oft hin, die hatten (

1281

waren schwierige Jahre denn es war viel Schönes und viel Schreckliches, nich. Denn äh wie

1282

gesagt ich war erst sieben Jahre alt als die Nazis kamen. Und trotzdem die ersten Jahren, die

1283

Eltern ham die hatten irgendwie ne große Freude am Leben, nich, und trotz all den

1284

schwierigen Sachen, die uns passierten ham sie irgendwie doch immer noch möglich

1285

gefunden schöne Sachen zu zu (2) Papi in seinem vierten Reich, und äh die Sonntagsausflüge,

1286

und (3) dann als ich nicht mehr in die Schule konnte natürlich äh (1) das hab ich denn sehr (1)

1287

versäumt, vermißt, ver

1288

S:

1289

G: vermißt ähm aber auf der anderen Seite hats wars dann möglich für mich denn intensiv

1290

Englisch zu zu lernen die ganzen Sachen zu tun, die meine Mutter mir beigebracht hat, das hat

1291

sich dann doch gel(ohnt), nich. Aach schwierige Zeit als wir hier ankamen dann denn

1292

plötzlich kriegt mein Vater das Dach auf den Kopf, nich. Das hat dann drei Jahre gedauert bis

1293

ers wieder alles zusamm gekriegt hat. Aber trotzdem wenn man sich das überlegt, trotz dem

1294

allen mit drei Jahren neue Sprache zu lernen und medizinisch Examen zu bestehn. Denn das

1295

für alle neue Ausdrücke für ihn(

1296

Sachen hier, die es in Europa gar nicht gab, die er neu lernen mußte. (1) Alle Achtung. Das

1297

war war schon toll. Und äh ja mit mir das Dirigieren (2) das kam erst zum (2) bißchen später.

1298

In New York war ich in der (

1299

und dann in der High School selbst, sagte eines Tages die Dame. Ach so sagte sie ähm "Sie

1300

schreiben uns doch ein Stück." (1) Sach ich: "Ich hab noch nie komponiert." "Ja, daß kannste

1301

aber." Da hab ich mein erstes Stück geschrieben. Und das war historisch sehr wichtig für

1302

mich, denn ich hab ihr dann das Stück gegeben und wir ham die die Stimmen alle raus-

1303

geschrieben und so weiter und ( ) sagt sie : "Ja das mußt du dirigieren." Sag ich: "Ja ich

1304

dirigiere doch nich." Sagt sie: "Doch." Das kannst du schon. So fing das auch an, nich. So

1305

(knipst mit den Fingern). Nicht das ich das so wunderbar konnte schon aber es fing

1306

wenigstens an, nich. Und äh aber ich war noch nich, zu der Zeit war ich noch gar nicht äh

1307

besonnen Dirigent zu werden, nich. Und wie gesagt wenn damals die Columbus Universität

1308

keine jüdische Quote gehabt hätte, wär ich heute Arzt. Ist das nicht toll? Das ist ganz toll. Ja.

1309

Und äh (2) und ich wußte, ich hatte überhaupt noch keine Idee daß ich gut genug spielte da

1310

nen vierjähriges Stipendium zu kriegen und anscheinend wars gut genug. (Lachen) Und das

1311

war schon ja das war ganz herrlich, nich. Und dann im dritten Jahr als ich da war kam meine

1312

Schwester auch. Auf die B-School als Cellistin. (1) Und die hatte große Schwierigkeiten mit 38

) (2) Tante Santje. So (1) es

mhm vermißt

) so schwierig ist, nich. Außerdem waren noch viel neue

) City High School. Orchester, war ich Konzertmeister. (2)

Interview G. Levi 1313

äh (1) (

) der war dort Direktor, denn sie war politisch sehr aktiv, liberal, was ihn sehr

1314

geärgert hat. Sie hatte in den Studenten in der Studentenzeitung einen Artikel geschrieben und

1315

dann hat sie natürlich Schwierigkeiten gehabt. Das war zu der Zeit um Henry (

1316

ganzen Sachen, nich. Und sie ist morgens um fünf aufgestanden und hat und so weiter und so

1317

fort. Während den Wahlen, er war doch damals als (Präsident), wie sagt man ähm Kandidat

1318

S: Kandidat

1319

G: Kandidat ja. Nein sie war toll. Sie war sehr stark und ist dann weg aus Eastman, das ging

1320

ja nicht mehr. Und ging dann nach New York an die Manhattan School of Music. Hat da

1321

studiert und dann kam sie wieder her um mit der deutschen Cellist Eva Heinitz zu studiern.

1322

Und da hat sie dann wie gesagt ihren späteren Mann kennen gelernt. Aber wenn Sie mit ihr

1323

sprechen wird sie Ihnen das alles, alles erzählen. Was kann ich Ihnen noch sagen?

1324

S: Was Sie möchten. Ich hab, was Ihnen noch einfällt. Ich hab so erst Mal keine Fragen mehr.

1325

G: (4) In G-Stadt ähm ist es mir gelungen viel zu erreichen. Einst hat ich ja als ich da war das

1326

ganze Orchesterprogramm ziemlich hoch gekricht ähm das ist jetzt ein ziemlich berühmtes

1327

Programm geworden. Und äh wir ham Pappen gemacht, was da noch nie, in in der Schule

1328

Pappen machen, hoch äh erfolgreich. Ähm (2) wir ham sehr große Tournees gemacht, da hab

1329

ich schon von erzählt. Ähm (1) und es ist mir da gelungen auch in der Stadt viel zu machen.

1330

Ich hab äh an beiden Museen hab ich da ähm Musikserien also Konzertserien angefangen.

1331

Ähm (2) das fing schon in in Indianapolis an. Da ist das berühmte (

1332

modernes Museum. Und da fing ich eine moderne Konzertserie an, die noch heute geht. Das

1333

ist schon viele Jahre her. Und da war ein Deutscher da kann ich nicht den Namen nicht

1334

erinnern. Der war da einer von den Leuten der Museum (1) war einer von den

1335

Hauptdirektoren. Und äh mit dem zusamm ist es mir dann geglückt. Und ähm da war noch ein

1336

anderes Museum, was nicht so modern war sondern plastisches Museum und da hab ich auch

1337

ne Konzertserie angefangen aber das war dann klassisches Serie nicht Moderne. Und

1338

neunzehnhundertsechsundfünfzig war das (1) ach zweihundert Jahre Jubiläum von der Geburt

1339

von Mozart , ham wir ein riesen Mozartfest gemacht und das war ganz toll. Da hab ich, ich

1340

hatte den Oskar Kokoschka kennen gelernt, den berühmten Maler. Der war an der Universität

1341

da als äh Gast Gastprofessor. Und wir ham uns angefreundet und er ist dann wieder weg und

1342

in neunzehnhundertsechsundfünfzig hat er (1) die äh Szenerie für die Zauberflöte in Salzburg

1343

gemacht. Da hab ich mit ihm in Verbindung äh gesetzt und hab gesagt. "Es wär schrecklich

1344

nett wenn Sie irgendwie Skizzen hätten für diese Zauberflöte denn wir machen ne

1345

Ausstellung, bin da mit beschäftigt, wir machen Musik ähm wenn Sie uns was was schicken

1346

könnten." Eines Tages rief mich der Direktor von dem Museum an, mit dem ich sehr

1347

befreundet war und sagte äh: "Du mußt mal sofort herkommen, da is ne Riesenkiste aus 39

) und diese

) Center, berühmtes

Interview G. Levi 1348

Salzburg." (1) Und da war ne Riesenkiste aus Salzburg voll von (

). (1) Der hat mir da

1349

hunderte von Skizzen. Da hat mußten wir alles umändern, Museum neu äah Ausstellung

1350

machen, der Direktor war natürlich begeistert, das sie plötzlich eine Kokoschka Ausstellung

1351

hatten, für die er nich bezahlen brauchte. Außerdem keiner im Land hatte das außer uns. Und

1352

das so ham wir dann die Ausstellung gehabt und ich machte diese Konzertserie von den

1353

Mozartkonzerten, nich. Das war also Kammerorchester und Kammermusik und Solosachen,

1354

nich. Das hat wirklich schrecklich viel Spaß gemacht. (1) Und ähm und ja und dann kam das

1355

eben mit den andern Museum. Die ham gesehn, daß man im Museum so was tun konnte. Und

1356

da, wir waren ja in Indianapolis in der Nähe von den großen Seen, the Great Lakes. Und ähm

1357

(1) die das art institute in G-Stadt hatte ne Sommerschule an der Nordküste von dem(

1358

Und die ham mich gebeten, da, was mit Musik anzufangen. Hab ich da ein Musikfest

1359

angefangen. Und das war nur moderne moderne Musik und moderner Tanz. Ich hatte ne, ich

1360

hatte sehr gute Freunde da, die das die eine äh Tanz äh wie sagt man companie ähm

1361

Tanzgesellschaft

1362

S: Companie

1363

G: Ja äh hatten und so sind wir da rauf nach (

1364

an der Nordküste also nordöstlich von (

1365

toll. Da konnten wir alles machen, was wir wollten und alle Leute ham gesagt: "Wer hät geht

1366

denn da rauf?" War immer ausverkauft. Da warn noch viel Leute im Sommer, die hatten da so

1367

Sommercabins so Hütten und äh, die kam auch alle. Das hat schrecklich viel Spaß gemacht.

1368

Da ham wir viel neue Sachen gemacht und viele Komponisten eingeladen und äh gab nicht so

1369

irrsinnig viel Geld aber das hat soviel Spaß gemacht, das viele Solisten kamen ohne nur für

1370

die Spesen. Und den konnten wir das schöne kleine Häuschen am See bieten und so weiter

1371

und so fort, das war also halb Ferien halb berufliche Anstellung und so weiter. Das hab ich

1372

viel Jahre gemacht. Das hat auch viel Spaß gemacht. So hat ich das und die beiden beiden

1373

Konzertserien einmal im Modernen und im andern Museum. Außer dem was ich noch mit

1374

dem Orchester machte. Und das das waren schöne Jahre. Hat mir wirklich Spaß gemacht. (1)

1375

Ähm aber ich bin froh, daß ich denn doch ähm gelehrt habe ne Zeitlang und immer noch tue.

1376

Denn da hab ich auch viel gelernt. Es war viele Sachen, die man so tut aber über die man nie

1377

auf diese Art nachgedacht hat. Daß man sich dann von der andern Seite ansehn, das das hat

1378

mir gefallen, das gefällt mir immer noch. Und jetzt lehre ich nicht sehr viel, nur n bißchen.

1379

Das macht mir doch immer noch Spaß. Und bin froh, daß ich für mich selbst mehr Zeit hab

1380

und ähm daß Leute immer noch mich bitten zu komponieren, macht mir auch Spaß. Und äh so

1381

ist jetzt mein Leben. (2) Kann ich Ihnen noch irgendwas bieten?

1382

S: Ganz herzlichen Dank.

).

) hieß das. Ist glaub ich nördlich von (

),

). Das hab ich jahrelang gemacht, das war ganz

40

Interview G. Levi 1383

G: Nah das hat mir viel Spaß gemacht und ich danke Ihnen sehr, neh ja .Ja wir ham ziemlich

1384

lang gemacht, was.

1385

S: Ja Oh ja ham wir.

41

Anmerkungen zum Manuskript Gisela Johanns Das Originalmanuskript Gisela Johanns enthält zahlreiche Fotografien, Reproduktionen von Kunstwerken sowie einen Nachruf auf den Ehemann. Aus Datenschutzgründen konnten diese in die hier publizierte Fassung nicht übernommen werden. Es handelt sich bei dem vorliegenden Dokument somit lediglich um eine Abschrift des Textes, bei der zudem alle Personen- und Ortsnamen anonymisiert wurden. Manche Personen- oder Ortsnamen konnten nicht durch Pseudonyme ersetzt werden, ohne Sinnverfälschungen zu riskieren, daher wurden diese Namen in Doppelklammern maskiert. Einlassungen in einfachen Klammern stammen hingegen von der Verfasserin selbst. Dort, wo die Verfasserin handschriftliche Korrekturen vorgenommen hat, wurden diese übernommen, offenkundige Flüchtigkeitsfehler wurden korrigiert. Die Formatierung entspricht weitestgehend dem Originaldokument, die Paginierung weicht aufgrund der Auslassung der Fotografien davon ab.

by

Gisela Johann

Dedication and Thanks

I am dedicating this little book to my grandchildren and to all the refugees in the world. Reading this book to friends, I have been criticized for not fleshing it out. If I had done that, the book would not have been written, as it would have been an overwhelming task. I would like to express my thanks to my parents for their love and support, which my brother and I have received. A special thanks to my mother for her courage and perseverance. Were it not for her we would not have survived.

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Chapter One 1926-1933 On April 16th 1926, I was born in the City of A., Germany. My mother told me that I was a very chubby baby weighing 12 German pounds. My father, who was a doctor, delivered me at home with the help of a midwife. As there was my 2 year old brother Georg, my parents were happy to have a little girl. My memories from 1926 to 1933 seem like a bright and colorful bouquet. I will pick some flowers from this bouquet and share with you some of my memories. A., the city of my birth was a small and charming university town situated on the X River. The great composer ((Name)) was born in A. The house of his birth is there to this day. There were many beautiful churches and one synagogue. A. was also famous for its very fine university housed in an old palace. Let me tell you a little about my family. My father's family lived for many generations in A. My grandfather had a butcher shop. My father, Bernhard, was the second youngest in the family of seven children. There was lots of music in the family. One sister played the guitar. His sister, Frieda, played the violin and was my brother's first violin teacher. His brother Josef had a beautiful voice and sang in a men's chorus. My father played the cello. I don't know too much about my mother's family. Her father, Gustav Blum, was a feather merchant who was orphaned at a very early age as a result of the big flu epidemic. I know that my grandmother's maiden name was Nebe. There was a cousin by marriage by the name of Lukas Merendi. He was a violinist and born in Hungary. I met him for the first time in 1950 in K-Stadt where he founded the Youth Symphony. My mother was the youngest of 3 girls; Lina, Käthe and Inge, my mother. She had an aunt in Switzerland by the name of Lilly Brett. Her husband was in the diplomatic service of Switzerland. Lilly was a writer and voracious reader. I was told that Lilly would read and cook at the same time. If she got a spot on her dress, she would just put a broach on that spot. They had three children; Dr. Willy Brett was a chemistry professor at Cornell University, Dr. Fritz Brett was an English teacher in Bern who wrote some books on English grammar and Dr. Elsa Brett was a chemist and she also did children's programs on the radio in Swiss dialect. She came to the US after the war and died of breast cancer. The house I remember from my childhood was on the Schillerstrasse 10A. It was a townhouse. The daylight basem*nt had a big kitchen facing the garden, a root cellar, where potatoes apples and wine were stored, and an icebox filled with ice blocks which were delivered, a coal furnace and a garage. The laundry room had a copper cauldron heated from below. On the ground floor was my father's practice with a big waiting room for his patients, an x-ray room, his office and a little surgery. On the wall going up the stairs to our living quarters was a beautiful mural painted by Hellmuth Macke, the cousin of August Macke. August Macke and Hellmuth Macke were close friends of my father. Both had tragic deaths. August was killed in 3

World War I and Hellmuth drowned in the Bodensee. The first floor had our living room, a big library, a dining room, my mother's little study, which was called The Biedermeyer Zimmer" and a sewing room. A seamstress would come and sew our clothes. How I hated standing still for fittings and envied friends who had store-bought dresses. On the second floor, we had "The Kinder Zimmer" our play room, 2 smaller bedrooms, my parents room, our bathroom. In the spacious attic was a room for our live-in "maid" (I detest that term) and after Hitler came to power a little studio was built where my father could sculpt and paint. He called it his "Vierte Reich" (fourth reich). A big household required lots of help. We had a full time maid, a washer woman, who did all the laundry and a chauffeur, Arthur, who drove my father for house calls and hospital visits. When my father drove he sometimes forgot where he parked or he would walk home forgetting that he had taken his car. We also had nannies, our last and favorite one was called Elli Winter. Her father was a violin maker. We had lots of fun and adventures with her. A few years after Hitler came to power, she could no longer stay as she was not Jewish. The people who worked for us were always treated with dignity and became a part of our family. The kitchen was my favorite place. There was a dumb-waiter in the kitchen. The food was placed in the dumbwaiter and was pulled up to our dining room where it was served. Another favorite spot was our garden, a place to romp around and keep our bunnies or whatever animals we had at that time. We took many wonderful trips. Switzerland was our favorite country. I learned how to ski in Switzerland and to row on a peaceful lake in the Alps of Austria. We met interesting people and made friends. Several times, my father saved a life because he never traveled without his doctor's bag. A sketch pad and his beloved Leica were also constant companions when we traveled. At home, we were surrounded by books, music and art. My mother played the lute and sang folk songs. My dad, who played the cello, had a string quartet which met every week at our house. My father also sculpted and he made hand puppets for us out of papiermache for our puppet theater. The puppets were caricatures of his patients and I am glad that they never discovered our family secret. His prescription pads were filled with sketches of his patients. Many of my parent's friends were artists and quite a few patients ended up buying a painting of a starving artist. Some of these paintings were by August Macke, Hellmuth Macke, Hans Thuar, Ernst Moritz Engert, the well-known silhouette artist. My parents were always helping people in need. Patients who were poor didn't have to pay. One day, my father came home from a house call in the country with a little goat. The farmer had no money and insisted on giving the little animal to my father as payment. At first, Georg and I were delighted. When the little creature feasted on the hair of my dolls and the flowers in the garden, it was decided that the goat had to go back to the farm. Once, after 1933, my father went to the countryside to deliver a baby. When he came home, he was carrying this big laundry basket. In the basket was little Joseph. Apparently the mother of Joseph needed some time to 4

recover from a difficult birth. Thus it was mother's job to take care of little Joseph. I was in seventh heaven. I had a living doll. I was allowed to give little Joseph a bottle and my mom taught me how to bathe and diaper him. We had the baby for quite a while until my mom said "having a Christian child in a Jewish home could prove to be a very dangerous situation". We persuaded the farmer's wife, who had recovered and was enjoying her little vacation, to take little Joseph back. Georg and I were very different in many ways. He was an intellectual, always got good grades in school. I was the outdoor kid. I loved playing ball, roller skating and riding my bike. My report cards were not too great. There were always remarks such as - Erica does not always concentrate and is too playful in the class room. Math was a nightmare. I remember my mom sitting next to me trying to teach me that 2+2=4. I heard my friends playing on the street and the four apples in front of me were just a bunch of apples. I couldn't have cared less whether there were 3 or 4 apples. One Christmas - Channuka I wanted a cello and a bike. I had already tried the violin because my brother had violin lessons. I really didn't apply myself, so that was that. I had a piano teacher, Elfriede Grotjahn. During the first student recital, when it was my turn to shine, I sat on the piano bench, got up again and said to my piano teacher "Elfriede, I think you can do it better" and off I went. Thus my parents were dubious about my wish to have a cello. I had to choose between the cello and the bike. I opted for the cello and got a small cello, my bike arrived on my birthday. My father was my first cello teacher. Georg and I played together, other days we fought and got under each other's hair. As a matter of fact, I remember Georg pulling out a fistful of my hair. My mom was afraid of my father's wrath. She parted my hair on the other side. A wise decision. Some days Georg and I had a "brother-sister" day. A day of peace and harmony. 'Armistice Day'! One armistice day almost proved fatal for me. After lunch, my father took a catnap on the sofa in our living room. We had to be very quiet. Georg and I always had a passion for jumping and flying. That day Georg suggested that we would jump off our table and that while he jumped and hopefully flew, I was to lie on the floor as his landing pad so that my father would not hear us. My mother must have smelted a rat. Just as Georg was about to take off for his "soft" landing, my mom came in to our playroom and rescued me from my fate! Our rabbi died and it was my father's duty, as head of the Jewish community, to find a new rabbi. The rabbi, who was to be interviewed by the congregation, was invited to stay in our little guest room. Georg and I were not too keen on a new rabbi. We decided to give him such a scare, that he would leave A. forever and thus we would not have to take religion and Hebrew lessons. We rigged up a "man" whose coat was stuffed with pillows. We attached my father's sword (which he received as an officer in the First World War) to the "man's" arms. Ropes were attached to the arms, which we would operate from outside. We hung this creature on the curtain rod, closed the curtains and awaited our prey. Fortunately, this young rabbi had a sense of humor, we were forgiven and he stayed in A. I recall my brother's Barmitsvah. He took lessons with a boy who 5

alsowas to be Barmitzved. My father suggested a double ceremony. Some people in the congregation were outraged that Dr. Levi's son would share this occasion with an Eastern Jew. The German Jews, who were very assimilated had a deep prejudice against Eastern Jews or "Ghetto Jews" as they were called. My father prevailed. There was a double ceremony and it was very nice. Religion never was my thing. Going to the synagogue was a real drag. The men were seated on one side, the women on the other, and all the religious ceremonies were in Hebrew and were performed by men. Only once did l go to the synagogue willingly. Our beloved dog was very sick and l thought that just maybe my little prayer would be heard. l don't remember the outcome of this little prayer, but l am afraid it was my one and only prayer. We celebrated the major Jewish holidays and lit Sabbath candles Friday evenings. My father was a religious man although not orthodox, my mother, however, was not. As my father was very much an authority figure rebelling against religion was also a rebellion against my father. Thus - rebels are born. l also liked to play with my dolls. Sometimes (especially on 'armistice days') l could persuade my brother to play the role of father, which meant sitting on a chair and reading a book. To my great annoyance, he always insisted on sitting in the middle of the room. My sense of order would have preferred the chair to be in the corner. One Christmas - Channuka l got a new doll. Her name was Ilse. She had beautiful eyes which opened and closed and lovely curly hair. l got a baby carriage for my dolls so that l could take them out for some fresh air. l took one of my oldest and ratty looking dolls for the first outing. My mom asked me why l didn't take my new doll and l said "Man muss doch gerecht sein" - One must be fair. There were quite a few festivities in A. There was St. Martin's Day. All the children in school had to make lanterns and with our colorful lanterns lit by a candle, we participated in the St. Martin's parade in the evening. Carnival was celebrated by all of A. with a colorful parade and people wearing costumes. l remember Palm Sunday and St. Nicholas day when all the kids got a plate of sweets and a symbolic switch. I am not sure if these special days were observed all over Germany. A. in the Rheinland was predominantly Catholic. Some parts of Germany were Lutheran. Thus Georg and l grew up with a mix-up of different religions and traditions, the Jewish and the non-Jewish. My love for animals stems from my childhood. We always had dogs, cats, a blue jay called Jacob and bunnies. Mine were white, Georg's were black. If we found an injured bird on the way to school, we turned around and placed the bird in my mother's care. The birds were nurtured until they were ready to fly the coop. We had a turtle living in the garden. It died of old age. Georg and l buried it in our garden with dignity and placed a cross on its grave. As you can see our childhood was imbued with a spirit of ecumenism. l remember to this day that l must have said or done something which was offensive to my father. l was told to stay in my room until l apologized. l refused to do so as l felt innocent. l was released from my room and was pardoned even though l did not say that l was sorry. Justice was done. A theme which pursued me for the rest of my life. l remember a crime l did commit. I stole! Our nanny had a pink garter 6

with little roses on it. l just had to have it! and hid it under a pillow of one of my dolls. My mother found it and the case was closed. My mother was truly wonderful with one exception. She made me eat my spinach, which l despised. One day l stored all the spinach in my cheeks. When l was put down for a nap, l smeared the wall over my bed with spinach. That was the end of eating the stuff. Victory! My mother was always loving and kind. She said to us "If you break something, just let me know, l will always be happy to know that you didn't get hurt and that an object can always be mended or thrown out", l honestly can't remember her ever getting very cross with me when l was a little girl and l have always tried to be as good a mom as she was. l am not sure l succeeded. My early childhood fears: l was afraid of the dark as every shadow suggested some scary beast. l was petrified when the bathtub plug was pulled and the water swirled into the deep unknown (the mysteries of the sub-conscious). l repeatedly dreamed of abstract forms of black and yellow and dreams of infinity as l was looking out of our attic window. The combination of black and yellow, l will not wear to this day. At the age of six, I started school. It was a private school for girls. It was the custom in Germany to give the child on his or her first day of school a "Zuckertüte". It was a colorful cone filled with goodies. My mom and Elli walked me to school. My mother cried as l disappeared into the building. That was the end of my carefree days. l had nice teachers. The classes were small, l made lots of friends and had a "best" friend by the name of Elisabeth Gerber. She died when we were in second grade. My first encounter with death and the feeling of loss. Another great loss to me as a child was in the later thirties when my father's cousin, Dr. Otto Rosenbaum, came through A. on his way to Göteborg, Sweden. He was a cellist and worked with me. l was enchanted by him and was heartbroken when he left. After the war, we corresponded. l was no longer the little girl, but we picked up the pieces and remained very close friends until his death. Otto started a music school for children in Göteborg and after his death, his son Andreas Rosenbaum took over, as he also was a musician. His son Dr. Ernst Rosenbaum, whose field was ((Wissenschaft)) ended up at the ((Name-)) Institute in ((Name dt. Stadt)).

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Chapter Two 1933-1939 In 1933 Hitler came to power and our lives and the fate of millions changed forever. As I was only 7 years old .dates and happenings are not always sharply focused. I remember the elections with hundreds of signs all over A. urging everybody to vote YES, which meant a vote for the National Socialists - Hitler. It was a foregone conclusion that Hitler would win. The reasons for Hitler's rise to power have been written about so there is no need for me to elaborate. Suffice it to say, Germany was suffering from the aftermath of the Versailles Treaty, inflation and unemployment. Hitler promised the German people employment, Lebensraum and the cleansing of the German race This racial cleansing included Jews, Gypsies, gays, mentally ill and retarded, Jehovah's Witnesses and people who stood up for their conscience. We are talking about millions. Anti-Semitism had always existed in Germany and elsewhere for that matter. Thus violent anti-Semitism didn't seem to concern the German people very much (I will talk about the subject again a little later). I remember a story my father told me. His mother gave him money and sent him to the bakery to buy some rolls. He was just a young boy. On the way home from the bakery a boy shouted anti-Semitic slogans at my father. My father punched the boy and he fell into the gutter. My father felt remorse for his act of violence and gave the boy the rolls he should have taken home. He arrived home without the rolls and no money. "Boycott" (April 1933). The idea was to encourage "Aryans" not to do business with Jews. Signs were posted on Jewish establishments. It was a black rectangular sign with a yellow dot in the middle. An SS man came to our front door, the entrance to my father's office. He was trying to paste this sign on our front door and he had trouble making it stick. Finally my father came out and with his wonderful sense of humor, offered some adhesive tape. The sign stuck. An SS man was standing on the street in front of our front gate to our house and the little front garden. It was his job to discourage Aryan patients from seeing their beloved doctor. A gutsy Aryan lady and a faithful patient of my Dad's, gave the SS man hell, told him off and marched into my father's office. Bless her courageous soul. The people in A. had a wonderful sense of humor. There was a trolley driver, who greeted his passengers with "Heil Hitler und Guten Morgen für die Andersgläubigen" - Heil Hitler and Good Morning to those of other beliefs. At the age of seven, terms like fascism, anti-Semitism, dictatorship didn't mean much to me. But slowly and insidiously my life was no longer a life filled with joy and innocence. There were muted conversations in my house and I was told never to repeat anything I heard at home to other people. In school I was suddenly not invited to birthday parties of my classmates. Signs appeared in a little park close to my house reading "Dogs to be leashed. Jews not allowed". My "friends" were shrinking in numbers. A sense of fear invaded our lives. When the phone rang at night our hearts stopped. A knock on the door at night could mean the Gestapo coming for my father or, as happened several times, it was a fleeing friend who needed to escape over 8

our roof or had to be hidden. A good friend of ours, Frau Geheimrat Krammfeld, a wonderful lady threw herself under a train one night. I forgot to mention our neighbors on the Schillerstrasse. A Professor Has lived on one side with his family. On the other side were the Werendorf sisters. Professor Has was a surgeon, had a wife and three children. A wall separated our gardens. I remember the beautiful cherry tree growing on their side of the wall. As the tree matured, we made an adjustment to the wall so that the tree could flourish. We always looked forward to spring time and the delicate blossoms of this tree. Professor Has became a Nazi and one day all the branches which graced the garden on our side of the wall were cut off. Our hearts bled for the beautiful tree which was not allowed to flourish over a Jewish garden. The Werendorf sisters were truly wonderful neighbors. Dr. Silvia Werendorf was an attorney and, because she was not a Nazi, lost her career during the Hitler years. After the defeat of Germany, she became the first female judge in Germany and worked for Women's Rights at the United Nations. We all visited her after the war. I saw her one more time in the early nineties shortly before she died. I recall my gym and swimming teacher with a big swastika on her dress. I was fearful of the deep water as I had not mastered swimming. The teacher a Miss Verres pushed me into the deep end of the pool. It was very traumatic for me and my father wrote a medical note to the effect that for reasons of health I was to be excused from swimming lessons. I think it was in the third grade that my teacher, with a serious face, announced that a new girl was going to be in our class and that we should be especially nice to her. She came from Hamburg where she had lost her father. My heart went out to her and I decided right then and there that she would be my new "best friend". There she was in front of our classroom. She had long braids and wore a black arm band on her coat sleeve, a sign of mourning. Her name was Elke Busch. I found out much later that her father had been an attorney. He had defended a Jewish doctor and he lost the case as Jews could not expect justice. Her father despaired and committed suicide. Elke and I became inseparable and she was practically a third child in our house. We were very "good" and at times very "bad" together. I will spare you the details of our misdeeds. The first arrest of both my parents. The Gestapo came and took them away. The reason for their arrest was as follows. A new decree declared that Jewish doctors could only treat Jews. My father was appointed 'The Jew Doctor of A.". He subsequently moved his medical office to the "Gemeinde Haus" (community center), which was next to the synagogue. The day before this decree became law, my father and mother visited an old patient of his by the name of Grimm. Grimm was an invalid because of wounds received in the First World War. He was a very gifted artist and made a little extra money by selling postcards of his drawings. He was a communist, which was as bad as being Jewish in Germany. (The communists in those days were idealists who thought that communism would bring equality to people all over the world). Grimm had a wonderful sense of humor. He made a bust of Hitler and cast it in lard. He took the bust to an unsuspecting butcher by the name of 9

Lirsch. The butcher thought that it would be a very patriotic act, accepted Grimm's offer and the bust was proudly displayed in the shop window. The bust did not remain in that window for very long. The SS came and removed it! So on this last visit to Grimm my father gave him some prescriptions and they listened to foreign radio stations which was considered a crime by the Nazis. Mrs. Grimm, who apparently was not very bright, wrote a letter to her daughter, Hilde (also a communist). Hilde's house was searched by the Gestapo. Mrs. Grimm's letter to her daughter telling her about my parent's visit and the foreign broadcast were found. Mr. Grimm was arrested and so were my parents. Grimm was never released and eventually beaten to death in prison. My parents were grilled by the Gestapo separately. They did not admit to any wrong-doing even though both were told that the other one had confessed. They were released the next day and Georg and I were jubilant to have our parents back. The next arrest of my father came on "Kristall Nacht" (Crystal Night) in 1938, when all the synagogues were set aflame, books were burned and shops belonging to Jews were smashed (thus the name Kristall Nacht) and looted. Acts of heroism occurred. Elke's mother offered to take me into their apartment. Professor Bredebusch, a famous theologian, had the courage to speak to my mother in public. The sons and wife of Professor Helme, a well known orientalist, went to the Kaiserstrasse and helped an elderly Jewish lady whose lingerie shop lay in ruins. They cleaned up all the broken glass and mess that had been created by the Nazis. Professor Helme lost his position at the university as a result of the compassionate acts of his wife and his sons. I am happy to say that Helme got a professorship in England and could leave Germany1. This story illustrates that only the courageous people had the inner strength to stand up for human decency, but that most Germans were too scared. There were quite few Germans by then who didn't like Hitler but didn't have the courage to speak up. I can understand that and thus cannot condemn all Germans. Every generation has only a few heroes. Unfortunately, I also think that most Germans preferred to look the other way and in the long run had to pay a bitter price. Many Germans denied having any knowledge as to what happened to their Jewish neighbors as they disappeared. I suggest it was easier not to know. In conclusion, I just want to say that the heroic people I mentioned were not the only ones we knew. There were more, but I just can tell you about the people I knew personally in A. There was a very impressive book published in Germany after the war "Das Gewissen Steht Auf”, the story of the great and courageous men and women that paid with their lives for their stance against Hitler. That book is out of print. I wonder why? Lothar Erdmann comes to mind. After August Macke was killed in WW I, his wife Elisabeth 1

Anm. S.K.: An dieser Stelle ist ein Hinweis auf einen Bildband über Gisela Johanns Heimatstadt eingefügt, der zwecks Anonymisierung getilgt werden musste. 10

Macke married August's best friend Lothar Erdmann. Lothar, ((…)) was tortured to death in Sachsenhausen. Georg and I are still in touch with their son ((…)), a well known composer ((…)). My brother performed some of his works in G-Stadt. The day after the Kristall Nacht, my father was released from prison because as head of the Jewish community, it was his job to clear the rubble of burned- out synagogues and the Gemeinde Haus where he had had his office as a "Jew Doctor". There was a big photograph in the Sturmer, a violently anti-Semitic paper always displayed publicly on the ((Name)) Platz showing my father's examining table sticking out of the ashes with a big headline "NOW YOU KNOW WHAT JEWS DO IN THE SYNAGOGUE". My father had a non Jewish patient, a public school teacher, who had moved from A. to a little town called S. He visited my parents and felt sorry for me and invited me to visit them in S. I went and had a wonderful time. I remember vividly that one day we took a walk and bumped into a huge crowds lining the streets joyously shouting "Heil Hitler" as Hitler was passing through this little town. I stood there transfixed, looking at this monster passing by - the only little girl in the crowd not raising her arm. When I came home from my little vacation, I found out that the teacher had lost his job. I still feel guilty that my presence in their house had such dire consequences for these wonderful, loving, kind and courageous people. There was also the Gangloff family in A. - old friends and patients of my father. Because he was not a Nazi, Professor Gangloff lost his teaching job. Somehow they survived the war. We found each other again and have a close friendship with Helga one of their daughters who is close to us in age. Another act of heroism and decency sticks in my mind. I had a teacher in school, Miss Leinemann, who looked like a caricature of a spinster teacher. She was tall and skinny, wore wire-rimmed glasses and her mousy gray hair was tied in a tiny tight bun. She never wore a bra and wore knitted dresses. I remember whispering to Elke that I could see her nipples below her belt. Children are not always kind, including myself. Miss Leinemann came to our house in A-Ort to bid me farewell. Thank you Miss Leinemann and forgive me for making fun of you. We lived in a rental house in A-Ort, as we were forced to sell our own house. The proceeds of the house were seized as well as our other assets. My mother had to go to Cologne monthly in order to ask permission to take some money out of our seized assets so that we could live. In 1938 my brother and I were no longer allowed to go to our schools. My father founded a Jewish School, but after we moved to A-Ort we just didn't go to school any more. In spite of everything, I loved the house in A-Ort - it was more rural. There was a farm close by where we could buy fresh eggs and milk. I loved not going to school, helping my mother with household chores and riding my bike in the beautiful countryside. After my parents realized the hopelessness of the situation, they decided to emigrate to the US. We took a trip to Stuttgart, in 1933, where the US Consulate was located. We were given a number and had to get a physical to make sure that we were healthy specimens. The US had a quota and allowed only a certain number of Germans per year to enter the US. The US also required an affidavit from a US citizen vouching to be financially responsible for us so that we would not be a burden to the US. 11

There are two trips we took which had a significant impact on the quality of our early years in the US. One was a trip to Switzerland where we stayed in a beautiful villa in Merlingen on the Thuner See. The villa was owned by a couple, Fritz and Grethe von Barth I became gravely ill, my father requested a consultation with a doctor from Bern and the von Barth’s were extremely kind and helpful. A friendship developed. Since taking money out of Germany was a capital offense, leaving penniless was a scary prospect for a family of four. The von Barth’s came up with a brilliant idea. They would visit us in Germany, do a lot of shopping (on our account) and then upon their return to Switzerland, would credit us for the money they spent in Germany. When the time came the money and valuables would be returned to us once we were out of Germany. The von Barth’s came, they bought a lot of valuable items and also took some jewelry and money back to Switzerland. Upon their return to Switzerland they reported us to the Gestapo. This treacherous act could have cost my parents their lives. We had the good and rare fortune that the Gestapo man who came to our house was a decent German who knew how respected my father was in the City of A. He gave my parents a warning. What incredible luck! Later on the Nazis sent SS and Gestapo men from other regions, so that there was less chance of personal involvement. In other words, it's easier to shoot a stranger than your neighbor. My mother made one more attempt to get some money out of Germany. We took a trip to Nordwyk an See in Holland. We got to the border and as always, our hearts pounded as the German border guards searched and questioned us. The guards thought I was cute and put me on the hood of the car and were friendly. (I forgot to mention that my father always wore his Iron Cross First Class in his lapel. He received this medal for bravery under fire on the Russian front rescuing and treating the wounded. He always thought that wearing this medal might help when crossing the border). Anyway we were told that all was well and that we could cross over to Holland. Once in Holland, my mother confessed to us that she had, with the help of our beloved chauffeur Arthur, hidden money inside the door of our car. She breathed a sigh of relief and we were impressed with her courage. Now the question arose - Where will we put this money? On our way to the Nordwyk, we visited friends of ours and asked them whether they could open a post office box for us in their name, so that we could deposit our money there. The answer was "No, we are afraid to do that". Thus, we had to take the money back to Germany. We knew three young Jewish medical students from the USA by the names of Gold, Warren and Isaac. They studied medicine at the university in A. My father helped them with German and probably other matters. These students came to A. because the medical schools in the US had a quota and took only a few Jewish students, what an ironic twist of fate. These three promised us that when they got back to the US. they would send us an affidavit. They kept their word but the US emigration people decided that these three young doctors, just starting out, were not rich enough to guarantee our financial survival. Back to square one. My mother wrote a desperate letter the night of my father's arrest. She wrote to an old school mate of my father's who lived in 12

((Name Stadt)), ((Name Staat)). This friend received the letter from my mother on a high Jewish holiday. He went to the synagogue filled with the sad news. He started to talk to a stranger sitting next to him and mentioned the dilemma my family was in. The stranger wanted to know more - to make a long story short, this stranger was my father's cousin, Richard Bury, from Hungary. He was a very famous physicist and mathematician and a friend of Einstein. Einstein sponsored him so that he could to come to the US, where he subsequently had a position at ((Name)) University in ((Name Stadt)), ((Name Staat)). Richard sent us an affidavit immediately. (Affidavits from relatives had more significance). Thus our lives were spared. Richard had one son by the name of Elmar. I met Elmar in K. He died at a very young age of bone cancer and left his wife, Alice, with two little boys. Andrew, the oldest, is currently studying in England and Eli is just starting college. Alice has been and is a loving and caring mother. It has not been an easy road for her and I admire her greatly. Needles to say, we were elated and started to plan our voyage to the unknown, the USA We were still allowed to take our belongings and everything was packed into a lift/van. The man from customs was an old inhabitant of A. and was extremely decent. Every time something of value was packed, such as the silverware of my grandparents or my father's cello, he would say "This is old stuff, you can take it". Another rare soul! My mother handled the whole move, while my father studied English (Greek, Latin and French he learned in school, but not English) A teacher, Miss Hadley, was hired to give us English lessons. I just wasn't interested and, as always, preferred the outdoors on my beloved bike. Then it was time to say farewell to our friends and relatives, most of whom we would never see again as they became victims of the holocaust. My aunt Lieschen (Elisabeth) survived, her husband, Oscar, died in Auschwitz. Their daughter Ina survived - was a slave laborer, as a result had severe lead poisoning as she had to work in an ammunition plant. She was sickly for the rest of her life. Her husband, Dr. Michel was appointed to be the doctor who had to decide who should be shipped to Auschwitz. He committed suicide. My beloved Tante Frieda and her husband Louis died in the crematoria. The list of family members who perished is too long. Each individual fate is a story in itself. I cannot include them in this little book and do them justice. After our tearful farewells we took a train to Holland and the city of Hilversum where my mother's sister Käthe lived with her family, Peter, her husband and Wilma their daughter. We tried to urge them to leave Holland. Unfortunately, they couldn't get themselves to move as they hadn't yet gotten over the loss of their little girl, Petrachen. Holland was invaded and both Käthe and Peter met their fate in Auschwitz. My cousin Wilma miraculously survived the concentration camp. She was liberated in 1945 weighing 75 Ib.! Eventually she came to the US and later moved to Israel, where she is today. Her experiences left their indelible marks and she has had a difficult life as a result. The boat we took to the US was the Westerndam. We were forced to take a German boat. Thus we were once more in Holland as the boat departed from Vlissingen. My parents were naive enough to think that the von Barths 13

still had our money. A call was made to the them and told us that there was no money - nothing was left. Thus we arrived in the USA with $50 in our pockets. So much for friendship and trust. A hard lesson to learn and unfortunately not the last.

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Chapter Three 1939 - 1950 We embarked on the Westerndam in February of 1939. I'm sure that my parents were full of apprehension, but I must confess that I was very excited to be on a big boat even though it was manned by not too friendly Germans. It did not take too long before my father got very seasick and spent most of the time of our voyage in bed. We made a stop in Dover. I remember watching the goings-on as new passengers embarked and saw a Cello being transferred to our ship. I was very excited about this Cello and was determined to find out who the owner would be. It did not take me too long and the mystery was solved. There was a boy who came on board in Dover. He probably was my age and his name was Bobby Turner and he spoke English. The first words he taught me was "shut up". We became companions, roamed around the boat and I discovered that the cello belonged to his mother, who was an amateur cellist. I also made the acquaintance of a Dr. Selge. Through me, my parents became friends with him. He was a strange looking duck and very nice and friendly. My parents told him about Professor Helme who had lost his job at the university in A. Apparently Selge had many good connections and it was partly through him that Professor Helme got a position in England. I remember that one morning, we woke up as our little porthole was closed by a round plank of wood. A storm was expected. The dining tables had a rim around them so that plates and whatever else was on the table would not fall off. It was rough going. I was excited watching these huge waves and feeling the boat tilting from side to side. After two long weeks we arrived in the USA. There were lots of lines and formalities and I can't tell you all the details because I was too busy looking around. I am sure that my brother would know, but I want him to tell his own story some day so I won't even ask him. Dr. Warren and his wife met us and took us to their little apartment in Brooklyn. I remember sleeping with my parents in their bed in a horizontal position at the foot of the bed. My brother slept on a couch. The Warrens were very nice to us even though I could not understand a word of what they were saying. My parents made a phone call to the son of old friends and this good looking charming man by the name of Daniel Kohn appeared on the scene. Who was this Daniel Kohn? He was the son of old friends of my dad. My dad first met Bärbel Kohn, the mother of Warren in ((Name Stadt)), where he had his first medical practice. Bärbel Kohn played the violin, became a member of my dad's quartet and Bärbel and her husband became close friends. Bärbel had three boys; Oscar, the eldest, Rudi and Warren, the youngest. Both Oscar and Rudi went to the university. Then came Hitler time and Papa Kohn decided that it would not be wise for Warren to go the university, but that he should learn a trade. Warren was a bright and musical young man. He had no choice in the matter and was sent to Switzerland to learn the hotel trade. I think that this decision of his father haunted Warren for the rest of his life, and in some ways made him 15

an angry man. As I look back, the skills that he learned in Switzerland made it possible for him to get a job in the US. When we met Warren he was working as a baker. His brother Oscar became a successful business man. His brother, Rudi, who was a brilliant and gifted intellectual had to go into business in the US. He had studied law in Germany. As German law is based on the Napoleonic Code and the law in the US is based on common law, it was impossible to practice his profession in this country. His love was music and books, he was a very good pianist and I remember playing Mozart and Haydn trios and quartets with him in my early twenties. His wife, Annmarie was a doctor and they had one daughter. Their marriage went on the rocks, and Rudi committed suicide. Two years later his wife did the same, leaving a teenage daughter behind. The only girl in the family, Trudi came to the US, worked as a kindergarten teacher, married a Swiss man and moved to Switzerland. Her life was also beset by tragedies, which I won't go into in this little book. I am mentioning the Kohn family because the fate of the Kohn children illustrate that the lives of the refugees and their children were impacted by Hitler's Germany for the rest of their days. To get back to Daniel Kohn, our guardian angel. He came to Brooklyn to see us and immediately said "You can't stay here. We will have to find an apartment for you". He got us in touch with a Jewish welfare agency. Going to a welfare agency was a hard step to take for my mother. They did help us at first, but my mother hated the woman at the agency, who took our case, because this woman saw no need for my father to become a doctor again. She suggested that he should take a job in a shoe factory. My mother vowed to herself that she would find work as soon as possible and that she would pay back every penny that was given to us. And she did. Two weeks after our move to our little apartment on 74th Street, Warren came to see us and said that is was time for me to go to school. He took me by the hand and marched me to Public School #87 or some such number. He wrote my address on a slip of paper and disappeared. I must confess, I was petrified. The class I was put in had a teacher who knew Yiddish and that was a godsend, as there are a lot of words in Yiddish that are of German origin. The boys in the class made fun of me and pulled my long pigtails. Two girls took pity on me and walked me home. Remember, that coming from the little town of A., New York City was an overwhelming experience for me. The lift/van with our furniture arrived and Warren helped us find an apartment in Washington Heights on Seaman Avenue. Seaman Avenue became our first home in the USA. After we settled in, my mother found work as a cleaning woman and at night she did piece work. She knitted dresses made of silk ribbon, which were sold in very fancy stores in New York. I think she got very little for her work. She sewed parts of leather gloves together, she crocheted little hats, and I could help with that. I remember one summer my mother and I made orange syrup and peddled the bottles to stores and people in our neighborhood. My father concentrated on learning English. I recall that his first story in English was called "Bernard, the Rat". I wish I still had that story. We rented one bedroom of our apartment for very little money to my cousin, Dina, a violinist and her 16

husband, Lothar Schreiber, a cellist. They had both played in the Pittsburgh Symphony, but wanted to come to New York. In order to become members of the musicians union in New York City, Local 802, they had to establish residency. I can still hear them practicing the Brahms Double Concerto for their auditions. (In later years Lothar played in the orchestra of the Metropolitan Opera). After that was accomplished, they moved out and my mother took in a terminally ill cancer patient, whom she nursed with my father's help. In the meantime, my father had learned English and formed a group of doctors who were in the same boat as he was and they met daily to study for the New York Medical Board; not an easy task for a man in his fifties. We moved to a bigger apartment on Riverside Drive. It was a very large apartment. Three bedrooms were given to sick or senile people, who were nursed and fed by mother while my father took care of their medical needs. She could stay at home and make a living but let me tell you it was tough. One night my parents went out and I was put in charge. Mr. Ross, one of our patients was senile. He suddenly appeared fully dressed in hat and coat and announced that he was going out. I had a hell of a time convincing him to go back to bed. After four years my father started his practice on Hillside Avenue, a street in our neighborhood. Later we moved to Dongan Place. My father's practice took off in New York. He was the last of a unique breed of doctors. Our vacations were always arranged around the delivery dates of his patients. He thought nothing of making house calls in the middle of the night. My mother would go with him to the Bronx, so that he would not be alone, and she would wait for him in the car. He worked until the age of 76. The first time my parents went back to New York, to see friends and relatives, someone behind them tapped him on the shoulder. It was an old patient who said "Dr. Levi I am so glad to see you. I still owe you some money" whereupon he gave my father a $20.00 bill. A kinder and more humane life long gone. After we moved to Seaman Avenue, Georg went to George Washington High School. (Kissinger was a student there at the same time). He had a new violin teacher by the name of Jakob Levin2. A cello teacher was found for me. His name was Fred Goldberg and he gave me a scholarship. Goldberg played in the NBC Orchestra under Toscanini. He later became a cellist in the Cleveland Orchestra. Now I need to tell you a little about my life on Seaman Avenue and Riverside Drive. My new school was PS 52, the neighborhood school. I was put into 7A4. 7A1 was for the smart kids and 7A4 for the dumb kids. I did not mind being in 7A4 because I did not think of myself as smart and my English was very marginal. But I did not fail to notice that the kids in my class came from poor Irish neighborhoods and that the smart kids were from families that were better off financially and otherwise. That part bothered me because I knew that these 2

We met the Levin family in A. They came from Russia. Father Levin was a wonderful pianist and Jakob, a concert violinist. My father had engaged them to give some house concerts in our house. 17

kids were just as smart, but because their parent were poor and uneducated, they did not get the support at home which would have helped them. Nothing has changed, has it? PS 52 was a good experience for me. I had very nice teachers and everybody was kind to me. My music teacher discovered that I played the cello and we formed a little trio and performed in school events. I had, by then graduated to a full size cello, my fathers, an enormous beast of an instrument. Its only virtue was that my father took it to the Russian Front in W.W.I and it survived. What it had in strength, it lacked in sound. It was actually too big for me, as I have very small hands. One day I came home from school with my cello and a boy rammed into the side of my poor instrument and smashed a big hole in it. I was absolutely heartbroken and afraid to show it to my father. Mrs. Schreiber, my wonderful music teacher, walked me home and my father told me not to worry. He would have it repaired. My first American girlfriend! On the first day I was walking to PS 52, a girl going the same way said "Would you like to share my umbrella?" Her name was Jillian Green and she actually lived on the second floor of our apartment house on Seaman Ave. We were on the 4th floor. She was studying the piano at Julliard. She was caring and very bright and we became friends for life. She later married a wonderful man named, Dan Goy. Her grandparents were not too pleased that she married a "Goy" and on top of that one by the name of Goy. In 1940, I had the good fortune to enter the High School of Music and Art. This school was founded by Mayor La Guardia. It was for students who had talent in music or art. These years were the most enriching and stimulating years of my life. The music students had to play in an orchestra (there were 7, the 7th being the best) had to play chamber music, take ear training and theory. On top of that there was a full academic curriculum plus art appreciation class for music students and music appreciation for art students. The teachers were exceptionally wonderful. A special speech teacher, by the name of Miss Lewiston, was assigned to me so that I would lose my German accent. She did a wonderful job although I must confess that the when I listened to myself on tape the other day, I was horrified to hear that I still have an accent. (Compared to Kissinger, I think that I did pretty well). I took a creative writing class and was told to write a poem. My English just was not rich enough for such a task and I must confess that my father helped me out by translating a Heine poem. My teacher was really impressed. Reading Hamlet in English was still too difficult for me and I read the German translation at home. Chemistry was a nightmare. (I am not sure why, but I suspect that abstract things were difficult for me to grasp. Algebra was another catastrophe. Geometry was a blast. I also had problems with theory and ear training as I don't have perfect pitch like my brother has. As far as algebra was concerned the good Lord intervened on my behalf. I got a severe ear infection (this was before the time of antibiotics), missed most of the term and somehow slipped through the algebra class without a test, which was a miracle. My chemistry teacher said to me that since I did not need the credits for chemistry, I would do myself and the class a favor by not 18

taking the final exam. I happily took her advice. (In New York state, public schools kids had to take "Regents", a state exam given to all High School seniors in order to graduate. There was an exam for every subject.) Despite all these deficiencies I became a member of Arista, the honor society and played first chair in the senior orchestra, sharing it with Eileen Graves. I remember the great thrill of playing Schubert's Unfinished Symphony or the time that Bert Langsdorf came to conduct our senior orchestra. Once our conductor asked us whether we would do his friend, Isaac Stern, the favor and accompany him in the violin concerto by Mendelssohn. Mayor La Guardia had a great love for music and had these weekly chats with the citizens of New York over radio station WNYC. I remember playing quartet in City Hall before one of these broadcasts. I made some lasting and important friendships at Music and Art. Aside from my friend Jillian, whom I met at PS 52, there was Brenda Shapiro, Vivian Fisher, Vera Baker, Inga Brochov. Two boys stand out in my memory Mordecai Wesson and Fred Cobson, my first black friend. Mordecai was my mentor. He helped me with theory and ear training, he was brilliant, a fine pianist and a very good composer. We became very close friends. On day I got a letter from him saying that he had to break up our friendship because everything he touched would break. (His difficult life would become another book). I remember reading this letter totally dissolved in tears. It was a big blow for me emotionally. Looking back, Mordecai was probably right. The last time I saw him was in K-Stadt where he took over the University Symphony for a year. He visited my house often and I was happy that he was in my life again. He went back to New York and never got his life off the ground. He disappeared. My brother was conducting a concert in New York and a woman came backstage and introduced herself as Mordecai's former wife and told him that Mordecai had committed suicide. One last remembrance I need to share with you. Mordecai's brother went to St. Johns University, a school based on the 100 Great Books. As a result, Mordecai started a symposium led by his brother and we discussed Plato. What exciting times for me. The only downside of these happy years was our poverty, we had no money to pay for my bus fare or my lunch at school. I got bus fare and food tickets for my lunches from the welfare agency, always a source of embarrassment for me. I remember being called to the principals office in order to give me some old lady's hand-me-downs. In retrospect it was a valuable lesson to learn. In my senior year I decided to graduate half a year early, so that I could get a job and earn some money for college. Thus I graduated one semester ahead of my class by going to summer school. Thank you, High School of music and Art. Thank you, Mayor La Guardia. Thank you for letting me be a student of this remarkable school. Thank you to all the wonderful teachers who enriched my life. In 1944, I received a scholarship to the B-School of Music, University of B. Without a scholarship neither Georg nor I would have been able to go to B., as my father was just starting out his new practice. The yearly fee for the dormitory was $500.00, which, for us, was an enormous amount of money. I found work as a waitress. (75 cents an hour) in the dormitory, but did not like waiting on my fellow students, as some were quite snooty. I transferred to 19

the kitchen, where I was warmly welcomed and I felt very comfortable there working behind the steam table. Bitter sweet years, but also rich years of my life. Girls had to live in the dormitory, boys could live wherever they wanted to. I remember the first night sitting with all the new girls of the freshman class in the living room of the dorm. The house mother appeared and gave us a lecture on the "do’s and don'ts" of life in the dormitory, at night we were to be in at 10 P.M. (certain nights we were allowed to be out until 12:00 P.M.) Good-bye freedom! Then she said to us "When necking in the living room on the sofa, your feet have to remain on the floor." I did not know what the hell she was talking about, as I had no idea what "necking" meant. Another rule was that men could not go beyond the first floor of the dorm. I had to share a single room with my girlfriend Jillian, which meant that we had a double bunk, one desk and one chest of drawers and one closet. Even though we loved each other, it was hard-going at times. I remember our disagreement over a big print by Rousseau of the woman and the lion in the desert. The reason for having to double up was that many of the men were in the war and there were more girls than usual. In spite of some clashes, our friendship survived. Jillian was a piano major and I was a cello major. I had a wonderful cello teacher by the name of Berto Rossi. He taught us how to play and practice with intelligence as well as musicianship. A truly unique teacher, a charming and wonderful man. In my freshman year I played in the B-School Symphony under Erving Jonson. I also had to take 18th Century Harmony, Ear training, Chamber Music, and an English class. Instead of Physical Education I took Modern Dance with a wonderful teacher who was a Mary Wigman student. I loved it. We all worked very hard and after dinner in the dorm, many of us went back to the school to practice. At the end of the school year, we had to play in front of the entire faculty. I was so nervous that my cello teacher told me that he hadn't thought it possible to make such a mess of things as I did. It was a total nightmare. I realized that I was not cut out to be a professional cellist. Called my dad and told him that I wanted to study philosophy instead. He said that he did not think philosophy was a good profession. However, if I wanted to study medicine he would help me. As I had such a disastrous experience in chemistry in High School, I did not think I was smart enough to be a doctor. I changed my major to Music History and cello became my minor. It took the pressure off me and the next exam in front of the faculty went much better, because I knew that my life did not depend on it. In retrospect I should have gone to a liberal arts college, which would have exposed me to other fields. But at the time, it was always taken for granted that because I was talented and very musical I would study music. We were too new in this country to know the ins and outs of the educational possibilities this country offered. There were four of us from our High School in my class. My friend Jillian, Brenda Shapiro and Vivian Fisher. All of us felt a letdown at the BSchool after coming from the High School of Music and Art. We were used to an interracial and intellectually stimulating group of students. The B-School had two black students, Ernest Clayton, the famous singer and his brother, 20

who was a bass major, as I remember. Ernest was a graduate student. Jillian and I decided that the students needed a voice. There was no school paper and no student organization. We started a student organization and Rhoda became the president of the student body. She was not quite as radical and was more diplomatic. She was a very good president. Then Jillian and I decided to start a school paper. We called it "Undertone", a take off on overtone, a musical term and the title of our school paper at B. I became the editor of Undertone. Unfortunately I did not keep copies of this infamous paper. We financed it by selling ads and bought a multigraph machine to do the printing. Actually that was an exciting time. My cello teacher was a little worried that my energy was spent on the paper and not on the cello. He, of course, was right. One of the things we decided was that as some of us might someday become music critics, we should have a student who would review concerts, many of which were under the baton of Erving Jonson, the famous composer and head of the school. As you can imagine that did not sit too well with the higher ups at B. I met a wonderful girl at B. She was a freshman at the University of B. Her father was also a refugee doctor. Her name was Helen Brown. We are still friends and my sons know her. She had an interesting life. She worked her way through school and graduate school. She had a Ph.D. in Art History. However, she ended up working for the FAO of the United Nations in Rome and became the head of the scholarship program of FAO traveling all over the world. She is now retired and I saw her in Rome a few years ago. While in Rome, we took a trip to Orvieto to visit one of Helen's friends. I met a charming young Swiss family with two delightful children. The mother of the children is a journalist and foreign correspondent for the "Tages Anzeiger" of Zurich. We talked about Nazi time and I related our encounter with the von Barths to her. I had a phone call from her from Zürich this spring and she asked me whether I would mind her writing up my story. I gladly gave her permission and thus our Swiss adventure, or I should say misadventure was printed in Tages Anzeiger of Zurich. All this came about as a result of Swiss banks and their misdeeds. She wanted to know how I felt about Switzerland today and I reassured her that Switzerland behaved no worse than other countries, as far as I am concerned. I think that the US and other countries are just as guilty as Switzerland. Just think how many lives would have been saved by the US alone, had there not been a quota system. One final remark about racism as I encountered it in the 1940's I met Arthur T. through Helen at a dance at the International House in New York. A wonderful black man from the West Indies. He was doing his residency at the Harlem Hospital in New York City. He was a truly wonderful human being. We became friends and later fell in love and I had my first "affair". I remember that we went to a movie downtown and that he took me home on the subway. A white man sitting across spat at me and I must admit I had a hard time restraining my friend. Some of my father's patients reported to him that they had seen me with a black man and did he know about it. The simple answer was "yes" he did. My father had some black patients in New York. A white woman complained to my mother that she did not want to sit in the 21

waiting room with black people. This woman was told that in that case she better find another doctor. As you can see things have improved a little, but we still have a long way to go. Arthur and I parted ways as I was going to K. and he wanted to return to his home in the British West Indies - Antigua. Walter and I visited him and his wife and children. We remained friends until his untimely death. There were many political issues we took up at B-School. We discovered 'racism', a term that had not yet been coined. A young black cellist who was studying with Hilda O’Donnell wanted to enter B. She couldn't be admitted because black girls could not live in the dormitory. I don't remember the outcome but I think she was never admitted as long as I was at Eastman. I became more and more politically involved. I remember sneaking out of the dormitory with Estelle and Jillian at five o'clock in the morning to hand out leaflets in front of a factory urging the workers to unionize. Anyway, you get the drift. One day I was called into Dr. Erving Jonson's office and was told that if I did not keep quiet, I would lose my scholarship. I decided that I could not be silenced and left the B-School after my junior year. My parents were proud of me and I transferred to the Manhattan School of Music for my bachelor and master's degrees. I only had one run-in at the Manhattan School of Music. I was sitting in the auditorium listening to a rehearsal and my black friend, Fred Cobson was sitting next to me. I was called into the office of our director and she told me that she was worried that I had a black friend. I just told her that the company I kept was my own personal affair and that was the end of that. I might just add that Fred Cobson became a professor at Princeton, as far as I know, not such bad company after all. I am sorry that we lost track of each other. When I transferred to the Manhattan School of Music, I had hoped to study with Istvan Szandek, a wonderful cellist and a member of the ((Name-)) Trio consisting of Karol Feldenberg, Alfred Bailer and Istvan Szandek. Unfortunately, Istvan left the Manhattan School of Music for California just then. I decided to study with him for a summer. Istvan found a job for me in Los Gatos as a counselor. The camp was beautifully situated. Unfortunately it was run by two sad*stic women. One of the girls in my group was homesick and wet her bed every night. I was told that as punishment she had to wash her sheet by hand every morning. Needless to say I sneaked her into the laundry room and stuck the sheets into the washing machine. There were many examples of cruelty I will not elaborate on. The counselors had no time off and no place to socialize. True to form, I called for a clandestine meeting 12 midnight under a bright full moon. An overnight hike was announced and I was asked to stay behind. Once everybody was gone I was told to pack my things and was taken to the empty house of the Reijtos. Reijtos were on tour and I ended up in Alma, the wonderful estate of Oscar Marilov. The Bailers lived in Alma because Alfred Bailer was the accompanist of Oscar. Mrs. Bailer, Edith, welcomed me with open arms. One morning Bailer received a letter from Fischer, the conductor of the E-City Symphony saying that he was looking for a new assistant conductor. I immediately thought of my brother and asked Bailer to recommend Georg. Georg got his first job as conductor with a symphony orchestra and his conducting career was launched. Being the wife of a famous scholar or the sister of a famous musician, can 22

at times be difficult and sometimes funny. John Snow was a well known choral conductor teaching at the Manhattan School of Music. He came upon my name as he was looking for students to join his madrigal group, which I had no intentions of joining. Snow said to me " Are you the sister of Georg Levi?" To make a long story short I was inducted into the madrigal group without an audition because I was the sister of Georg. Little did he know that I sang like a crow! My cello teacher at the Manhattan School of Music was Albert Silverstone, a very fine cellist. I don't think he was too crazy about me and in retrospect I can't blame him, after all I was no Yo-Yo Ma. Mordecai Wesson was my accompanist for my graduation recital. My parents were not allowed to come because I was afraid that I would mess up. Actually it went OK. As I was writing my thesis for my master's degree on the history of dynamics, I spent a lot of time at the public library on 42nd Street. I met the head of the music library, Carey Blime, a very knowledgeable musician and scholar. We became friends. I was thinking about my future and through Carey Blime, I got a postgraduate fellowship at the School of Music, University of K., in order to study the Viola da Gamba with Ada Frenzel, a fabulous musician and the best Viola da Gambist in the world at that time.

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Chapter Four 1950-1997 Before I left for K. ((Name Staat)), I asked Richard if he knew of a hotel in K. where I could stay for a few days until I found a room to rent. Richard had done some secret work for Boeing during the W.W.II years. Richard suggested the Bush Hotel. When I arrived in K. and took a taxi, I asked the driver to take me to the Bush Hotel. He turned around and looked at me and said "Lady, you don't want to stay at the Bush Hotel". I don't know what that hotel is like today, but apparently in those days its reputation was not very good to say the least. The taxi took me to the Meany Hotel, in the university district which was very close to the University of K. I should have know better than to ask Richard, he was not aware of the mundane things in life, but lived in the realm of equations. As I had never lived by myself looking for a room of my own was a new experience. It took me several days because most landladies told me "no men and no smoking". I could deal with the man part, but I did smoke. I finally found an attic room on 15th right behind the Wilsonian Hotel. That little house is there no longer. My rent was $30 and my salary was $160 a month. I thought it was within my reach. I started my life at the School of Music, University of K. Ada Frenzel, my Gamba professor was very nice to me and she was a wonderful teacher. I learned a lot from her. As part of my job, I assisted a 16th century counterpoint professor, grading papers and helping her in other ways. I also worked in the record library. Musically speaking, these were wonderful years. I loved playing in the faculty orchestra, the "Little Symphony" with William Bishop who was a marvelous musician and conductor. He was also the head of the School of Music. William Bishop, I think, really put music on the map in K. One day Ada Frenzel invited me to her apartment where I met Walter Johann for the first time. Ada was one of Walter's first friends in K. and their relationship went back to their Berlin days. (The Frenzel family were close friends of the Broh family. One of the Broh girls, Silvia, married Walter and another Broh girl, Ada, married the famous scholar Werner Bittner, who in turn was a very close friend of Walter during his student days in Berlin). After a little party at Eva's Walter offered to walk me home. We got so involved talking that we walked to my little house and back to the bus station many times and had a hard time saying good by. This was the beginning of my life with Walter until his death in 1990. One evening we had dinner downtown. Walter and I went to a little bar because he wanted a drink. We sat down at a table. I was asked how old I was. I was 24, but looked younger. I had no ID and they refused to serve us. So we went looking for a more lenient place. It was that night that he proposed to me and I said "yes" without even thinking about it. Walter was still married to Silvia. Their marriage had been problematic. Silvia left Walter. (they were living in Peking) and Silvia started a new life in Washington DC. When Walter came to the US in 1948 he thought that they might have another try at it, but Silvia was not willing to do that. Walter did not file for divorce 24

because he had no intentions of remarrying until we met. In December of that year Walter went to Washington, DC to ask for a divorce. The divorce was granted, but Silvia's father insisted on a $10,000 settlement, which impacted our lives for many years. It was not a fair settlement, but Silvia was not ready to discuss her marriage to Walter with her father and Walter was too decent to make it an issue. The way I see it, they both made mistakes. The marriage just did not work. The Bittner family cut Walter out of their lives and Walter was very hurt, as he loved them all, especially, Werner Bittner. Many years later I brought about a reconciliation. When Werner was in K. I invited him to our home and did the same with Silvia. She is a wonderful lady we are in touch and we are now friends. In the spring of 1951 Walter and I decided to look for a house. Walter was living in a rooming house with two other professors, Peter Ohlsen, an anthropologist, and Nicolai Swermaj, originally from Russia, a brilliant Mongolist. Walter's landlady, a Miss Wilson, was very strict and insisted that when I visited Walter the doors were to be kept open. Thank God, my rooming house was more liberal in that respect When Peter, Walter's roommate found out about our house plans, he suggested that we look for a house with a nice daylight basem*nt apartment. We then could buy the house together. On a Sunday we went looking with a real estate agent. Walter announced that he had a headache and went home and I pursued our search. I found our dream house at 2448 Delmar Drive. I remember entering the house and in the sunny kitchen a grandmother was baking brownies for the kids. The house had a very nice mother-in-law apartment (I despise this term). I took Walter to look at the house. He loved it. We showed it to Peter and we said YES! Needless to say, we were a bunch of dodos. Walter's friends gave us hell. They thought $16,800 was way too much and when asked whether we had someone check the plumbing or the roof, or the hillside for slides, we of course had to say no. Needless to say none of us three had any money. I was a clerk in a music store (could not find a job at the university because of nepotism laws) and Walter was earning $400 a month for nine months of the year. Peter and the two of us went to the Teacher's Credit Union and borrowed $4,000 for the down payment. As you can see, life was very different then. We moved into the house before we were married and many colleagues were shocked that we were openly living in sin. The story of Peter Ohlsen-McCarthy times and its consequences. Peter was an anthropologist particularly interested in the Mayan culture and the Mayan calendar. He often traveled to Mexico to do research. One day he was not permitted to re-enter the USA. It was discovered that in his youth he had been the secretary to Trotsky. He lost his job at the university and was stuck penniless in Mexico. Peter needed money and asked us to buy him out. Because we were relatively new homeowners the equity in our house was negligible. We could not get a loan on the house. Walter decided to sell his Chinese library, which was housed in the Far East Library of the university. We did, and after all was said and done we paid Peter. We had $3,000 left. We were rich, but not for long. We visited a colleague of Walter's who had a cabin in the woods near Darrington on the Stillaguamish River and fell in love with the area. A cabin 25

was for sale and we bought this wonderful old log cabin on the river for $2,800. The cabin has brought us all tranquility and beauty. Thank you Trotsky! I just want to add that eventually the university offered to re-instate Peter, but he said "no thank you". One of the great rewards of living on Delmar Drive was Garland Bell, two houses down. She was the most wonderful friend and neighbor. She had three children rather late in life and the younger two were only a year apart. She became my support system and there was nothing we could not discuss. She is now in her mid eighties and still living on Delmar Drive by herself paralyzed on the left side due to a stroke. She lives by herself without radio or TV, shares the lives and troubles of her friends, writes letters and reads. She is the most amazing woman I have ever met. I love and adore her for her kindness, lack of selfishness and materialism of any kind. When Thomas comes to K-Stadt he always visits her. When he was a little boy he used to appear in Jim and Garland's house and listen to Jim Bell, an attorney and law professor talk about law to his students around the kitchen table. Then he would quietly disappear again. We also had a wonderful mailman by the name of Ed Parks. Ed was a stunningly handsome black man. Over the years we became friends. He was wonderful with the boys and Walter enjoyed him no end. Even though he worked two jobs (mailman and orderly at night) he as always positive and cheerful. He was up on all the neighborhood gossip. One day disaster struck. I was quite pregnant with Thomas and painting the kitchen. Tim knocked over a whole gallon of oil paint and the kitchen floor was a sea of oil paint. I was close to tears when Ed appeared on the scene with the mail. Needless to say he rolled up his sleeves and helped me clean up the mess. Ed taught me how to drive a stick shift car and was willing to sit for me for a few minutes every day on his route so that I could do a bust of him. We moved into this empty house, with a wonderful view over Portage Bay, the University, Lake Washington and the Cascades. There was a dining nook in the kitchen so for the time being we did not have to have a table. I did need a chair to play cello and Eva gave me an old kitchen chair and the problem was solved. We got married in October 1951 and thus became respectable citizens on Delmar Drive. The marriage took place in New York City at City Hall. My parents and Georg were present at this brief ceremony. We took the subway to Rockefeller Center and had lunch. In the evening we had a little party of friends and relatives at the apartment of my cousin, Eva Anschel, the daughter of my Aunt Frieda. During the first year of my marriage I still worked in the music store. I did not feel so well and went to Walter's doctor and told him that I thought I had chronic appendicitis. He examined me and said that I had a pretty big appendix. I was pregnant. What joy! As I got a little bigger and had to run to the bathroom fairly often I quit my job and decided to sell Avon. Let me tell you it was hard. I was always glad when nobody answered my knock on the door. So much for Avon. So I limited myself to giving cello lessons. We decided that we needed health insurance. The Group Health Cooperative was just starting out. It was frowned upon by the AMA as "socialized medicine" and that made it only more appealing to us. I went for my physical in order to qualify. Here I was stark naked under this white sheet. 26

The doctor who had examined me and had taken down my history did not leave after all was done and finally said. "Would you be interested in playing quartet?" Thus my first quartet was born and Dr. Ralph Victor, who was the violist, became a life-long friend. Walter worked incredibly hard preparing his lectures day and night. I am told by his students that he never gave the same lecture twice. He slowly worked himself up from lecturer to full professor. On June 10th, my son Timothy was born and we were overjoyed. He was not an easy baby and needed a lot of attention. But he thrived and at the age of six months he weighed twenty pounds, so I guess I must have done something right. He started to talk when he was one year old and his first word was MOUSE. His first language was German. He picked up English on the way. When he started first grade he announced that he did not want to speak German anymore. He claimed that it was too strenuous to switch languages. I suspect there were other reason. This is not the time to tell Timothy's story. He will have to do that himself. He is a neurologist in Dalston and his wife Candice James practices family medicine and they have two great children, twelve year old Sven and nine year old Ellen. We love and respect each other and they are a great source of joy. I met someone who knew an orderly at Dalston Hospital. When asked if he knew Dr. Johann, he said yes he did, that Tim was a quiet man and he treated him with respect and dignity. For me that was the best compliment I could receive about my son. December 1953, my son Thomas arrived. The birth was easier and I was a more experienced mother. He was less demanding than Tim. It was not easy to bring up two little boys without any kind of support system. My parents were in New York City and I could not afford any help. We could not afford a car and during the rainy months I was house bound and got cabin fever. Now Thomas lives faraway in Anchorage with his wife, Estelle and their sweet daughter, Tammy. He too is a real "Mensch" and I consider him, like Tim, a good friend. Here I was with two little ones, a very busy husband trying to establish an academic career. I was not prepared for a life as full time mother and a faculty wife. Except for playing chamber music, I had no time for my music. I slowly turned to sculpture, as an outlet for my creative longings. A piece of clay can wait for you, a cello needs constant attention. I wrote a poem at that time about one aspect of the creative process.

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CREATION Tonight I know my hands will create that which has smoldered long and deep and tormented my sleep My hands will form these into shapes as yet unborn Will fill this empty space before my eyes with fines so stark and gaunt That suddenly I see with clarity The source of all despair in me And for a while at least I will have chased the haunted beast. 1/26/60 Let me say a little about being a faculty wife. Needless to say I consider that term an insult. Obviously I never joined the "Faculty Wives Club". I remember that in my first year of marriage I had a call from the wife of the university president. She asked me whether I could pour tea at some faculty occasion. I nearly flipped. I was stunned and said to her that I would have to think about it and would call her back. When Walter came home from the university I told him about this call. He laughed and told me that pouring tea was considered an honor and that I could not possibly say no, thus I accepted this dubious "honor" very reluctantly. It was taken for granted that faculty wives had to entertain and house visiting firemen. Here I had these little kids, no money nor help. I remember renting dishes and glasses for many occasions. After Thomas was born my parents gave us a car, which was a big help! None of the colleagues were rich, professors' salaries were very low. But they had a head start. Walter had to start when he was in his mid-forties, again, as a result of his stand against Nazi Germany. Our finances were disastrous for many years. We were always in debt, taking loans and worrying. Our house was furnished with rattan furniture and bricks and boards were used as bookshelves. Vacations were out of the question. Walter and I had our first vacation together in the late sixties. Walter would travel all over the world giving papers and lectures, but because of financial strains I could never join him. These were also stimulating times. I met many interesting and famous scholars from all over the world. My ears became accustomed to the musical sounds of the Chinese language. In 1962 Walter was invited by Princeton University to be a guest professor for a year. The Princetonians did not greet their visitors with grace and warmth as we did in K-Stadt. We felt very isolated The boys were in school. Walter was busy and I tried to make a life for myself in this stuffy town. I joined the University Symphony, the Princeton Sym-phony and the musical activities at Westminster Choir College. I put my name on the bulletin board of the Institute of Advanced Studies saying "Cellist wants to play chamber music". I soon had a quartet made up of an art historian 28

from Switzerland and two mathematicians. Life became more bearable. My other musical activities came to an abrupt halt. All the musical activities, with the exception of my quartet had the same conductor, a Mr. Karamji. Princeton was not geared to performance, but to composition and other academic aspects of music. As a result, the orchestra was not so great. We were about to give a concert and professional musicians were hired from Philadelphia to flesh out the sound by putting them in first chair positions. I was on inside of the first chair, so when the cellist from Philadelphia arrived I moved to second chair outside. We were rehearsing a piece by John Harbison. Mr. Karamji said to me "Mrs. Johann, I want all females on the inside". Princeton at that time was still all male. To make a long story short, I got up, packed my cello, went home and resigned telling the conductor that under these circ*mstances, I could no longer play in his orchestras. Unfortunately, I was the only protesting female. The mail boxes at the university were arranged by rank - professors on top etc. We entertained, inviting students and faculty together, not a common practice at the time. The boys had a good time. Tim had a black friend at school. He often went to his house to play, but his friend would never stay at our house. I found out that his mother had told him it was better not to enter a white home. I called his mom, invited the boy to please come and visit us and the problem was solved. Princeton was still very segregated. The swimming areas that were for whites only became off limits for my boys. We were glad to leave Princeton and return to our beloved Northwest. Today Princeton is co-educational and, I am sure, less stuffy. Returning to K. to our house was a shock. The renters had trashed it. But that is another story. In 1963, at the age of 76, my father retired from medicine and my parents moved to K. We found a house for them within walking distance. I helped them settle in. Unfortunately, my father went through a severe depression and it took a year until he settled down mentally and started to paint and sculpt again and play his cello. I had another twenty year job ahead of me. I also decided that I needed to find a means of earning money to help the boys through college. I had thought of becoming a social worker. Walter, who usually did not interfere in my life, thought that it would be a mistake because, as he put it, "You already are a social worker, you don't need to bring more problems into your life". I listened to him and entered the Library School at the University of K. It took me two years to get my master's degree, as I needed time for my parents and wanted to be home for the boys when they came home form school. To be honest, librarianship was not my life's dream, but it was a good solution as I could work part time, which I needed to do because of my parents. I worked for ten years as reference librarian at the Municipal Reference Library in City Hall. I suddenly had to deal with subjects I had never dealt with in my life, such as city planning, waste disposal and the subjects that concern city government. I learned a lot but I don't think I was ever a great librarian. After the ten years in City Hall, I transferred to the main library and became a music and art librarian. I had an easier time 29

dealing with art than with music because in a public library most of the questions were about subjects of which I was ignorant: folksongs, jazz, rock, pop music etc. I guess that my musical education was pretty lopsided when it came to my being a librarian in a public library. I learned and tried hard to be helpful to my clients. I met the most wonderful people at the K.-Public Library and most of my friends that I have today stem from that period of my life. We unionized and finally librarians are getting salaries comparable to other professionals with masters degrees. I started out in 1966 with a salary of $2.97 an hour. Librarianship used to be considered a "woman's job". Need I say anymore on this subject? Tim and Thomas were growing up and ready to start their college years. Both started out at the University of K. and later transferred to Stanford. Both did their advanced degrees at the University of K., Tim at the Medical School and Thomas at the Law School. I am happy that I was able to contribute to their education. I want to say a few words about Walter and to share with you some stories that are unique. Walter was a wonderful and gentle father. When it came homework time, the kids would say "Dad, it is time to do "our" homework and he would sit with them and though they had to do it themselves, his presence was very important for them. Walter was loved by his students and he loved, cherished and helped them. Walter was a very modest man. He was nervous before every lecture he gave. The students petitioned the university to make Walter "best teacher of the year". They were turned down because Walter had only graduate students, and that was not sufficient because of the "numbers game". Then they petitioned to have the Far Eastern Library named after him. Again the request was turned down, because Walter was still alive and you had to be dead before they could change the name of the library to the Walter Johann Library. I know that these things did not concern him, but I was sorry that he did not get the recognition that he deserved. There are a few Walter stories I would like to share with you: Walter the Hermit: One day he came home soaking wet. I inquired as to why he did not take the bus? He told me that a professor X was waiting at the same bus stop and he didn't feel like talking, so he walked home in the rain. Walter the Wise: It was the time of political unrest in the sixties. The Far Eastern Department was a favorite target. He came into his office ready to come home and found, it was occupied by a bunch of protesting students. He put on his hat and coat and said "I have some valuable books in my office, please make sure that when you leave you lock the door." The next day there was a sign on his office door 'This office is not to be occupied". He was the envy of the rest of the faculty of the department. Walter the Dreamer: He came home form the university and had taken the car. There he was in front entrance of the house and I asked, "Where is the car?" He said, "I had an accident on 10th and Miller". The car was totaled, thank God nobody was hurt. Walter went through a red traffic light because he became intrigued by the pattern of the raindrops on the 30

windshield. Walter never was a good driver and I was relieved that he gave up driving. It was sad that the reason for this decision was the result of problems he had with his eye sight. I regret that my grandchildren never had the pleasure of getting to know and love Walter, their grandfather. Neither Timothy nor Thomas were always happy with us. Timothy once said to us, because he had a friend who was very handy "you never taught us any skills, only concepts". Well, we did the best we could. Thomas once said that he did not approve of our "life style" and all I could say was TS. So as you can see, we were not perfect parents. One more Walter story: Walter was offered a very prestigious chair at the University of Basel, Switzerland. He said to me "I have been back to Europe several times, but you haven't. I want you to fly to Basel and see whether you could live in Europe again. I flew to Basel and stayed with the sister of Daniel Kohn, Trudy. I made an appointment with some of the university people, who of course could not figure out what this was all about, and were probably quite shocked by my mission. When I came home, my answer was a resounding "No". It was like going backwards for me and we remained in K. and never regretted our decision. The years 1963 to 1990 were hard ones. My father died in 1974. The death of my father was hard for my mother and she became increasingly dependent on me. Walter had a lot of trouble with his eyes and decided to retire at the age of 65. In 1979, he became very ill and was in the hospital for three months. In 1984 my mother died after being an invalid for more than a year. Two weeks after her death, I had a mastectomy. I was fortunate that the cancer was caught in time and living with one breast was not a big deal for me. I concentrated on taking care of Walter whose health was failing. The last year, he was bedridden. I put a hospital bed in our living room so that he could look over the mountains and the lake. I looked after him and he was a quiet introspective patient. As I had promised to let him go when the time was right, I chose not to treat his last bout of pneumonia, and he died quietly at home in the presence of Timothy, Candice, my brother and myself. It was a relief that his suffering was over and I felt a horrendous sense of loss. I think about him daily and he will always be a part of my life. The nineties brought the tragic loss of many of my friends who died of AIDS. The loss of these friends is still painful for me to write about. These stories would constitute another book. It was time for me to begin the last chapter of my life. In 1992 I sold the house on Delmar Drive and moved into a wonderful condo overlooking Lake Union surrounded by houseboats, geese and ducks. Kate McGowan, the manager, and her husband Mike made me feel welcome and they are an important part of my life on Fairview Avenue East. I know many people in my building and I feel protected and loved. Thank you Kate, Mike, Dick Myers and Lisa. I have time for my art, time for my friends and those in need. I feel centered and at peace with myself. I wrote this little book because I wanted to share some of my life with my grandchildren. I have also become increasingly concerned with the anti immigrant sentiments in America and other countries. I think it is important for people to know that NOBODY willingly leaves their home, their roots and their friends and relatives. That coming to America, learning about a new 31

culture and becoming part of that culture is very difficult. If our world were a kinder world we would not have a "refugee problem". I would like to close this little book by saying to my grandchildren: Have reverence for life and remember that all men are brothers.

"On the Banks of the Rivers of Babylon" (Psalm 137) I weep for the starving, the poor and the homeless, the unwanted children and the caged animals. I weep for the forests and the creatures we are destroying and the flowers we are crushing, never to bloom again. I weep for the wanton brutality of man against man and the hatred men carry in their hearts. If it were not for the love I receive and feel for my friends and family and the mysteries and beauty of the universe, music and art, I would silence my tears for ever.

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Name: Golda Nolan II

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